Inmitten der Diskussion über eine allgemeine Coronaimpfpflicht hat das Bundesverfassungsgericht eine wichtige Entscheidung zum umstrittenen Infektionsschutzgesetz verkündet: Das höchste deutsche Gericht hat die Pflege-Impfpflicht bestätigt und eine Verfassungsbeschwerde gegen entsprechende Teile des Infektionsschutzgesetzes zurückgewiesen.
Zwar greife die einrichtungsbezogene Impfpflicht in die körperliche Unversehrtheit ein, teilte das Bundesverfassungsgericht mit. Doch sei dies verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber verfolge den legitimen Zweck, vulnerable Menschen vor einer Infektion zu schützen. Der Schutz dieser vulnerablen Gruppen wiege verfassungsrechtlich schwerer als die Beeinträchtigung der Grundrechte für das Pflege- und Gesundheitspersonal, argumentierten die Karlsruher Richterinnen und Richter.
Die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht soll alte und geschwächte Menschen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützen. Sie haben ein besonders hohes Risiko, sehr schwer zu erkranken oder an Corona zu sterben.
Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken, aber zum Beispiel auch in Arztpraxen und bei ambulanten Diensten sowie Hebammen, Masseure und Physiotherapeuten mussten daher bis zum 15. März nachweisen, dass sie voll geimpft oder kürzlich genesen sind. Neue Beschäftigte brauchten den Nachweis ab dem 16. März.
Fehlt er, muss die Einrichtung das Gesundheitsamt informieren. Es kann den Betroffenen verbieten, ihre Arbeitsstätte zu betreten oder ihre Tätigkeit weiter auszuüben. Für Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, gilt eine Ausnahme.
Mehrere Bundesländer für Neuanlauf bei allgemeiner Impfpflicht
Bereits im Februar hatten die Karlsruher Richterinnen und Richter im Eilverfahren abgelehnt, die Vorschriften vorläufig außer Kraft zu setzen. Die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht konnte damit Mitte März umgesetzt werden.
Erst am Montag hatten Baden-Württemberg, Bayern und Hessen bei einer digitalen Gesundheitsministerkonferenz appelliert, angesichts einer drohenden Coronawelle im Herbst einen Neuanlauf im Bundestag für eine Impfpflicht ab 60 Jahren zu wagen. So könnten eine Überlastung des Gesundheitssystems und damit auch Einschränkungen für die Gesamtbevölkerung vermieden werden. Ende Juni sollen die Gesundheitsminister erneut darüber beraten und einen Beschluss treffen.
Ein fraktionsübergreifender Entwurf für eine allgemeine Impfpflicht zunächst ab 60 Jahren war Anfang April im Bundestag klar gescheitert . Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte daraufhin deutlich gemacht, dass er keine Basis für einen erneuten Anlauf sehe.
Jüngst hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach mitgeteilt, die Bundesregierung wolle allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern bis zum Herbst eine vierte Coronaimpfung ermöglichen. Dafür soll in großem Maßstab neuer Impfstoff angeschafft werden.