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News: Annalena Baerbock in der Ukraine, Fynn Kliemann: Werbekunden wenden sich ab, Inflation

Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:

  1. Baerbock in Kiew – Und was ist mit Scholz?

  2. Gestiegene Inflation – Wie schützen Sie Ihre Ersparnisse?

  3. Werbekunden wenden sich gegen Influencer – Guckt Fynn Kliemann in die Röhre?

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1. Baerbock in Butscha, Scholz in Berlin

Als erstes Mitglied der Bundesregierung seit Kriegsbeginn hat Außenministerin Annalena Baerbock heute Kiew besucht (und als »Einzige mit Format«, wie der CDU-Generalsekretär neulich sagte, um dem Kanzler einen mitzugeben). Baerbock machte sich unter anderem im Vorort Butscha ein Bild von der Zerstörung. Dort waren nach dem Abzug der russischen Truppen mehr als 400 Leichen gefunden worden – teils mit auf den Rücken gebundenen Händen. »Baerbock schien mir ehrlich betroffen zu sein«, sagt meine Kollegin Alexandra Rojkov, die den Besuch in Kiew beobachten konnte. »Verständlich, wenn man an einem Ort steht, an dem ein Massengrab war.« Baerbock forderte, die Täter zur Verantwortung zu ziehen, und sicherte Unterstützung bei der Aufklärung zu.

Außerdem eröffnete sie die deutsche Botschaft in Kiew wieder, allerdings wird sie nur mit Minimalbesetzung arbeiten und nur mit eingeschränktem Betrieb. Und sie kündigte an, man werde in wenigen Tagen mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten an der modernen Panzerhaubitze 2000 beginnen, die Deutschland gemeinsam mit den Niederlanden an die Ukraine liefern werde.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte Baerbock für die Unterstützung. Es sei von großem Wert für das Land, dass sich Deutschland solidarisch zeige mit dem ukrainischen Volk, sagte Selenskyj einem von der Präsidialverwaltung veröffentlichten Video.

Und Olaf Scholz? Er »begrüße«, wie es so schön heißt, die Reise Baerbocks, sagte der Kanzler bei einer Pressekonferenz, ebenso wie die von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas am Wochenende. Er betonte auch, dass er froh über das vorangegangene Gespräch zwischen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sei. »Nun, glaube ich, ist das eine gute Grundlage auch für die ja unverändert wichtigen Zusammenarbeitsbeziehungen, die wir haben.« Und fährt er denn jetzt selbst? Keine Antwort.

Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • Mein Nachbar, der Besatzer: Die Metschkalos hatten sich gerade fertig eingerichtet, da marschierten Putins Soldaten in die Siedlung in Irpin ein. Während die einen über Heimweh klagten, terrorisierten und töteten die anderen .

  • Jede zweite Lehrkraft hat geflüchtete ukrainische Kinder an ihrer Schule: Viele Kultusminister halten Willkommensklassen für die beste Möglichkeit, ukrainische Schülerinnen und Schüler zu unterrichten. Laut einer Umfrage unter Lehrkräften sieht die Wirklichkeit jedoch vielerorts anders aus.

  • Tausende Zivilisten in Mariupol getötet: Nach Angaben der Menschenrechtsbeauftragten der Vereinten Nationen sind in der belagerten Hafenstadt Tausende Zivilisten gestorben. Es habe schwere Menschenrechtsverletzungen gegeben, auch vonseiten der Verteidiger.

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

2. Werte und Wertverfall

Die Deutschen zeigen sich großzügig und hilfsbereit: 752 Millionen Euro haben sie gespendet für die Ukraine und die Geflüchteten aus dem Land. Es ist »das höchste Spendenvolumen für eine einzelne Katastrophe in der Geschichte der Bundesrepublik«, berichten mein Kollege Markus Dettmer und meine Kollegin Laura Meyer. Der bisherige Rekord lag bei 670 Millionen Euro für die Tsunami-Opfer in Südostasien im Jahr 2004, gefolgt von 631 Millionen Euro für die Hilfe bei der Flutkatastrophe in Deutschland im vergangenen Jahr. (Hier mehr dazu.)

Die Deutschen fürchten zugleich, dass ihr Geld an Wert verliert. Die Teuerungsrate steigt auf Höhen, die das Land seit Jahrzehnten nicht gesehen hat. Mein Kollege Tim Bartz hat mit dem Ökonomen Thomas Mayer darüber gesprochen, wie man seine Ersparnisse schützen kann. Die schlechte Nachricht: »Die Inflation dürfte also auf unabsehbare Zeit auf hohem Durchschnittsniveau schwanken«, sagt Mayer. Wer ein Aktienportfolio hat, könnte trübsinnig werden: Allein der Dax hat seit Jahresbeginn 15 Prozent verloren. Die gute Nachricht: »Wer sich an das hält, was Mayer aus Studien herausdestilliert hat, kann cool bleiben«, sagt Tim. »Denn auf die lange Sicht, und nur die sollte für Kleinanleger entscheidend sein, bleibt die Börse unschlagbar.« Wer Aktien 20 Jahre oder länger halte, erziele immer eine positive Rendite – völlig egal, zu welchem Zeitpunkt die Anleger eingestiegen seien. »Eine tröstliche Erkenntnis«, sagt Tim. Wobei ich vermute, dass Großeltern das anders sehen könnten, wenn sie sich gerade nach einer Anlagemöglichkeit umschauen.

3. Schaut Kliemann in die Röhre?

Namenswitze, das lernen angehende Redakteure und Redakteurinnen an der Journalistenschule, sollte man sich verkneifen. Im Fall des YouTube-Influencers und Unternehmers Fynn Kliemann verbietet sich also alles, was in Richtung »Er war nur an einer Fynn-Win-Situation interessiert« geht.

Kliemann steht jedenfalls weiter massiv unter Druck. Zur Erinnerung: Recherchen von Jan Böhmermann und seinem »ZDF Magazin Royale« hatten ihm unterstellt, die Öffentlichkeit über Produktionsort und -bedingungen von Masken getäuscht zu haben.

Jetzt wenden sich die Geschäftspartner von ihm ab:

  • Die NGO Viva con Agua teilte auf ihrer Website mit, »alle Geschäftsbeziehungen« zu Kliemann zu beenden, inklusive aller angegliederten Unternehmen.

  • Der Energieversorger EWE kündigte an, die weitere Zusammenarbeit mit Kliemann zu überprüfen.

  • Die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis erkannte Kliemann einen Sonderpreis wieder ab, den sie ihm 2020 verliehen hatte. 

  • Der Online-Modehändler About You stoppte direkt nach Bekanntwerden der ZDF-Recherche den Verkauf der Stoffmasken von Kliemanns Unternehmen. About-You-Chef Tarek Müller sagte auf Instagram, dass man nicht gewusst habe, dass die Masken nicht aus Europa stammten.

Bei Kliemann scheint sich nun auch die Art der Kommunikation zu verändern: Zunächst sah es so aus, als wollte er transparent und offen zu allen Vorwürfen Stellung nehmen, wie das Interview zeigt, das er in der vergangenen Woche meinen Kollegen Jonas Leppin und Anton Rainer gab (hier das ganze Gespräch ). Jetzt veröffentlichte Kliemann hingegen ein Statement, wonach er Zeit brauche, bis er »Klarheit über die Details habe«. Er wolle »diesmal nicht wieder mit einer überhitzten Aussage« aufklären, nachdem er »frisch überrollt wurde« und werde sich daher erst mal zurückziehen. Der Kliemann-Wandel scheint unaufhaltbar.

(Sie möchten die »Lage am Abend« per Mail bequem in Ihren Posteingang bekommen? Hier bestellen Sie das tägliche Briefing als Newsletter.)

Was heute sonst noch wichtig ist

  • Grüne entscheiden sich gegen Hofreiter: Die Grünen müssen als letzte Koalitionspartei ihren Kandidaten für den Bahn-Aufsichtsrat benennen. Nach SPIEGEL-Informationen wird es nicht Ex-Fraktionschef Hofreiter. Den Posten bekommt ein anderer Verkehrsexperte.

  • Spaniens Geheimdienstchefin nach Lauschangriff entlassen: Spaniens Minderheitsregierung stützt sich auch auf katalanische Separatisten. Jetzt stehen Verteidigungsministerium und Geheimdienste unter Druck – wegen der »Catalangate«-Affäre.

  • »Ich lebe einen Horrorfilm«: In Kenia musste Daniel Motaung Enthauptungs- und Missbrauchsvideos für Facebook prüfen. Jetzt klagt er gegen die Arbeitsbedingungen – und wirft dem US-Konzern Menschenhandel vor.

  • Prinz Charles hält erstmals »Queen’s Speech« in London: In den Medien ist bereits von einer beginnenden Prinzregentschaft die Rede: Zum ersten Mal seit Jahrzehnten hat nicht Königin Elizabeth die pompöse Parlamentseröffnung geleitet – sondern ihr Sohn Charles.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Von Lafontaine lernen, heißt scheitern lernen: Der linke Volkstribun Jean-Luc Mélenchon will mit einer französischen Variante von Rot-Rot-Grün Premierminister werden und eine altsozialistische Agenda durchsetzen. Ein Irrweg – und eine Gefahr für Frankreich und Europa .

  • Heimisches Öl – aus dem Nationalpark: Wintershall Dea will seine umstrittene Ölförderung im Wattenmeer erweitern und bekommt nun unerwartete Rückendeckung von den Grünen. Forscher halten das für keine gute Idee, Umweltschützer sind entsetzt .

  • Ampel will mehr Bundeswehrsoldaten nach Mali schicken: Mit mehr Soldaten für die Uno-Mission »Minusma« will die Ampelregierung auf die sich rapide verschlechternde Lage in Mali reagieren. Nach SPIEGEL-Informationen enthält das neue Mandat erstmals auch eine Hintertür für einen Abzug .

  • Als der »Lochstreifen-Amor« zuschlug: Tinder? Eine alte Idee: Schon seit der Beatles-Ära boomt das Geschäft der Kuppelei mit Computerhilfe. So fanden sich 1968 auch Helen und Ruedi Wild – ihr Glück verdanken sie einem heute 90-jährigen Parship-Mitgründer .


Was heute weniger wichtig ist

A Kind of Magic, kein Kind der Magie: Der Schauspieler Tom Felton, 34, hat mit dem »Guardian« über seine Rolle als Draco Malfoy, der Gegenspieler von Harry Potter, gesprochen. Anders als viele vielleicht vermuten, sei er weit davon entfernt gewesen, über Nacht zum Star zu werden, sagte er. »Ich lief mit gefärbten Haaren herum und spielte einen bösen Zauberer. Das war nicht cool. Damit habe ich mir bei den Mädchen keinen Gefallen getan.«

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Knapp drei Viertel der Taten, die sich gegen Amts- oder Mandatsträger richteten, betrafen Tatverdächtige, die von der Polizei ideologisch keiner bestimmten Ideologie zugeordnet werden konnten.«

Cartoon des Tages: Kindersorgen


Foto: Thomas Plaßmann

Und heute Abend?

Könnten Sie, wie meine Kollegin Anja Rützel, das erste Halbfinale des Eurovision Song Contest verfolgen. Es beginnt um 21 Uhr. Anja verrät ihnen vorab, für welche Kuriositäten es sich lohnt einzuschalten. Da sind zum Beispiel die Letten, die »ihre Ökofunk-Nummer gleich mal mit der schleckschelmigen Einlassung ›Instead of meat, I eat veggies and pussy‹« eröffnen. »Wobei der Vulvavulgarismus freilich zumindest beim nationalen Vorentscheid nicht ausgesungen, sondern dezenterweise in riesigen Leuchtbuchstaben im Hintergrund eingeblendet wurde«, wie Anja schreibt. »Da ist die Befürchtung nicht weit hergeholt, dass gleich noch jemand zwinkerzwonkermäßig als Ganzkörpergurke auf die Bühne steppt.« (Lesen Sie hier den ganzen Text.)

Wo gesungen wird, da fallen Späne. Einen schönen Abend.
Herzlich
Ihr Oliver Trenkamp

Hier können Sie die »Lage am Abend« per Mail bestellen.

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