alter-Absenkung zur Bundestagswahl: Sollen 16-Jahrige kunftig wahlen? //
Der Schuler Linus Steinmetz hat Einspruch gegen die letzte Bundestagswahl erhoben – weil er im September vergangenen Jahres mit 17 nicht alt genug war, um selbst wahlen zu durfen. >>Wir sind eine unglaublich politische Generation<<, sagt Steinmetz, der inzwischen volljahrig ist. Fur den Aktivisten ist Alter daher kein nachvollziehbarer Grund, nicht wahlen zu durfen. Gebracht hat sein Antrag erwartungsgemass nichts, der Bundestag wies den Einspruch zuruck.
Und doch findet Steinmetz’ Anliegen Gehor im Parlament. An Donnerstagabend stand die Absenkung des aktiven Wahlrechts auf 16 Jahre auf der Tagesordnung der sogenannten Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit. Die soll in erster Linie dafur sorgen, dass der ubergrosse Bundestag in der nachsten Wahlperiode wieder etwas schrumpft. Aber die Abgeordneten und Sachverstandigen wollen sich auch mit der Frage befassen, wann junge Menschen in Deutschland zum ersten Mal wahlen durfen.
Das Ampelbundnis ist dafur, das Wahlalter fur die Bundestagswahl auf 16 herabzusetzen, so wie es auch schon in einigen Bundeslandern fur Landtags- oder Kommunalwahlen gilt oder angepeilt wird. Das Vorhaben steht im Koalitionsvertrag. Die Linke unterstutzt den Plan, Union und AfD sind dagegen. Ohne die Stimmen der Union aber kommt die Koalition nicht auf die Zweidrittelmehrheit, die sie fur die notwendige Grundgesetzanderung brauchte.
Union sieht keinen Handlungsbedarf
Vor mehr als 50 Jahren wurde das Wahlalter fur Bundestagswahlen schon einmal abgesenkt – damals von 21 auf 18 Jahre. Nach einer langjahrigen Debatte wurde das Grundgesetz in diesem Punkt schliesslich 1970 geandert. Ein Argument des Rechtsausschusses des Bundestages damals war, dass 18- bis 21-jahrige >>heute weithin verantwortlich im Arbeits- und Berufsleben stehen<<. Und dass das politische Interesse in der Altersgruppe gegeben sei. Bei der Bundestagswahl 1972 durften 18- bis 20-Jahrige schliesslich erstmals mitwahlen.
Die Argumente fur die Absenkung ahneln heute jenen der fruhen Siebzigerjahre: Die Generation sei politisch, ausreichend informiert und Jugendliche ab 16 Jahren damit reif genug fur eine Wahlentscheidung – sie sollten daher die Moglichkeit zur politischen Partizipation bekommen.
Aber woran macht man Reife eigentlich fest, wie bewertet man politische Entscheidungsfahigkeit? Darauf fand sich in der Kommission am Donnerstag keine eindeutige Antwort, die Sachverstandigen waren sich uneinig. Jugendforscher Klaus Hurrelmann, selbst nicht Teil der Kommission, sagt dazu, dass Jugendliche heute fruher erwachsen seien als vor einigen Generationen – und damit auch fruher in der Lage, politische Entscheidungen zu treffen. Die Pubertat beginne durchschnittlich mit zwolf Jahren, dementsprechend trete auch das Erwachsenenalter fruher ein. >>Wir haben viele Indikatoren dafur, dass es heute ab zwolf, 13, auf jeden Fall ab 14 Jahren im Durchschnitt fur junge Frauen und Manner moglich ist, intellektuell einzuschatzen, worum es bei einer Wahl geht<<, so Hurrelmann.
Die Union dagegen sieht derzeit keinen Handlungsbedarf. >>Fur uns ist wichtig, dass es beim Alter eine rechtliche Kongruenz gibt<>Ob eine Person wahlen darf und sollte, wenn sie etwa noch nicht voll geschaftsfahig ist, mussen wir klaren.<>die zentrale Wendemarke<>ein Stuck weit fern<<, dass es fur das Wahlrecht anders sein sollte, eine Anderung musste gerechtfertigt werden.
In Osterreich durfen 16-Jahrige schon wahlen
Osterreich hat das Wahlalter bereits 2007 von der Geschaftsfahigkeit abgekoppelt und auf 16 Jahre abgesenkt, als erstes Land in der Europaischen Union. Auch in Malta konnen Jugendliche ab 16 Jahren wahlen. Die Wiener Politikwissenschaftlerin Sylvia Kritzinger findet diesen Weg richtig. 18 sei ein schlechtes Alter, um erstmals an Wahlen teilzunehmen, sagt Kritzinger. >>Im Leben eines jungen Menschen spielt sich mit 18 relativ viel anderes ab<>eingebettet<<, dementsprechend konnte man sie uber Schule und Familie uber Wahlen informieren und sie animieren, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen.
Kritzinger betont, Umfragen in Osterreich hatten gezeigt, dass bei der ersten Wahl nach der Reform 2008 die Wahlbeteiligung bei 16- bis 17-Jahrigen hoher gewesen sei als bei 18- bis 20-Jahrigen. Das habe sich mittlerweile allerdings angenahert. Zudem habe sich in ersten Studien gezeigt, dass das Wahlalter ab 16 dafur sorge, dass die Wahlbeteiligung auch langfristig steige – denn, so die These, wer fruh an seiner ersten Wahl teilnehme, entwickele einen langfristigen Wahlhabitus. Alles in allem, stellt Kritzinger fest, sei die Reform positiv gewesen.
Aktivist Linus Steinmetz ist >>kritisch optimistisch<>Wenn sich das Wahlalter andern wurde, ware ich in Ekstase<<, sagt er. Dass sich das Hochgefuhl rasch einstellt, ist allerdings nicht zu erwarten. Derzeit ist die notwendige Mehrheit im Bundestag fur die Absenkung nicht absehbar.