In der Europäischen Union wächst der Unmut darüber, dass Ungarn ein geplantes Ölembargo gegen Russland nicht mittragen will. »Die ganze Union wird von einem Mitgliedstaat als Geisel genommen«, kritisierte der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis am Rande eines Treffens mit seinen EU-Kollegen in Brüssel.
Auch der irische Außenminister Simon Coveney pochte auf ein »sehr klares Signal an den Kreml und an Moskau«. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg rief die Mitgliedstaaten zur Geschlossenheit auf: »Wir sind in Europa wahnsinnig gut darin, uns immer wieder uneinig zu zeigen«, rügte er. Zu den Beratungen wurde auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erwartet.
Borrell: »Tun unser Bestes, um die Situation zu entschärfen«
Die EU-Kommission hatte vor rund zwei Wochen ein schrittweises Einfuhrverbot für Rohöl und Ölprodukte aus Russland vorgeschlagen. Ungarn verhindert laut EU-Diplomaten jedoch bisher den nötigen einstimmigen Beschluss der EU-Staaten für das sechste Sanktionspaket. Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán drohte mit einem Veto, weil er die Energieversorgung seines Landes in Gefahr sieht. Ungarn deckt mehr als 60 Prozent seines Öl- und rund 85 Prozent seines Gasbedarfs mit Lieferungen aus Russland.
»Wir tun unser Bestes, um die Situation zu entschärfen«, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Da es »ziemlich feste Positionen« gebe, könne er aber nicht garantieren, dass dies bei den Diskussionen gelinge.
Baerbock rechnet nicht mit Durchbruch bei Verhandlungen
Die Verhandlungen der EU-Staaten über ein Ölembargo hatten eigentlich bereits vor mehr als einer Woche abgeschlossen werden sollen. Allerdings fordern neben Ungarn Diplomaten zufolge auch die Slowakei, Tschechien und Bulgarien längere Übergangsfristen zur Umsetzung des Einfuhrstopps sowie Milliardenhilfen zum Bau neuer Pipelines.
Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission sah vor, wegen des Ukrainekriegs den Import von russischem Rohöl in sechs Monaten und den von Ölprodukten in acht Monaten zu beenden. Ungarn und die Slowakei sollten 20 Monate Zeit bekommen.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erwartete bei dem Treffen mit ihren Amtskolleginnen und -kollegen keinen Durchbruch. »Das wird nicht die finale Klärung heute hier sein«, sagte Baerbock. Sie sei aber »sehr zuversichtlich« hinsichtlich einer Einigung »in den nächsten Tagen«.