Die Bundesregierung will der Ukraine moglichst zeitnah weitere Waffensysteme anbieten, um den Widerstand gegen die russische Armee zu starken. Nach SPIEGEL-Informationen einigte sich am Dienstag eine Staatssekretarsrunde der beteiligten Ressorts darauf, der Regierung in Kiew in den nachsten Tagen eine Liste mit verschiedenen Waffensystemen anzubieten. Danach soll die Ukraine dann selbst entscheiden, welche Waffen sie am besten gebrauchen kann.
Hinter den Kulissen hatte das Verteidigungsressort bereits kurz nach Kriegsbeginn bei der deutschen Rustungsindustrie abgefragt, welche Waffensysteme rasch lieferbar sind. Aus den Ruckmeldungen hat das Ressort von Ministerin Christine Lambrecht (SPD) mittlerweile eine Excel-Liste mit mehr als 200 Positionen erstellt. Darauf tauchen fast alle namhaften deutschen Rustungsschmieden, aber auch viele kleine Anbieter auf, die schnell Waffen fur die Ukraine ausliefern wollen und dies auch konnten.
Neu an der Idee ist, dass es sich bei den geplanten Lieferungen nicht mehr um Systeme aus Bestanden der Bundeswehr handelt, sondern um frisch produzierte Waffen, die direkt in die Ukraine geschickt werden konnten. Wie die Deals abgerechnet werden, ist noch nicht ganz klar. Die EU hatte ein Budget von einer Milliarde Euro aufgelegt, daraus konnen die Mitgliedstaaten Waffenlieferungen an die Ukraine finanzieren. Bisher hat Deutschland sich allerdings wohl noch nicht an dem EU-Topf bedient.
Deutschland will Morser und Maschinenkanonen anbieten
Die Bundeswehr selbst hat bereits Raketen zur Panzer- und Flugabwehr, teils aus alten NVA-Bestanden, abgegeben. Nun ist die Truppe aber kaum mehr in der Lage, auf weiteres Material zu verzichten. In der Ukraine angekommen sind bereits 500 Panzerfauste plus 1000 Schuss Munition, 500 Luftabwehrraketen vom Typ >>Stinger<>Strela<<-Raketen aus DDR-Bestanden. Vergangene Woche war zudem bekannt geworden, dass die Bundeswehr 2000 weitere Panzerfauste abgeben will.
Die Excel-Liste macht nun jedoch deutlich, dass mittlerweile fast alle Bedenken gegen Waffenlieferungen an die Ukraine gefallen sind. So findet sich dort neben viel Schutzmaterial auch schweres Kriegsgerat wie Morser oder schwere Maschinenkanonen vom Typ GAM B01 des Herstellers Rheinmetall. Pro Stuck, so das Angebot des Herstellers, soll die schwere Waffe gut eine Million Euro kosten. Dafur aber seien die sechs Maschinenkanonen mehr oder minder sofort lieferbar und erforderten keine grosse Ausbildung.
Aufgelistet ist auch reichlich Hightech-Material. So bietet Thales an, Bodenradarsysteme vom Typ >>Squire<< zu liefern. Ebenso sind von Thales zwolf auf Trailern festgemachte Morser im Angebot, laut dem Hersteller konnten diese schon in dieser Woche in die Ukraine geliefert werden. Moglich ware auch die Lieferung Tausender Nachtsichtgerate, Schutzwesten, Helme – aber auch moderner Drohnen zum Uberwachen des Gefechtsfelds.
Lieferungen im Wert von 308 Millionen Euro sind moglich
Insgesamt umfasst die Liste mogliche Waffenlieferungen im Wert von 308 Millionen Euro. Mehr als die Halfte machen Aufklarungsmittel aus, etwa Nachtsichtgerate oder Radaranlagen – aber auch hochmoderne Kleinstdrohnen, die mit Jammern zum Abschalten des Mobilfunksignals ausgestattet sind. Gut 40 Millionen entfallen auf Handwaffen, knapp 80 Millionen auf Ausrustungsgegenstande wie Schutzwesten oder Helme.
Welche Waffen die Ukraine haben will, muss nun die Regierung in Kiew entscheiden. Bereits vor einigen Tagen hatte die Bundesregierung durch Wirtschaftsminister Robert Habeck und Aussenministerin Annalena Baerbock klargemacht, dass der Bundessicherheitsrat sehr schnell grunes Licht fur weitere Lieferungen geben wurde. Mittlerweile muss das geheim tagende Gremium nicht mehr zusammenkommen, stattdessen konnen einzelne Lieferungen im Umlauf-Verfahren abgenickt werden.