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News: Wolodymyr Selenskyj, Russland, Ukraine, Frank-Walter Steinmeier, Königin Elizabeth II.

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,

heute geht es um die gescheiterte Kiew-Reise von Bundespräsident Steinmeier. Um eine Petition gegen den ukrainischen Botschafter Melnyk. Und um Ihre Gedanken zum Krieg.

Der Unerwünschte, I

Die Idee der Morgenlage ist es, über Ereignisse zu schreiben, die an diesem Tag passieren oder wichtig sein werden.

Manchmal aber treten geplante Ereignisse nicht ein und werden erst dadurch wichtig oder noch wichtiger. Wie der Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew. Offensichtlich wollte Selenskyj diesen Besuch derzeit nicht.

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Ausgeladen: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier


Foto: Jens Büttner / dpa

Der eine könnte, will aber nicht. Der andere wollte, soll aber nicht: Während tagelang darüber debattiert wurde, ob und wann Bundeskanzler Olaf Scholz in die ukrainische Hauptstadt reisen würde, nachdem halb Europa und sogar Boris Johnson bereits da waren, muss das Land nun zur Kenntnis nehmen, dass das »starke Zeichen europäischer Solidarität« unseres obersten Verfassungsorgans bei den Angegriffenen unerwünscht ist.

Den höchsten Repräsentanten eines befreundeten Staates auszuladen, ist auf der Klaviatur der politischen Reaktionen wohl eine der schärfsten. Es ist eine Bestrafung und der Versuch einer öffentlichen Demütigung.

Sie gilt, um die Debatte vorwegzunehmen, die sicher von heute an geführt wird, nicht Deutschland, nicht der deutschen Gesellschaft, sondern dem Bundespräsidenten. Sie ist auf ihn zugeschnitten. Steinmeier war lange Zeit einer der stärksten Befürworter der Gaspipeline Nord Stream 2 und bestimmte jahrelang die Russlandpolitik der Bundesregierung mit, erst als Kanzleramtsminister, später als Außenminister. Das Scheitern dieser Politik räumte er kürzlich in einem Gespräch mit dem SPIEGEL ein. Offensichtlich sind die Ukrainer nicht überzeugt.


Die Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Sergej Lawrow bei einem Treffen 2016 in Minsk

Die Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Sergej Lawrow bei einem Treffen 2016 in Minsk


Foto: Sebastian Gollnow/ dpa

Die Frage, ob diese Brüskierung politisch sinnvoll ist, wie mein Kollege Ralf Neukirch in seinem Kommentar schreibt, ist berechtigt: »Ein Affront gegen den Bundespräsidenten ist nicht das geeignete Mittel, um die Bundesregierung dazu zu bringen, ihre Politik zu überdenken. Ein solcher Affront ist unklug und politisch respektlos.«

Was also glaubt der ukrainische Präsident mit dieser Entscheidung zu erreichen?

Womöglich ist bei den Verantwortlichen in der Ukraine die Sache mit der Zeitenwende noch nicht angekommen – aber wie sollten sie es verstehen, wenn Berlin selbst sie noch nicht mit Leben füllt?

Die Ukraine befindet sich im Krieg. Die Bevölkerung wird gerade angegriffen, bedroht, vertrieben, gefoltert, vergewaltigt und getötet. Die Regierung in Kiew kämpft für die Existenz ihres Staates und ihrer Identität, die der Angreifer ihr abspricht. Ob politisch klug oder nicht: Kiew will mit dem Affront anscheinend den Druck auf Berlin erhöhen, mehr zu tun, voranzugehen, bei Sanktionen, bei Waffenlieferungen – und die ganze Welt soll es sehen. Je existenzieller die Lage, desto roher der Umgang.

Oder, wie es ein Nutzer auf Twitter recht treffend auf den Punkt brachte: »Irgendwann muss auch unser Bundespräsident verstehen, dass die ›Zeichen der Solidarität‹ in solchen Zeiten in Form von Waffenlieferungen und Sanktionen, und nicht PR-Besuchen und Konzerten gesetzt werden.« Solidarität ist wichtig, hilft aber nur bedingt bei der Landesverteidigung.

Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

Der Unerwünschte, II

Bis gestern Abend haben mehr als 17.000 Menschen eine Petition gegen den ukrainischen Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, unterschrieben. Die Petition fordert die Ausweisung des undiplomatischen Diplomaten. Im Vorstellungstext heißt es, Herr Melnyk habe den »Bogen überspannt«. Sein Auftreten sei zu einer »Hetze gegen die deutsche Politik verkommen.« Seine Aussagen erwiesen sich als »undankbar und haltlos gegenüber der deutschen Politik.«


Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk


Foto: Carsten Koall / dpa

Abgesehen davon, dass ein Diplomat nicht einfach mal ausgewiesen werden kann, schon gar nicht wegen Frechheit – dieses Beispiel für deutsche cancel culture kommt mir doch sehr seltsam vor – steht fest: Wir wissen nicht, wie viele russische Trolle sich unter den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern befinden. Aber ich frage mich seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine, woher nur dieses eigenartige deutsche Einschießen auf den Botschafter rührt.

Man muss nicht jede seiner Äußerungen als erfrischend empfinden; einiges kann man sogar durchaus als problematisch ansehen. Auch der Botschafter des angegriffenen Landes muss etwa aushalten, dass es ein Thema ist, dass das Regiment, das Mariupol verteidigt, vorwiegend aus Rechtsextremisten besteht. Nach allem, was berichtet wird, militärisch sehr erfolgreich und bis zur Selbstaufgabe. Der Botschafter muss, bei allem Verständnis, aushalten, dass deutsche Medien über die Einstellung dieses Regiments berichten. Und, dass diese auch mögliche von diesen Kämpfern begangene Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen thematisieren, und nicht von einem »Fake Narrativ« sprechen. Neo-Nazis retten Ukrainern das Leben in Mariupol – willkommen in der neuen Unerträglichkeit der Realität.

Was der Botschafter nicht muss, ist, in stiller Dankbarkeit für die Unterstützung seine Wut über die fehlgeleitete deutsche Russlandpolitik unterdrücken oder sein Gastland schonen.

Mal sehen, wie viele Unterzeichner die andere Petition zusammenbekommt, die das Bundesverdienstkreuz für Melnyk fordert. Kopfkino: Er wird es zwar nicht bekommen, aber wenn, dann von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, den Melnyks Präsident gerade zum unerwünschten Besucher erklärt hat, siehe oben.

Ihre Widersprüche des Krieges


Ein wenig Normalität: Soldaten spielen Teqball auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz

Ein wenig Normalität: Soldaten spielen Teqball auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz


Foto: – / dpa

Ich hatte gestern an dieser Stelle über die Widersprüche geschrieben, die der russische Krieg gegen die Ukraine entblößt – Grüne, die schwere Waffen liefern, während die SPD offensichtlich bremst, oder die unterschiedliche Behandlung von Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Ländern (oder nicht-ukrainischen Menschen aus der Ukraine). Ich hatte Sie gefragt, welche Widersprüche Ihnen zu schaffen machen – danke für die vielen interessanten Gedanken! Hier eine kleine Auswahl (zum Teil gekürzt):

  • »Der Widerspruch zwischen dem Schutz von Menschenrechten und (eigener) Sicherheit – einerseits will die Ampel-Regierung wertegeleitete Außenpolitik betreiben und Deutschland soll seiner völkerrechtlichen Verantwortung zur Verhinderung von Völkermord und anderen Massenverbrechen (…) nachkommen – andererseits gibt es die Furcht, dass eine wie auch immer geartete Intervention (…) die eigene Sicherheit gefährdet bzw. ›eskalierend‹ wirken könnte.«

  • »Die Enttäuschung über diese ›Friedenspartei‹ ist riesengroß. Die schon fast russophob anmutende Außenministerin, die ich mir damals noch als Kanzlerin wünschte, ebenso der Wirtschaftsminister, der eine so krasse Kehrtwende vollzogen hat, dass es einem fast die Sprache verschlägt. Da werden alte Abhängigkeiten durch neue ersetzt, ein Diktator wird verdammt, vor dem anderen Diktator wird gedienert. Da wird Flüssiggas aus der ganzen Welt zusammengekauft und mit umweltschädigenden Frachtschiffen über die Ozeane geschifft.« (Diese Sätze schreibt ein Grünen-Wähler)

  • »Der Herr Bundespräsident Steinmeier hat mit seinem Statement falsch gelegen. Entspannungspolitik ist sinnvoller, als sich zu bekriegen, dabei bleibe ich.«

  • »Mein Mann und seine Eltern sind 2015 aus Syrien geflohen. Obwohl er nachweislich als Christ von Islamisten verfolgt wurde, dauerte es bis zu seiner Anerkennung als Flüchtling 3 Jahre, während Geflüchteten aus der Ukraine von vornherein 3 Jahre Aufenthalt gewährt werden.«

  • »Ein Kanzler Scholz muss endlich aufhören so zu tun, als ob Russland, unter Putin, jemals wieder ein Partner sein kann. Wo ist die Aussage, die es braucht? (…) Was soll das? Gerade jetzt haben wir doch die Chance, etwas Gutes zu tun. Für unsere, selbstgegebenen Rechte wie Freiheit, einzustehen.«

  • »Für mich ist es kaum noch auszuhalten, mit welcher Langsamkeit die SPD, allen voran Kanzler und Verteidigungsministerin, Entscheidungen zu Waffenlieferungen treffen.«

  • »Während Mariopol kaum noch zu halten ist, redet Scholz von Abstimmungen auf europäischer Ebene. Ich schäme mich für das Zaudern unserer Regierung.«

Man kann vieles aus diesen Zuschriften lesen. Eines mit Sicherheit: Dass Politik sich besser erklären und überzeugen muss.

Verliererin des Tages…


Queen Elizabeth II.

Queen Elizabeth II.


Foto: Steve Reigate; Daily Express / dpa

…ist die brasilianische Zeitung »Folha de São Paulo«, denn ihr passierte etwas, was keinem Medienhaus passieren sollte: Sie veröffentlichte auf ihrer Internetseite eine offensichtlich vorbereitete Nachricht zum Tode von Queen Elizabeth II. Dort hieß es, dass die Königin »im Alter von XX« gestorben sei. Und zwar »an den Folgen von XXXXXXXX«. Ein technischer Fehler. Ein Albtraum, denn niemand will dabei erwischt werden, dass er sich auf Tag X vorbereitet, um schnell reagieren zu können.

Glücklicherweise lebt die Queen noch und ist jetzt Corona-Genesene. Gerade erst hat sie Einblicke in ihren persönlichen Krankheitsverlauf gegeben. »Es macht einen sehr müde und erschöpft, nicht wahr?«, hatte sie laut Nachrichtenagentur dpa in einem Video-Gespräch mit einem Coronapatienten gesagt. Wie zu lesen war, führte die 95-Jährige trotz Covid-Erkrankung weiterhin leichte Aufgaben aus.


Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihre Özlem Topçu

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