rt Habeck in bedrohter Raffinerie Schwedt: >>Ich wurde mich freuen, wenn Sie mich nicht nur als Ihren Feind sehen<< //
Naturlich springt Robert Habeck auf den Tisch, bevor er anfangt zu reden. Eigentlich hatte die Veranstaltung drinnen stattfinden sollen, aber der Andrang war zu gross, hier in Schwedt in der Raffinerie von PCK, zu viele wollen horen, was der Wirtschaftsminister zu sagen hat uber ihre Zukunft.
Hier, eine gute Stunde nordostlich von Berlin, nahe der deutsch-polnischen Grenze, wird aus einer geopolitischen Frage sehr unmittelbare Politik. In dieser Raffinerie landet das Ol aus der Druschba-Pipeline an, russisches Ol, sie gehort mehrheitlich Rosneft, dem russischen Energiegiganten.
Es geht gerade um die ganz grossen Fragen, um Gerechtigkeit fur die Ukraine, darum, Wladimir Putin nicht mehr Milliarden zu uberweisen, wahrend er die Ukraine uberfallt, es geht um Erpressbarkeit, Krieg und Frieden, nationale Sicherheit.
Hier aber geht es vor allem um: Arbeitsplatze.
Um das Aufeinandertreffen von sehr konkreten materiellen Interessen und weiter entfernten materiellen Interessen. Gut 1100 Menschen arbeiten hier, sie produzieren Heizol und Sprit fur grosse Teile Ostdeutschlands, auch fur Berlin. Sie fragen sich: Was wird aus uns?
Wahrend die politische Frage lautet: Wie gross ist die Unterstutzung fur Sanktionen gegen Putin noch, wenn es ernst wird? Und wie reagieren die Menschen auf den Minister?
Lange hatte Habeck gezogert
>>Ich weiss, dass es wahrscheinlich schon ein bisschen spat ist, dass ich hier bin, und es ist umgekehrt der erstmogliche Zeitpunkt, der moglich war<<, so eroffnet Habeck, wahrend er auf dem Tisch steht, vor ihm horen mehr als hundert Beschaftigte zu, viele in den grun-orangefarbenen Overalls der Firma.
Das ist Habecks zentrale Botschaft im ersten Satz: Die Aufgaben sind gross, die Angste auch, ich sehe das, ich verstehe das, ich verurteile das nicht, ich tue alles fur euch und ich mache Fehler. Aber. Es gibt fast immer ein Aber in der Wirklichkeit und in diesem Fall heisst das Aber: Olembargo.
Habeck will Deutschland unabhangig von russischen Ol machen, ja, die ganze EU hat praktisch schon beschlossen, dass sie loskommen will von Blutol aus Russland. Ein grosser Teil der Gesellschaft ist dafur, andere Staaten machen Druck auf Deutschland. Es ist nur noch eine Frage der Zeit. Das ist Habecks Botschaft. Bereiten wir uns besser vor.
Lange hatte er gezogert, ob ein Embargo wirklich machbar sei, gerade auch wegen Schwedt. In Westdeutschland gibt es andere Raffinerien, andere Transportwege. Aber im Osten gibt es vor allem Schwedt und Leuna und sie hangen sehr an Putins Pipeline.
Jetzt ist die Ansage: Es ist machbar. Alternativen sind gefunden.
>>Ich wurde mich freuen, wenn Sie mich nicht nur als Ihren Feind sehen wurden<<, sagt Habeck. Dazu erklart er, was er alles unternommen habe, um das Werk auch im Embargofall zu erhalten.
Erstens: Ol aus anderen Quellen sichern und sicherstellen, dass Ol aus der Reserve in Wilhelmshaven per Schiff und Pipelines aus Polen angeliefert werden kann. Da hatte er kurzlich nach einer Reise nach Polen den Durchbruch verkundet.
Zweitens: Sicherstellen, dass der Staat die finanziellen Risiken und Mehrbelastungen ubernehmen darf und will. >>Christian Lindner bezahlt<<. Die EU sei einverstanden.
Drittens: Dafur sorgen, dass das Werk auch in jedem Fall mitmachen kann, dass also Rosneft nicht im Weg stehen wird und dass klar ist, wer im Fall der Falle ubernimmt. Da bleibt Habeck vage, aber die Lage ist auch haarig.
Wie soll man ein russisches Unternehmen dazu bringen, kein russisches Ol mehr zu verarbeiten, um Russland zu schaden? Die Antwort der Regierung durfte lauten: indem man es herausdrangt. Der Kauf durch ein anderes Unternehmen, Verstaatlichung, Treuhanderschaft, alles liegt auf dem Tisch.
Oft genug entziehen sich die Arbeitsplatzsorgen in einem Unternehmen dem unmittelbaren Zugriff eines Bundesministers. In diesem Fall ist das ganz anders. Das gibt dem Treffen noch einmal eine andere Fallhohe.
Irgendjemand muss die Menschen uberzeugen
Habeck pladiert dafur, damit moglichst bald zu beginnen, schon bevor das Embargo greift, um sich an den neuen Modus zu gewohnen. Er erklart alle Grunde und Erwagungen und wie oft bei seinen Terminen fragt man sich, was nun eigentlich noch gefragt werden soll. Aber gefragt wird dann naturlich doch.
Ob er sich nicht per Amtseid dazu verpflichtet habe, Schaden vom deutschen Volk abzuwehren?
Ob man nicht die Druschba-Pipeline ausnehmen konne aus dem Embargo?
Ob ein Embargo nicht verpuffe, weil andere Staaten das Ol dann kauften?
Fruher, als Umweltminister von Schleswig-Holstein nannte sich Habeck Draussen-Minister, weil er fur das Draussen zustandig war, aber auch, weil er selbst viel draussen war. Wenn die Menschen gegen ein Windrad sind oder eine Stromtrasse, dann muss man ihnen zuhoren und sie dann uberzeugen oder einen Kompromiss vorschlagen.
Im Zweifel der Minister selbst, wenn es besonders heikel ist. Und viel heikler als hier geht gar nicht mehr.
Habeck erklart wie immer viel, wie immer raumt er auch viel ein: dass die Fragestellerin in einem Recht habe, dass es da wirklich ein Problem gebe, dass ein Restrisiko bleibe. Er verweist auf seinen Vortrag, wenn er etwas schon hergeleitet habe. Er nimmt seine Gegenuber auch hier auf diese radikale Weise ernst, die ihm eigen ist, indem er ihnen komplexe Argumente zumutet, Pramissen und Schlussfolgerungen, Grunde und Gegengrunde, Zweifel und Unsicherheiten.
Er kann ihnen nicht sagen, was sie gern horen wurden. Statt ihnen das zu verheimlichen, versucht er, ihnen verstandlich zu machen, warum er es nicht sagen kann.
Wann man wieder Ol aus Russland beziehen werde? – >>Das ist eine sehr gute Frage und ich kann Ihnen die Antwort nicht geben.<<
Radikales Ernstnehmen bis zum harten Widerspruch
Das Ernstnehmen geht so weit, dass er den Fragestellern auch Contra gibt. Einer unterstellt raunend, Habeck diene US-Interessen, denn die USA wollten Deutschland und Russland auseinandertreiben, und ubrigens sei Ol gar kein fossiler Energietrager. Da holt Habeck aus: >>Wenn ich so ehrlich antworten darf, wurde ich sagen, dass in Ihrer Frage drei Fehler drin waren.<<
Als er nach den Klimaaktivisten der >>Letzten Generation<>Sie haben mich an Ihrer Seite bei der Ermahnung: Zerstort keine Infrastruktur. Das hilft uns am Ende nicht weiter. Und ich bitte, dass Sie wenigstens die Sorgen und die Angste dieser Leute ernst nehmen.<<
Da meldet sich Dietmar Woidke, der SPD-Ministerprasident Brandenburgs zu Wort, er ist seit seinem Eingangsstatement nicht mehr eingebunden gewesen. >>Ich widerspreche Ihnen da, was Ihre Einschatzung dieser Menschen betrifft, nur ungern<>Wenn es allerdings Menschen gibt, die den Staat, und Sie, notigen wollen, Dinge zu tun, die Sie sonst nicht tun wurden, und um einen solchen Fall handelt es sich hier offensichtlich, dann ist eine Grenze erreicht und das ist eine Grenze, die einen Straftatbestand erfullt. Punkt, aus, Ende.<<
Es ist eine Antwort aus dem Standardrepertoire der Politik. Ein bisschen am eigentlichen Punkt vorbei, weil niemand bestritten hat, dass es eine Straftat ist. Mit souveraner Emporung vorgetragen, erganzt durch Ich-sag-jetzt-mal-wie-es-ismus, gezielt auf die Gefuhle der Zuhorenden. Nicht nachhaltig konstruktiv, zundet aber.
Auch Habeck bekommt allerdings reichlich Applaus, und das nicht nur an Stellen, an denen er den Fleiss oder die Kompetenz der Beschaftigten lobt. Nur bekommen die Fragenden, die ihm widersprechen, ebenfalls reichlich Beifall. Genau lasst es sich nicht sagen, dem Zuspruch nach uberwiegt in Schwedt wohl leicht der Zweifel am Embargo.
Das ist gar nicht so wenig fur einen Minister, der Menschen erklart, warum ihre Jobs alle in Gefahr sind, und dass er zwar seit Monaten hart daran arbeite, damit sie sicher sind, dass er das aber auch nicht hundertprozentig garantieren konne.
In Habecks Worten: >>Hatte auch lauter oder eierwerfiger werden konnen.<<