Für Frieden zu demonstrieren, das mag auf den ersten Blick konsensfähig erscheinen. Über die sogenannten Ostermärsche der Friedensbewegung ist in diesem Jahr jedoch eine scharfe Debatte entbrannt. Hintergrund ist der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Das Motto »Frieden schaffen ohne Waffen« sei angesichts der Lage unpassend, so die Kritik.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) forderte die Beteiligten der Demonstrationen nun zu einer klaren Botschaft an Russland auf. Gegenüber der Funke Mediengruppe sagte Habeck, Pazifismus sei im Moment »ein ferner Traum«. Kriegsverbrechen seien »offenkundig Teil« der russischen Kriegsführung. Für ihn sei deshalb »Zuschauen die größere Schuld«. Es sei »eindeutig, wer in diesem Krieg Angreifer ist und wer sich in schwerer Not verteidigt und wen wir unterstützen müssen – auch mit Waffen«.
Ostermärsche in der Kritik
Die Ostermärsche für den Frieden haben in Deutschland eine lange Tradition. Organisiert werden die Märsche vom Netzwerk Friedenskooperative. Dieses sprach am Samstag von einem »erfolgreichen Start« der Ostermärsche. »In vielen Städten wie Berlin, Bremen, Göttingen, Leipzig, München, Münster, Rostock, Stuttgart oder Wiesbaden gehen die Menschen auf die Straße, um sich für Frieden und Abrüstung einzusetzen«, hieß es in einer Erklärung.
Das Netzwerk Friedenskooperative verurteile »den völkerrechtswidrigen brutalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine«. Allerdings werden in einigen der Aufrufe, die sich teilweise deutlich voneinander unterscheiden, auch »permanente Aufrüstung« im Westen und »politisches Versagen« dort für die militärische Eskalation mitverantwortlich gemacht. Daher müsse es jetzt darum gehen, »die Eskalationsspirale zu durchbrechen«, hieß es.
Ostermarsch am Gründonnerstag in Erfurt
Foto: Bodo Schackow / dpa
Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) betonte mit Blick auf die Ostermärsche das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung. Das Motto »Frieden schaffen ohne Waffen« sei aktuell eine Arroganz gegenüber den Menschen in der Ukraine, sagte Thierse dem Bayerischen Rundfunk. »Pazifismus auf Kosten anderer ist zynisch.«
Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff hatte sich vergangene Woche in der »Zeit« gegen die Ostermärsche ausgesprochen. Putins Angriffskrieg auf die Ukraine habe gezeigt, dass die Parolen der Ostermarschbewegung »realitätsfern und gefährlich« seien, so der stellvertretende Chef der FDP-Bundestagsfraktion. Lambsdorff warf den Teilnehmenden eine Relativierung des russischen Vorgehens und der damit verbundenen Kriegsverbrechen vor und bezeichnete sie als »fünfte Kolonne« von Wladimir Putin.
Die in der Ukraine aufgewachsene Publizistin Marina Weisband äußerte sich in den »Tagesthemen« am Freitag ebenfalls kritisch gegenüber den Ostermärschen. Das Problem an den radikalen Pazifisten sei, dass sie den Frieden an den Anfang stellten und nicht ans Ende. »Wir kommen nicht drumherum, dass wir in einer Welt leben, in der es auch Waffen gibt, in der es auch Aggressoren gibt«, so Weisband. Diesen Aggressoren müsse man es so teuer wie möglich machen, jemanden anzugreifen – »und das funktioniert nur mit Waffen«.
Zuspruch für Pazifisten
Die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann verteidigte dagegen die Ostermärsche. Es sei nicht gerecht, Menschen, die sich seit Jahrzehnten für Frieden einsetzten vorzuwerfen, sie stünden auf der Seite Russlands, sagte Käßmann am Samstag im NDR. Sie warnte vor einer Eskalation des Krieges, auch durch westliche Waffenlieferungen an die Ukraine.
Ein Vertreter des Netzwerk Friedenskooperative wies im WDR die Kritik von FDP-Politiker Lambsdorff als »polemisch« zurück. Seiner Ansicht nach sollen die Märsche betonen, dass man »nur mit Gesprächen weiterkomme«.
Noch bis Montag sind Kundgebungen in zahlreichen deutschen Städten geplant.