ine: SPD-Politiker Roth zur Absage fur Steinmeier aus Kiew – >>Ich bin uber diese Ablehnung sehr enttauscht<< //
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Michael Roth, Jahrgang 1970, ist Vorsitzender des Auswartigen Ausschusses des Bundestags und Mitglied des SPD-Prasidiums. Bis zum Antritt der neuen Bundesregierung im Dezember vergangenen Jahres war der SPD-Politiker Europa-Staatsminister im Aussenministerium. Am Dienstag reiste er mit der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Chefin des Verteidigungsausschusses, und dem grunen Europaausschussvorsitzenden Anton Hofreiter auf Einladung ins ukrainische Lwiw. Dort trafen sie Vertreter des ukrainischen Parlaments zu politischen Gesprachen.
SPIEGEL: Herr Roth, Sie waren am Dienstag gemeinsam mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Anton Hofreiter in der Ukraine. Der Bundesprasident ist dort aber nicht willkommen. Ein Affront?
Michael Roth: Uns erreichte diese Nachricht, als wir bereits in der Ukraine waren. Ich konnte es anfangs gar nicht glauben. Gerade jetzt ist es doch wichtig, im Gesprach zu bleiben. Ich bin uber diese Ablehnung sehr enttauscht. Sie ist gegenuber unserem Staatsoberhaupt auch nicht gerechtfertigt.
SPIEGEL: Sie haben in Lwiw nahe der polnischen Grenze ukrainische Abgeordnete getroffen. Haben Sie denen gegenuber Ihren Unmut zum Ausdruck gebracht?
Roth: Wir haben daruber gesprochen, ja. Aber unsere Gesprachspartnerinnen waren uber diesen Schritt ebenfalls uberhaupt nicht informiert.
SPIEGEL: Furchten Sie, dass die scharfen Attacken aus Kiew gegen deutsche Politiker hierzulande etwas mit der solidarischen Grundstimmung machen?
Roth: Sehen Sie, wir mussen Verstandnis haben. Menschen, die sich seit Wochen im Krieg befinden, die keinerlei Normalitat mehr haben, die jeden Tag um ihr Leben und das ihrer Liebsten bangen, reagieren nicht mehr so zuruckhaltend. Uns war es bei unserer Reise sehr wichtig zu zeigen, dass Deutsche sehr wohl Empathie und Mitgefuhl zeigen. Die Botschaft heute war: Deutschland steht an der Seite der Ukraine und es gibt sehr viele Menschen in Politik und Gesellschaft, die bereit sind noch deutlich mehr zu tun.
SPIEGEL: Hat das Ihre Gesprachspartner uberzeugt?
Roth: Die Atmosphare bei unseren Gesprachen war offen und freundlich. Ich habe den Eindruck, es gibt durchaus Dankbarkeit fur das, was die Bundesrepublik bisher leistet. Aber: Die Erwartungshaltung ist riesig: Es geht um ein Energieembargo, um eine EU-Beitrittsperspektive und ganz besonders naturlich um Waffenlieferungen. Man hat uns klar gesagt: Waffen seien die beste humanitare Hilfe, die wir im Moment leisten konnten, so schlimm das auch klingen mag.
SPIEGEL: Aussenministerin Annalena Baerbock fordert bereits die Lieferung schwerer Waffen, entschieden ist aber noch nichts. Konnten Sie den Ukrainern Hoffnung machen?
Roth: Wir waren ja nicht auf offizieller Regierungsmission unterwegs, sondern als Parlamentarier und Ausschussvorsitzende. Personlich befurworten wir die Unterstutzung mit schweren Waffen. Wir haben vor Ort aber auch klargemacht, dass das nur sinnvoll ist, wenn solche Waffen schnell und sicher eingesetzt werden konnen.
SPIEGEL: Sie hielten es also fur keine gute Idee, deutsche Panzer in die Ukraine zu schicken, fur die ukrainische Soldaten nicht ausgebildet sind?
Roth: Ich unterstutze den Vorschlag, dass mitteleuropaische Lander Panzer aus sowjetischer Produktion an die Ukraine liefern und die Bundeswehr und die deutsche Rustungsindustrie das dann kompensieren. Wir brauchen jetzt pragmatische Losungen, die sofort helfen.
SPIEGEL: Reicht das?
Roth: Die Ukrainer versuchen, von Russland besetzte Gebiete wieder zu befreien. Dafur brauchen sie dann auch andere Gerate, fur die sie zunachst die entsprechende Ausbildung und Ersatzmaterial benotigen. Daruber sollten wir reden. Wir brauchen aber endlich einen positiven Move.
SPIEGEL: Also doch Bundeswehr->>Marder<<?
Roth: Das werden wir sehen. Wir mussen uns auf jeden Fall in der Nato eng zu diesen Fragen abstimmen und rasch entscheiden.
SPIEGEL: Was haben Sie bei Ihrem Besuch vom Krieg mitbekommen?
Roth: Unsere Gastgeber wollten, dass wir spuren, was es heisst, im Krieg zu sein. Auch wenn es in Lwiw, das ja im Westen liegt, keine Kampfe am Boden gibt. Wir haben ein Krankenhaus besucht und dort mit schwer verletzten ukrainischen Soldaten gesprochen. Und wir waren bei dem durch russische Bomben zerstorten Ollager. Das sind Eindrucke, die ich nie vergessen werde.
SPIEGEL: Ist es nicht langst uberfallig, dass auch Kanzler Olaf Scholz in die Ukraine reist?
Roth: Das muss jeder selbst entscheiden. Aber ich schildere gerne unsere Erfahrungen. Wir waren hochwillkommen!