worm: Warum die Insel nicht klimaneutral ist – obwohl sie es sein konnte //
Wyn Matthiesen, DER SPIEGEL
>>Auf geht’s, wurde ich sagen.<<
Wir sind auf der Nordseeinsel Pellworm. Kai Edlefsen ist Geschaftsfuhrer des Pellwormer Burgerwindparks. Er nimmt uns heute mit nach oben.
Wyn Matthiesen, DER SPIEGEL
Das ist ein Erlebnis. Wow! Das ist echt krass. Und nicht mal windig. Hui!
Das Paradoxe auf Pellworm: Eigentlich konnte sich die Insel autark mit Energie versorgen. Und trotzdem sind die Bewohnerinnen und Bewohner noch vom russischen Gas abhangig.
Kai Edlefsen, Burgerwindpark Pellworm
>>Wir konnen auch bilanziert die komplette Insel heizen mit dieser Energie. Aber, statt dass man die Anlagen laufen lasst, werden die Anlagen, gerade wenn sehr viel Wind im Angebot ist, also bei Sturm, werden die Anlagen runtergeregelt.<<
Die Netze auf dem Festland sind dann uberlastet. Fast ein Viertel des moglichen Stroms wird so erst gar nicht hergestellt. Ein Ausweg ware, dass Inselnetz vom Betreiber E.on aufzukaufen. Dann konnten die Insulaner den Strom selbstverwaltet nutzen und Fernwarme produzieren. Doch der Gemeinde fehlt das Geld dafur. Und so fliesst weiter fossil erzeugter Strom durch die Seekabel, die Pellworm mit dem Festland verbinden.
Kai Edlefsen, Burgerwindpark Pellworm
>>Das, was man vor Ort nutzen kann, sollte man auch wirklich vor Ort nutzen und nicht aus dem Ausland zu kaufen, nur weil es vielleicht ein Ticken gunstiger ist.<<
Saubere Energie und Pellworm – das ist eine lange Geschichte. 1983 entstand hier der erste Solarpark Deutschlands. Es folgten Windkraft- und Biogasanlagen. Die Insulaner waren gerne noch unabhangiger. Deshalb schaut man hier gespannt auf die Embargo-Diskussion in der EU.
Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister
>>Deutschland ist nicht gegen ein russisches Ol-Embargo. Naturlich mussen wir eine schwere Last tragen, aber wir sind bereit, es zu tun.<<
Anders sieht es beim Gas aus. Trotz einer rapiden Senkung liegt die deutsche Abhangigkeit von russischem Gas noch immer bei rund 35 Prozent. Ein Embargo lehnt Habeck deshalb ab.
Edlefsen geht mit uns zu den Seekabeln, die hier unter dem Deich versteckt liegen. Sie stehen sinnbildlich fur die Abhangigkeit vom Festland. Etwa 5 Prozent Strom bezieht Pellworm noch von dort. Dabei produziert die Insel bereits heute siebenmal mehr Strom, als sie braucht.
Kai Edlefsen, Burgerwindpark Pellworm
>>Das ware so, als wenn sie den Schrank voll hatten. Und trotzdem wurden sie noch mal wieder zum Supermarkt hingehen und noch mehr kaufen.<<
Das Problem: Es gibt keine Speicher. Dabei gab es die mal. Zwei riesige Batterien konnten die Abhangigkeit vom Festland halbieren. Smart Region Pellworm hiess das Forschungsprojekt. Doch nach funf Jahren lief die Finanzierung aus. Die Batterien verschwanden wieder.
Seit es Windrader auf Pellworm gibt, konnen sich die Bewohnerinnen und Bewohner daran beteiligen. Von den meisten Menschen werden die Anlagen vor Ort akzeptiert. Sie profitieren finanziell sogar davon. Hauke Zettel hat nichts gegen Windenergie. Aber die Art der Beteiligung gefallt ihm nicht. Deshalb hat er sich dagegen entschieden. Wir treffen den Biobauern auf seinem Hof.
Hauke Zetl, Bio-Landwirt
>>Ich hatte mir gewunscht, dass solche Sachen in der Kommune gewesen waren. Und dann hatten alle was davon gehabt. Weil dann hatten wir alle viel weniger Probleme und mussten nicht jedes Jahr nach Kiel zum Betteln gehen, dass sie unser Defizit ausgleichen. Hatte die Kommune diesen Windpark, glaube ich, dass das Portemonnaie der Gemeinde Pellworm anders aussehen wurde.<<
Astrid Korth, Burgermeisterin Pellworm
>>Naturlich ware es toll gewesen, wenn man so was auch fur die Gemeinde hatte nutzen konnen, als kommunale Windmuhle, um die Einnahmen der Allgemeinheit zukommen zu lassen. Aber das war damals eben nicht moglich.<<
Astrid Korth ist Burgermeisterin auf Pellworm. Das Kommunalrecht verhinderte damals die Ubernahme durch die Gemeinde. Heute ware das theoretisch machbar.
Wyn Matthiesen, DER SPIEGEL
>>Was kann Habeck von Pellworm lernen?<<
Astrid Korth, Burgermeisterin Pellworm
>>Ja, er konnte gerne mal hier vorbeikommen. Und vielleicht konnte man das mal als Anlass nehmen, um einfach mal zu sehen, was uns hier vor Ort bewegt. Wir machen uns hier Gedanken und wie kann man das verknupfen und ins grosse Ganze reinbringen?<<
Das grosste Zukunftsprojekt: eine Wasserstofffahre. Die Energie von drei der sechs Pellwormer Windrader wurde ausreichen, um die Fahre anzutreiben. Aktuell bemuht sich die Insel um Zuschusse von der Politik, um vor Ort Wasserstoff herstellen zu konnen.
Energiespeicher, Netzausbau und Burgerbeteiligung: Pellworm zeigt im Miniaturformat, welche Herausforderungen auf Deutschland nun zukommen.
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