enministerin Baerbock in Mali: Bleibt die Bundeswehr oder zieht sie ab //
Die deutsche Aussenministerin lasst sich den Transporthubschrauber NH90 zeigen. Ein schweres Maschinengewehr ragt aus seiner offenen Tur heraus. In diesem Moment ist nur zu ahnen, welche Feuerkraft es im Einsatz entwickeln konnte.
Die Grune und diese Waffe, es steht irgendwie symbolisch fur die Zeiten, in denen sich die bundesdeutsche Politik durch die Wirren der Weltlage schlagt. Hier, an diesem heissen Tag im deutschen Feldlager des Minusma-Einsatzes im malischen Gao.
Geduldig lasst sich Annalena Baerbock bei uber 40 Grad vom Chef des deutschen Blauhelm-Einsatzkontingents, Oberst Peter Kupper, den Auftrag, die eingesetzten Waffentypen erklaren. Irgendwann geht es auch zur Uberwachungsdrohne >>Heron<<, von denen die Bundeswehr zwei in Gao unterhalt. Baerbock kniet sich hin, verschwindet fast hinter dem grau angestrichenen Fluggerat.
Es sind Bilder, die noch vor einigen Monaten die wahlkampfende Grunen-Kanzlerkandidatin Baerbock wohl so nicht angepeilt hatte. Doch die eingefahrenen Regeln der bundesdeutschen Politik, sie gelten schon lange nicht mehr. Eine Grunen-Politikerin, die sich wie selbstverstandlich mit Waffen abbilden lasst, das ist fast schon neue Normalitat. Mancher Bundeswehr-Offizier, der das in Gao beobachtet, muss dennoch schmunzeln.
Dabei ist die Grune Baerbock langst schon daruber hinaus. Aktiv tritt sie seit rund sechs Wochen fur Waffenlieferungen an die Ukraine ein. Der Uberfall Russlands verfolgt sie auch bis hierhin, in die trockene Hitze von Gao, wo sie ein deutscher Journalist nach ihrem jungsten Pladoyer fur die Lieferung auch schwerer Waffen an Kiew fragt. Sie weicht aus, die Bundesregierung stimme sich, was Waffenlieferungen an die Ukraine angehe, >>standig miteinander ab<<.
Heikle Mission
Baerbock ist zu einer heiklen Mission nach Mali gekommen: Zwei Ubernachtungen in der Hauptstadt Bamako, eine mehrstundige Visite bei der Bundeswehr im >>Camp Castor<< in Gao, rund 1200 Kilometer ostlich der Hauptstadt. Am Mittwoch geht es schliesslich weiter nach Niger, von einer Krisenregion in die nachste, denn auch im benachbarten Niger ist die Bundeswehr aktiv, mit rund 200 Soldaten in der europaischen Ausbildungsmission EUTM.
Mali jedoch sticht allein von der Zahl der eingesetzten Krafte dann doch heraus: Hier ist die Bundeswehr im grossten Auslandseinsatz seit dem Ende in Afghanistan. Erst vergangene Woche war Verteidigungsministerin Christine Lambrecht von der SPD vor Ort. Der uberwiegende Teil – rund 1100 Manner und Frauen der Minusma – sind in Gao stationiert, ein kleineres Kontingent von 100 deutschen Kraften ist in Mali bei der europaischen Ausbildungsmission EUTM, die die malische Armee im Kampf gegen islamistische Kampfer schult.
Die Lage ist vertrackt: Mali wird seit 2021 von einer Militarjunta gefuhrt, die von der internationalen Staatengemeinschaft verlangte Transitionsprozess und freie Wahlen ist nicht in Sicht. Seit 2012 hat Mali, das derzeit 20 Millionen Einwohner zahlt und dessen Bevolkerung stark wachst, drei Militarputsche erlebt und gilt als politisch ausserst instabil. Die Hauptstadt Bamako wirkt armlich, entlang der Strecke vom Flughafen ins Zentrum der Stadt fallen die vielen wilden Mullkippen auf, die Felder sind ubersat mit Plastiktuten.
Mali treibt den EU-Politikern seit langerem Sorgen auf die Stirn. Einen vorlaufigen Stopp verkundete am Montag der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell, als sich Baerbock auf den Weg nach Bamako machte.
Einen Tag spater, am Dienstag in Gao, nach dem Besuch der Bundeswehr, sagt Baerbock, man werde diese EUTM-Mission >>so nicht fortsetzen konnen<>Wagner<<. Malis Regierung lasst derzeit eine unabhangige Uno-Untersuchung nicht zu, spricht von 203 getoteten islamistischen Kampfern in Moura und einem erfolgreichen Anti-Terroreinsatz.
Bundeswehrsoldaten sichern den Flug der Aussenministerin Baerbock am 12. April 2022 nach Gao: Schutzwesten beim Landeanflug
Foto: Kay Nietfeld / dpa
Baerbock und die Bundesregierung steht vor einer wichtigen, zentralen Frage: Bleiben mit deutschen Truppen oder abziehen? Und damit womoglich Mali noch starker an die russische Seite binden und das in einer Zeit, da Moskau seine machtpolitischen Ambitionen mit einem Krieg in der Ukraine unterstreicht?
Es ist vor allem auch deshalb eine schwierige Entscheidung, seitdem Frankreich seinen Ruckzug aus Mali und die Anti-Terror-Mission >>Barkhane<< angekundigt hat und damit auch die Sicherung des Flughafens Gao infrage steht. Derzeit verhandelt Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) mit Paris, ob die Bundeswehr im Notfall trotzdem auf franzosische Kampfhubschrauber, die im Nachbarland Niger stationiert werden sollen, zuruckgreifen kann. Die Bundeswehr hat in Gao nur NH90-Transporthubschrauber stehen.
Bis Ende Mai muss der Bundestag uber die deutsche Beteiligung an der EUTM und der Minusma-Mission entscheiden – bis dahin muss auch die Bundesregierung Klarheit haben. In Gao, wahrend einer kurzen Pressekonferenz, halt sich Baerbock, was Minusma angeht, noch bedeckt, wenn auch mit einer gewissen Tendenz fur eine Verlangerung: Sie sei gekommen, um sich ein >>Lagebild zu machen, wie man in Zukunft diese Mission fuhren kann, wenn die Franzosen herausgehen<<.
Hohe Sicherheit in Gao
Die Stadt Gao mit ihren rund 90.000 Einwohnern grenzt an den befestigten und bewachten Stutzpunkt der Deutschen. Der Flughafen, auf dem eine A 400 M der Luftwaffe die Ministerin, ihre Begleitung, mitgereiste Bundestagsabgeordnete und die Journalistinnen und Journalisten an diesem Dienstag hergebracht hat, liegt nur ein paar Autominuten entfernt.
Doch fur die kurze Strecke gelten hohe Sicherheitsvorkehrungen. Die Journalisten tragen Schutzwesten, die sie schon beim Anflug uberziehen mussten, werden gesondert in einem schwer gesicherten Kastenwagen in den Stutzpunkt gefahren. Gleich zu Beginn gibt es durch einen Offizier der Bundeswehr eine Einweisung, was im Falle eines Beschusses zu tun ist.
Erst im Januar gab es einen Morserbeschuss durch islamistische Krafte, im vergangenen Juni wurden zwolf deutsche Soldaten bei einem Patrouillengang verletzt, durch einen Selbstmordanschlag ausserhalb des Lagers. Die deutschen Soldaten verlassen das Camp fast taglich, um mit ihren Fahrzeugen das Gelande in einem Umkreis von 20 bis 25 Kilometer zu kontrollieren. Mitunter, so erzahlt es ein Zugfuhrer der Bundeswehr, wurden sie auch weitere Strecken zurucklegen, von 80 bis zu 200 Kilometern. In solchen Fallen wurden sie >>mehrere Tage<>zur Wagenburg<< einigeln.
Auf dem Gelande des Feldlagers >>Camp Castor<>beweglicher Arzttrupp<>Wir fahren taglich raus, um das Risiko von Steilfeuer zu minimieren<>Steilfeuer<>Unsere Prasenz im Raum<>zeigt zumindest in unserer Gegend, dass sich die Terroristen zuruckziehen<<.
In Gao wird Baerbock gezeigt, was ein Einsatz vor Ort bedeutet. Sie besucht den Ehrenhain fur die im Einsatz gestorbenen Soldaten, die Sanitatseinrichtung, in der im vergangenen Jahr nach dem Selbstmordanschlag die deutschen Soldaten versorgt wurden, bevor sie in die Heimat ausgeflogen wurden.
Im Camp trifft die Grunen-Politikerin sich auch mit drei malischen Frauen, es ist die zivile Variante ihres kurzen Besuchs bei der Truppe. Sie berichten ihr von der bedrohlichen Sicherheitslage im Norden des Landes, von Vergewaltigungen und Plunderungen. Und sie erzahlen der Aussenministerin auch das, was viele in Mali sagen: Dass vor den Wahlen, die sich die EU von den neuen Machthabern wunscht, erst einmal eine stabile Sicherheitslage hergestellt werden muss.