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Coronavirus und Impfpflichtdebatte: »Es ist eben kein Kompromissvorschlag«

In letzter Minute haben sich die Ampelpartner auf einen gemeinsamen Entwurf für eine Impfpflicht geeinigt. Nun streiten sie im Bundestag mit der Union um Mehrheiten. Der Ausgang? Ungewiss.

Dagmar Schmidt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion


Foto: Kay Nietfeld / dpa

Bei der Abstimmung über die Impfpflicht im Bundestag liefern sich die Ampelpartner einen erbitterten Streit mit der Union. Zuletzt hatten Abgeordnete der Ampelfraktion sich auf einen gemeinsamen Antrag zu einer Impfpflicht ab 60 geeinigt und einer Beratungspflicht für alle ab 18. Für diesen sprach im Bundestag als erste Abgeordnete die SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt. Gerade bessere sich zwar die Infektionslage, erklärt sie. »Es geht nicht um das, was ist, sondern das, was mit hoher Wahrscheinlichkeit im Herbst und Winter sein wird«, sagt sie. Ohne eine Impfpflicht drohe eine Überlastung des Gesundheitssystems.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion Tino Sorge entgegnete Schmidt: »Das, was Sie gesagt haben, kann ich nachvollziehen. Teilweise.« Aber die Union habe schon vor Wochen einen Kompromiss auf den Tisch gelegt. Da könne die Ampel nicht erwarten, dass man ihr helfe, weil sie nicht allein Mehrheiten organisieren könne.

Die Union wolle zunächst eine belastbare Datengrundlage in Form eines Impfregisters. Er freue sich, dass das auch von der Ampel aufgenommen worden sei. Aber: »Es ist eben kein Kompromissvorschlag«, sagte Sorge.

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Aus der Fraktion der Grünen kam die Nachfrage, wie es gelingen solle, mitten in eine Welle hinein zu impfen. Alle Experten sagten, man müsse Vorsorge treffen, will ein Abgeordneter von Sorge wissen.

Kurz darauf stand FDP-Fraktionsvize Wolfgang Kubicki am Rednerpult. Er will dafür sorgen, dass es keine Impfpflicht gibt. Die Impfpflicht sei verfassungsrechtlich ein Problem und werde deshalb auch nicht kommen. »Es ist nicht die Aufgabe des Staates Erwachsene gegen ihren Willen zur Impfung zu zwingen«, sagt Kubicki.

»Wir wollen keinen dritten Coronawinter«

»Wir wollen keinen dritten Coronawinter«, beginnt kurz darauf FDP-Politiker Andrew Ullmann. Er hatte zunächst mit einer Gruppe für eine Beratungspflicht gestritten und eine Impfnachweispflicht ab 50. Inzwischen hat er sich mit der anderen Gruppe für eine Impfpflicht ab 18 geeinigt. Dann richtet er sich an seinen Parteikollegen. »Lieber Wolfgang, es geht uns hier nicht um Fremdschutz, es geht um Selbstschutz.« Der Schutz des Gesundheitssystems sei auch Selbstschutz.

»Die Union verhält sich bei einer Gewissensfrage besonders gewissenlos«

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Janosch Dahmen, beginnt wenig später mit deutlichen Worten in Richtung Union: Demokratie bestehe nicht daraus, dass man einen halbfertigen Antrag vorlege, nach Hause geht und nicht mehr ans Telefon gehe, erklärt Dahmen. Wenn er höre, dass Fraktionsmitglieder von der Union per Brief aufgefordert würden, nicht für einen Kompromiss, sondern nur für den eigenen Antrag zu stimmen, sagt Dahmen, »dann habe ich den Eindruck, die Union verhält sich bei einer Gewissensfrage besonders gewissenlos.«

Bald darauf ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dran. Anders als der rest der Regierung sitzt er heute im Plenum und nicht auf der Regierungsbank. »Sehr viele zögern hier im Haus, ob eine Impfung wegen Omikron noch notwendig ist«, beginnt Lauterbach. Omikron sei so milde verlaufen, weil so viele Menschen geimpft seien, erklärt Lauterbach unter lauten Buh-Rufen der AfD. Seine und die Grünen-Fraktion klatschen. Unter den FDP-Abgeordneten sind es nur wenige.

Selbst wenn es im Herbst nur eine neue Omikronwelle geben würd, hätten wir 200 bis 300 Tote pro Tag, sagt Lauterbach. »Wollen wir das wirklich als Gesellschaft akzeptieren?«

»Nutzen wir bitte diese Gelegenheit!«

Auch Lauterbach wendet sich an die Unionsfraktion: »An Ihnen wird die Lage hängen, sie können der Verantwortung nicht ausweichen. Gespräche wurden über Monate geführt. Heute ist der Tag der Entscheidung«. Er musst fast schreien, weil er so laut von seiner Fraktionbeklatscht und von der AfD bebuht wird. »Nutzen wir bitte diese Gelegenheit!«


Nach der Aussprache im Plenum soll zunächst eine Abstimmung über die Geschäftsordnung erfolgen. Bislang konnte demnach keine Einigung über die Reihenfolge erzielt werden, in der die Anträge abgestimmt werden. Die Reihenfolge ist eine taktische Maßnahme: In der Regel wird der Antrag im Bundestag zuerst abgestimmt, der am weitesten geht. Ob das eine – oder aber keine Impfpflicht ist, darüber sind die Abgeordneten noch nicht einig. Wenn der Ampelantrag zur Impfpflicht als letzter abgestimmt werden sollte, könnten sich Abgeordnete noch umentscheiden, wenn die Anträge vorher keine Mehrheiten erhalten.


mfh

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