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News des Tages: Xinjiang Police Files, Ukraine-Krieg, Amber Heard und Johnny Depp

Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:

  1. China – Wie kann der Westen seine wirtschaftliche Abhängigkeit reduzieren?

  2. Russland – Leistet Deutschland der Ukraine genug Beistand?

  3. MeToo – Was lässt sich aus dem Prozess Depp vs. Heard nur lernen?

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1. Deutschlands furchtbarer Partner

Die wirtschaftliche Verflechtung des Westens mit China ist groß. Alle, die die folgenden Zeilen auf ihrem iPhone lesen, werden das bestätigen können. Das Gerät wird im Silicon Valley entworfen, aber in Shenzen oder Zhengzhou gebaut. Kalifornisches Lebensgefühl – Made in China.

»Der Westen mag den Kapitalismus erfunden haben, doch die Volksrepublik prägt dessen Gegenwart und Zukunft: mit Batteriezellen für Elektroautos, mit Computerchips, Corona-Schnelltests, fast allem«, schreibt mein Kollege Simon Hage aus unserem Wirtschaftsressort in seinem Leitartikel . Der Wert deutscher Importe aus China hat sich seit 2009 mehr als verdoppelt.

Die Abhängigkeit vom Riesenreich im Osten wird zunehmend zum Problem. Nach den Enthüllungen der Xinjiang Police Files ist für Simon jedenfalls klar: »Manager und Politiker dürfen nicht länger vor dem Regime kuschen.« Weite Teile des Westens hätten sich, so Simon, auf »Gedeih und Verderb einem Regime ausgeliefert, das brutal gegen vermeintlich Andersartige und Andersdenkende vorgeht, dass die Parlamente Kanadas und der Niederlande sowie die US-Regierung bereits von einem Genozid sprechen«.

Spitzenpolitiker und Topmanager schienen lange nicht wahrhaben zu wollen, dass der vermeintlich effiziente Staatskapitalismus nicht zu haben ist ohne den rücksichtslosen Machtapparat. Der zieht zwar im Rekordtempo Großprojekte wie Schnellzugnetze, Offshore-Windparks oder Wolkenkratzer hoch, installiert jedoch mit derselben unheimlichen Konsequenz auch Überwachungsanlagen und Internierungslager.

Heute wurde bekannt, dass die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang Folgen für das Engagement des Volkswagen-Konzerns in China haben werden: Das Wirtschaftsministerium will erstmals keine weiteren Investitionsgarantien geben, erfuhr der SPIEGEL.

»Aus menschenrechtlichen Gründen« habe man erstmals »vier Anträgen eines Unternehmens auf Verlängerung von Investitionsgarantien« nicht stattgegeben, sagte eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) meinen Kollegen Simon Hage und Gerald Traufetter.

Welche Verbrechen nehmen wir für unseren Wohlstand in Kauf? Es ist gut, dass diese längst überfällige Debatte nun Fahrt aufzunehmen scheint.

2. Wir liefern, wir liefern nicht

Auf dem Deutschen Katholikentag in Stuttgart hat Kanzler Olaf Scholz heute den Kurs der Bundesregierung bei Waffenlieferungen an die Ukraine verteidigt. Für ihn sei »ganz ganz klar: Putin darf mit seinem zynischen menschenverachtenden Krieg nicht durchkommen«. Deshalb gebe es harte Sanktionen gegen Russland sowie humanitäre, wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung für die Ukraine, so Scholz. »Und daher auch die Lieferung von Waffen in ein solches Kriegsgebiet – etwas, dass wir als Bundesrepublik noch nie getan haben.«

Nur: Wie viel hat Deutschland bislang getan? Möglicherweise klafft eine gewaltige Lücke zwischen den Worten des Kanzlers und den Taten seiner Regierung. Jedenfalls aus ukrainischer Perspektive. »Die Ukraine wird von Berlin im Stich gelassen«, findet der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk laut Vorabbericht der »Bild«.

Sein Land brauche die sofortige Lieferung von schweren Waffen aus Deutschland, um die »Riesenoffensive der Russen im Donbass« zu ersticken, so der Botschafter. Wladimir Putin setzt offenbar auf einen langen Abnutzungskrieg. Meine Kollegen aus dem SPIEGEL-Hauptstadtbüro berichten : »Hinter den Kulissen streitet die Nato, welche Ziele der Ukraine sie noch unterstützen will – und welche Zugeständnisse in Kauf genommen werden könnten.«

Trotz Krieg und Krise am Rande von Europa gibt es übrigens hin und wieder auch Nachrichten, die Hoffnung machen. Leider nicht auf ein baldiges Ende der Aggressionen. Immerhin aber könnten die deutschen Integrationsbemühungen vorankommen. Die »Sesamstraße« soll es für geflüchtete Kinder bald auch auf Ukrainisch geben.

Wie viele Helme, Haubitzen oder schwere Waffen Deutschland der Ukraine geliefert hat? Vielleicht hat Graf Zahl konkretere Antworten als Olaf Scholz.

Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • »Die Zeiten von Nullzinsen sind vorbei«: Joachim Nagel nennt sich »krisenerprobt«, doch seit Russlands Invasion in die Ukraine erlebt er schlaflose Nächte. Hier spricht der Ökonom über gefährliche Verschuldung und die einsame Rolle der Deutschen .

  • Lehrergewerkschaften fordern bessere Integration ukrainischer Kinder: Es fehlt an Konzepten, Personal, psychologischer Betreuung: Lehrervertreter beklagen die schlechte Vorbereitung der Schulen bei der Integration von Kindern, die vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland geflohen sind.

  • USA erwägen offenbar Bewaffnung der Ukraine mit Mehrfachraketenwerfern: Die Systeme stehen ganz oben auf der Wunschliste von Präsident Selenskyj: Laut CNN laufen im Pentagon konkrete Überlegungen, der ukrainischen Armee Mehrfachraketenwerfer zu liefern. Doch noch bleiben Bedenken.

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

3. Schmutzwäsche einer toxischen Beziehung

Lange nicht mehr hat ein US-Prozess die amerikanische, aber auch die deutsche Öffentlichkeit so aufgewühlt wie der Streit von Johnny Depp und Amber Heard vor Gericht. »Das liegt nicht nur an der Prominenz der Parteien, die sich gegenseitig des Missbrauchs und der Rufschädigung bezichtigen«, schreibt mein Kollege Marc Pitzke , »sondern vor allem daran, dass jede Aussage, jeder Antrag, jedes Indiz aus dem Saal nach draußen übertragen wird, im Kabelfernsehen und als Livestream, von rabiaten Fans mit bitterbösen Internetmemes kommentiert« werde.

Das Verfahren taumelt dem Ende zu, heute sollten die Schlussplädoyers gehalten werden. Der Prozess in Fairfax, einem Vorort Washingtons im US-Bundesstaat Virginia, überschattet in den sozialen Medien fast alles andere, bis auf den Krieg in der Ukraine und zuletzt das Schulmassaker in Texas, »obwohl – oder weil – dabei die Schmutzwäsche einer toxischen Beziehung ausgehängt wird«, schreibt Marc.

»Racheporno«  nannte der ehrwürdige »New Yorker« das Schauspiel der einstigen Hollywood-Stars vor Gericht. Wer hat wen misshandelt? Wer hat wem die Karriere ruiniert? Um die Kernfragen des Prozesses geht es in den öffentlichen Debatten allerdings kaum noch. Stattdessen wird darüber diskutiert, ob der Prozess Depp gegen Heard das Ende von #MeToo ist ? »In der Schlammschlacht zwischen den Hollywoodstars Johnny Depp und Amber Heard zeigt sich, wie brutal die globale Öffentlichkeit sein kann«, schreiben meine Kollegin Janne Knödler und mein Kollege Enrico Ippolito: »Vieles ist unklar, aber fertiggemacht wird die Frau.«

Vielleicht ist es auch einfach so, dass der Prozess das offenbar urmenschliche Bedürfnis befriedigt, durchs Schlüsselloch ins Schlafzimmer anderer Leute zu blicken. »Nichts interessiert den Menschen so sehr wie der Mensch.« Diesen Satz hat Rudolf Augstein im SPIEGEL-Statut verankert, zwei Jahre nach Gründung des Magazins. Er gilt noch heute.

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Was heute sonst noch wichtig ist

Meine Lieblingsgeschichte heute: Der Mutter entrissen

Leider eine sehr traurige: Seit sechs Monaten sucht Anne Maja Reiniger, Projektleiterin aus Essen, verzweifelt nach ihrer Tochter. Das Mädchen heißt Clara, ist zehn Jahre alt und wurde von ihrem Vater ohne das Wissen der Mutter nach Paraguay gebracht. Der Vater ist Querdenker, er flüchtete aus Deutschland, um dem angeblichen Überwachungsstaat zu entkommen.

»Der Vater und seine neue Frau suchten ein Leben, das zu ihrer von Verschwörungserzählungen dominierten Welt passt, ein Leben, in das sich kein Staat, keine Epidemiologen und kein Robert Koch-Institut einzumischen haben«, schreiben meine Kollegen Tobias Großekemper und Guido Mingels. Sie haben Reinigers Versuch, ihre Tochter zu finden, in einer sensiblen und gleichzeitig verstörenden Reportage nachgezeichnet .

Besonders nachdenklich stimmt mich, dass Claras Verschwinden kein Einzelfall ist: Laut Bundesamt für Justiz entrissen im Jahr 2017 Väter oder Mütter in 186 Fällen ihre Kinder dem jeweils anderen Elternteil, 2020 gab es 242 neue Fälle von Kindesentzug, 2021 dann rund 250.

Tobias Großekemper hat auch in Paraguay recherchiert, unter Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern: »Sie leben dort in einer Parallelgesellschaft und schotten sich ab – wie ein Telegram-Kanal, der Realität geworden ist.«

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen


Was heute weniger wichtig ist

Abba ist wieder auf Tour: Die Musiker der legendären schwedischen Popband, die sich vor 40 Jahren getrennt hatte, stehen dabei nicht leibhaftig auf der Bühne, sondern als voll animierte, digital verjüngte »Abba-tare«. Der Gesang kommt vom Band, die Instrumente werden von einer Liveband gespielt. Was nach einem leicht zweifelhaften Vergnügen klingt, wollten bei der »Abba Voyage«-Premiere in London 3000 Zuschauer miterleben, mittanzen und mitsingen. Am Ende applaudierten sie minutenlang für die künstlichen Musiker – und für die echten, die zum Abschluss die Bühne betraten .

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Aljoscha Stadelmann gibt den verwahrlosten Nachbarn als Muttersöhnchen, der am Eis am Stil offenbar nach sexueller Dauerkompensation sucht.«

Cartoon des Tages: Corona in Nordkorea


Foto: Illustration: Chappatte

Und am Wochenende?

Wenn sich die Weltbevölkerung trotz Krieg und Krise auf eine Sache einigen kann, dann vermutlich auf diese: »Star Wars« ist gut. Anders ist es mir jedenfalls nicht erklärlich, dass seit der Kinopremiere im Jahr 1977 immer wieder neue Episoden und Weiterdrehs auf den Markt kommen – und die meisten davon begeistert aufgenommen werden.

Heute startet auf beim Streamingdienst Disney+ die sechsteilige Serie »Obi-Wan Kenobi« mit Ewan McGregor als alterndem Jedi-Meister. Wie immer gibt es Humor, exzellent in Szene gesetzte Landschaften, wilde Kreaturen und womöglich sogar ein Wiedersehen mit Darth Vader, schreibt mein Kollege Andreas Borcholte.

Ein schönes Wochenende wünscht
Ihre Anna Clauß

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