Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,
heute geht es um die größte Waffenmesse der USA und ihren prominentesten Gast. Um den Auftritt von Olaf Scholz auf dem Katholischen Kirchentag. Und um zwei mutige Widerstandskämpfer.
Frohes Schießen dank Donald Trump
Ex-Präsident Donald Trump wird heute in Houston, Texas, beim jährlichen Treffen der National Rifle Association (NRA) auftreten. Trotz des Amoklaufs an einer Grundschule im selben Bundesstaat drei Tage zuvor soll die größte Werbeschau für Waffen aller Art tatsächlich stattfinden.
Donald Trump (Archivbild)
Foto: Richard Ellis/ Getty Images
Zwar verurteilte die NRA den Amoklauf als ein »schreckliches und böses Verbrechen«, wies aber zugleich darauf hin, dass es sich um »die Tat eines einzelnen, geistesgestörten Kriminellen« gehandelt habe. Leider haben auch geistesgestörte Kriminelle in Staaten wie Texas freien Zugang zu allen möglichen Waffen.
Beim NRA-Jahrestreffen haben die geistesgestörten Einzeltäter von morgen nun die große Auswahl und dürften problemlos fündig werden. In der Ausstellungshalle werden »die neuesten Waffen und Ausrüstungen von den beliebtesten Unternehmen der Branche präsentiert« warb die NRA im Vorfeld. Und weiter: »Machen Sie jetzt Pläne, um mit anderen Patrioten des Zweiten Verfassungszusatzes ein Wochenende voller Freiheit für die ganze Familie zu erleben, während wir Freiheit, Feuerwaffen und den Zweiten Verfassungszusatz feiern.«
Solange Donald Trump und seine Parteifreunde von den Republikanern den Ton angeben, wird sich am Waffenwahnsinn nicht viel ändern. Sie verstehen sich trotz all der Massaker bis heute als Anwälte eines wild-westigen Freiheitsverständnisses, wonach der Besitz einer Waffe Ausdruck von Freiheit und Selbstbestimmung ist. Dass viele Republikaner sich von der organisierten Waffenlobby beeindrucken oder bezahlen lassen und schlicht korrupt sind, gehört auch zur Wahrheit. So blockieren republikanische Senatoren seit Jahren alle Vorstöße, die den Waffenmissbrauch zumindest eindämmen könnten.
Daran könnten nur die Bürgerinnen und Bürger der USA etwas ändern. An der Wahlurne. Wenn sie es denn wirklich wollten.
Die großen Fragen der Katholiken
Die großen Fragen der Gegenwart werden heute in Stuttgart verhandelt, unter dem Dach der Katholischen Kirche. Das war zuletzt, als die Kirche vor allem mit den eigenen moralischen Abgründen befasst war, eher seltener der Fall.
Kirchentagsbesucher in Stuttgart
Foto: IMAGO/Jens Schulze / IMAGO/epd
Beim Katholischen Kirchentag diskutiert die Klimaaktivistin Luisa Neubauer heute mit Frans Timmermans, dem Vizepräsidenten der EU-Kommission, über die Art und Weise unseres kapitalistischen Wirtschaftens: »Darf’s auch ein bisschen weniger sein?« – so die Leitfrage. Da der freie Markt längst an die Grenzen der Erde stößt, kann die Antwort eigentlich nur lauten: Es muss.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wird zur Frage »Wie retten wir unsere Wälder?« sprechen, und Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze zum nicht minder grundsätzlichen Thema »Mantel teilen. Heute! Konsum von Kleidung fair gestalten«. Wenn die Beiträge nur halb so substanziell werden wie die Titel der Veranstaltungen verheißen, könnte es ein gewinnbringender Kirchentag werden.
Und dann kommt auch noch der Bundeskanzler. Seine Veranstaltung trägt den Titel »Deutschlands Politik in unsicheren Zeiten«. Die Veranstalter schreiben dazu: »Zur guten Tradition von Katholikentagen gehört es, dass der deutsche Regierungschef zu aktuellen Fragen Stellung bezieht.«
Vermutlich hat es sich noch nicht bis zu Ihnen herumgesprochen, dass dieser Kanzler nur ungern zu Fragen Stellung bezieht. Zumindest gibt er selten konkrete Antworten. Ob die Bundesregierung tatsächlich noch vorhat, auch schwere Waffen in die Ukraine zu liefern, wäre eine solche konkrete Frage, die auch die Ukrainer brennend interessieren würde. Und falls ja, wann? Die paar geplanten Flugabwehrpanzer, die irgendwann im Juli geliefert werden sollen, dann aber womöglich noch ohne Munition, sind angesichts der akuten russischen Offensive in der Ostukraine jedenfalls keine große Hilfe. In unsicheren Zeiten scheint die Bundesregierung weiter unsichere Antworten zu geben.
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Systemfehler im Krankenhaus
Was gibt es Schlimmeres für Mütter und Väter, als dass ein Kind an Krebs erkrankt? Dass es an Krebs erkrankt, und es in der Klinik zu wenig Betten, Ärztinnen und Ärzte und Pflegekräfte gibt. Dass die bestmögliche Therapie nicht gewährleistet ist. Genau das ist in Deutschland häufig der Fall.
Kinder-Krebsstation in Berlin
Foto: Rainer Jensen/ picture-alliance/ dpa
Pro Jahr bekommen rund 2200 Kinder und Jugendliche hierzulande eine Krebsdiagnose. Die Heilungschancen sind gut, und sie werden immer besser – dank neuer, schonenderer Therapien und dadurch, dass das Wissen über die Krankheit täglich wächst. Doch die Finanzierung der Kinderonkologie ist auf Kante genäht, so wie die gesamte stationäre Versorgung in der Pädiatrie. Therapien müssen verschoben werden, weil gerade kein Bett frei ist, es fehlt an Geld, für Personal in der Forschung oder in der psychologischen Betreuung. Ohne die vielen Millionen Euro, die private Fördervereine Jahr für Jahr für die Kinderkrebsstationen sammeln, sähe es noch finsterer aus. Mehr als zehn Prozent der Spenden fließen in die Regelversorgung – sie decken Leistungen, die kein Luxus, sondern Standard sein sollten.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat versprochen, die Kinderkliniken aus dem System der Fallpauschalen zu nehmen. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, ihre Versorgung fordert viel mehr Aufwand. Und der kostet Geld, das die Fallpauschalen nicht vorsehen. Wird der Minister mehr für die jüngsten Patienten tun als seine Vorgänger? »Das wäre wichtig«, sagt meine Kollegin Julia Koch, die das Problem eindringlich beschrieben hat.
Gewinner des Tages…
Undatiertes Foto von Jan Kubiš
Foto: HO/ Reuters
…sind Jan Kubiš und Jozef Gabčík, zwei mutige Widerstandskämpfer der tschechoslowakischen Exilarmee, die heute vor 80 Jahren in Prag ein Attentat auf SS-Führer Reinhard Heydrich verübten, der erlag kurz darauf seinen Verletzungen. Zuvor waren sie in Großbritannien ausgebildet und in ihr Heimatland eingeschleust worden. Die Operation unter dem Codenamen »Anthropoid« war der einzige erfolgreiche Anschlag auf einen der führenden Nationalsozialisten. Heydrich war stellvertretender Reichsprotektor im sogenannten Protektorat Böhmen und Mähren. Als Chef der Gestapo war er zudem entscheidend für die Organisation der Massenvernichtung von Millionen europäischen Juden.
Zur Würdigung der Tat treffen sich heute die Außenministerin von Großbritannien und der Außenminister von Tschechien in Prag am Ort des Anschlags. Vielleicht würden auch in diesen Tagen wieder mutige Widerstandskämpfer helfen.
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Einen heiteren Freitag, trotz alledem, wünscht Ihnen.
Ihr Markus Feldenkirchen