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nach der Wahl in Schleswig-Holstein: Kalter Wind aus Kiel //

Ampel-Euphorie? Von wegen. Das historische SPD-Debakel in Schleswig-Holstein ist ein Dampfer fur Kanzler und Genossen – ausgerechnet vor der wichtigen Wahl in NRW.

Kanzler Olaf Scholz


Foto: Bernd von Jutrczenka / dpa

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Das Willy-Brandt-Haus in Berlin am Abend des Wahlsonntags. SPD-Chefin Saskia Esken tritt in der Parteizentrale vor die Kameras. Zuletzt, so ungewohnt das fur die Sozialdemokraten nach vielen truben Jahren sein mochte, waren das Momente fur Erfolgsmeldungen.

  • Bei der Bundestagswahl hatte es die SPD mit einem spektakularen Schlussspurt auf Platz eins geschafft und machte Olaf Scholz zum Kanzler.

  • In Mecklenburg-Vorpommern legte die Partei mit Ministerprasidentin Manuela Schwesig gewaltig zu und befreite sich aus der Grossen Koalition.

  • Vor wenigen Wochen schliesslich, im Saarland, gelang den Sozialdemokraten etwas, das lange kaum mehr moglich schien: Sie holten die absolute Mehrheit.

Und jetzt?

>>Das Ergebnis ist bitter und eine herbe Enttauschung<<, sagt Esken. Die heutige SPD aber lasse sich nicht mehr verunsichern. Es ist der Versuch, Selbstvertrauen zu demonstrieren in der Stunde des Debakels.

Gewissheiten dahin

Was die SPD am gestrigen Sonntagabend mal wieder erfahren muss, ist, dass alte Gewissheiten endgultig dahin sind. Eine davon lautete lange Zeit: Die SPD ist ein naturlicher Anwarter auf die Fuhrung von Regierungen. Vor allem in Schleswig-Holstein, wo die Sozialdemokraten von Ende der Achtzigerjahre bis 2005 ein Abo auf die Staatskanzlei hatten.

Nun aber zeigen die Zahlen des Abends ein verheerendes Bild: Die Hoffnung auf einen Machtwechsel in Kiel erweist sich als illusorisch, vielmehr sturzt die SPD im Norden ab, verliert zweistellig, landet weit unter 20 Prozent. Deutlich davor liegen die vor Kraft strotzende CDU von Ministerprasident Daniel Gunther und die aufstrebenden Grunen. Der SPD bleibt Platz drei. Eine Demutigung.


Naturlich bemuhen sich fuhrende Genossen im Bund sofort nach Kraften, das Desaster kleinzureden. Schlimm ja, das ist der Tenor, aber es gehe ja nur um nur Schleswig-Holstein, ein vergleichbar kleines Land von der Einwohnerzahl, in dem man es obendrein als Aussenseiter mit einem ubermachtigen Ministerprasidenten zu tun gehabt habe.

Er wurde ja offen daruber sprechen, wenn er >>einen grossen bundespolitischen Trend ausmachen wurde<<, der in Kiel durchgeschlagen habe, sagt Generalsekretar Kevin Kuhnert im ZDF. >>Aber das ist schlicht und ergreifend nicht der Fall.<<

Schlappe im Norden gemacht

Und tatsachlich: Vieles spricht dafur, dass die SPD-Schlappe ihre Ursachen zuallererst vor Ort im Norden hat. CDU-Mann Gunther gilt als beliebtester Ministerprasident der Republik, erste Erhebungen zeigen, dass er als Person fur einen ubergrossen Teil der Unionswahler ausschlaggebend war.

Die Landes-SPD hatte Gunther jedenfalls wenig entgegenzusetzen. Im August vergangenen Jahres hatte Parteichefin Serpil Midyatli uberraschend den Weg fur die Spitzenkandidatur des bis dato in der breiten Offentlichkeit vollig unbekannte Ex-Grunen Thomas Losse-Muller gemacht. Nur etwa ein Dreivierteljahr blieb Losse-Muller, um sich im Land einen Namen zu machen. Viel zu wenig, wie sich herausstellte.

Der Plan, mit Losse-Muller einen furiosen Wahlkampfendspurt hinzulegen, scheiterte klaglich. In internationalen Krisenzeiten schien das Interesse an der Landtagswahl nicht sonderlich ausgepragt, zumal es in Schleswig-Holstein auch kaum durchschlagende Reibungspunkte zwischen den Konkurrenten gab.

SPD-Kandidat Thomas Losse-Muller (l.) bei einem Wahlkampftermin mit CDU-Ministerprasident Daniel Gunther


Foto: Marcus Brandt / dpa

Nur: Ganz so spurlos durfte die Pleite in Kiel dann doch nicht an den Genossen vorbeigehen.

Das Regieren in Berlin durfte in Zukunft jedenfalls nicht einfacher werden. Schliesslich wurde wieder eine Chance verpasst, die Machtbasis der Berliner Ampelregierung in den Landern zu erweitern.

Schon der Triumph im Saarland brachte manche Genossen ins Nachdenken. Die Sorgen galten damals den Koalitionspartnern: Weil Grune und FDP an der Saar aussen vor blieben, furchteten manche in der SPD, die beiden Partner konnten mit ihrer Rolle in Berlin hadern.

SPD muss zuschauen

Nun aber ist die Lage aus SPD-Sicht noch ungunstiger. FDP oder Grune: In Kiel kann sich die Union aussuchen, mit wem sie kunftig regiert. Die SPD muss am Ende zusehen, wie zumindest eine der beiden Parteien ihre Beziehungen zur Union wieder auffrischen.

Ampel-Euphorie? Ein neues politisches Projekt mit Strahlkraft? Davon kann derzeit keine Rede sein.

Dabei hatten andere in der SPD ein starkes Signal aus Schleswig-Holstein gut gebrauchen konnen. Thomas Kutschaty etwa, Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen. Dort wird am kommenden Sonntag gewahlt, und Kutschaty will von der Union die Dusseldorfer Staatskanzlei zuruckerobern.

Der Druck ist gewaltig. Nordrhein-Westfalen war mal Stammland der SPD, als bevolkerungsreichstes Bundesland ist es zudem von enormer politisch-strategischer Bedeutung. Die Wahl im Westen ist ein echter Gradmesser fur die gesamte SPD.

Nun aber mussen die NRW-Genossen ohne Ruckenwind aus dem Norden in ihren Wahlkampfendspurt gehen.

Scholz unter Druck

Und auch ein anderer Sozialdemokrat ware sicher besonders froh uber ein bisschen Wahleuphorie gewesen. Kanzler Scholz steht seit Wochen offentlich massiv unter Druck – vor allem wegen seines zogerlichen Kurses bei der militarischen Unterstutzung der Ukraine.

In der SPD verweist man deshalb gern darauf, dass die mediale Emporung sich nicht immer mit der in Umfragen gemessenen Stimmung in der Bevolkerung deckt. Was ware da der bessere Beweis gewesen als ein Sieg oder zumindest ein gutes Ergebnis in Schleswig-Holstein?

Doch allzu gross waren die Hoffnungen darauf in Berlin offenbar schon langer nicht mehr. Darauf deutet auch der Auftritt des Kanzlers am Sonntagabend hin. Olaf Scholz zeichnete eine Fernsehansprache auf. Es geht um Krieg, damals und heute, das Ende des Zweiten Weltkriegs und um die Ukraine, die sich seit Wochen der russischen Invasion erwehrt.


Allein das ist noch nicht verwunderlich. Der 8. Mai ist ein historischer Tag, markiert den Sieg der Alliierten uber Nazi-Deutschland vor 77 Jahren. Doch was den gebeutelten Sozialdemokraten zumindest entgegenkommen durfte, ist der bemerkenswerte Zeitpunkt, an dem die aufsehenerregende Rede auf verschiedenen Kanalen veroffentlicht wurde. Der taugt dazu, von den miesen SPD-Nachrichten dieses Tages ein klein wenig abzulenken.

Das Manuskript und erste Videoausschnitte der Scholz-Ansprache durften Medien laut Bundespresseamt ab 18 Uhr verwenden. Exakt zum Zeitpunkt der Prognose aus Schleswig-Holstein.


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