Die Bundesregierung bereitet sich vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine auf eine erhebliche Verschlechterung der Gasversorgung vor. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grune) setzte deswegen die Fruhwarnstufe des Notfallplans Gas in Kraft. Dies diene der Vorsorge. Die Versorgungssicherheit sei weiterhin gewahrleistet, betonte er.
Nach dem Notfallplan gibt es drei Krisenstufen: Fruhwarnstufe, Alarmstufe und Notfallstufe. Erst in der Notfallstufe greift der Staat in den Gasmarkt ein. Haushaltskunden waren dann besonders geschutzt.
Mit Ausrufung der Fruhwarnstufe sei ein Krisenteam zusammengetreten, erklarte Habeck: >>Das Krisenteam analysiert und bewertet die Versorgungslage, sodass – wenn notig – weitere Massnahmen zur Erhohung der Versorgungssicherheit ergriffen werden konnen.<<
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Die Gesamtversorgung aller deutschen Gasverbraucher sei aktuell weiter gewahrleistet, so das Ministerium. Habeck appellierte aber an alle Gasverbraucher, Gas zu sparen. Jede eingesparte Kilowattstunde Energie helfe, sagte Habeck. Auch der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Muller, appellierte an Verbraucher und Unternehmen, durch sparsames Verhalten mitzuhelfen.
Die Bundesnetzagentur wird ab Donnerstag taglich einen Sachstandsbericht veroffentlichen. Noch greift der Staat nicht ein. Gashandler und -lieferanten, Fernleitungs- und Verteilnetzbetreiber ergreifen >>marktbasierte<< Massnahmen, um die Gasversorgung aufrechtzuerhalten: Dazu gehoren laut Ministerium etwa die Nutzung von Flexibilitaten auf der Beschaffungsseite, der Ruckgriff auf Gasspeicher und die Optimierung von Lastflussen.
Hintergrund fur die Ausrufung der Fruhwarnstufe: Russland bleibt bei seiner Forderung nach Bezahlung russischer Gaslieferungen nach Westeuropa in Rubel unnachgiebig. Bis Donnerstag (31. Marz) sollen auf Anordnung von Prasident Wladimir Putin die Modalitaten ausgearbeitet werden. Die Gruppe der G7-Wirtschaftsmachte, darunter Deutschland, sowie die Europaische Union insgesamt lehnen Zahlungen in Rubel fur Gas jedoch ab.
Uniper, Deutschlands grosster Importeur von russischem Erdgas, hat die Fruhwarnstufe begrusst. >>Es ist sinnvoll, um auf eine Eskalation vorbereitet zu sein, die niemand derzeit ausschliessen kann<<, erklarte das Energieunternehmen auf Anfrage.
Auch die Vorsitzende des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae, bewertete das Vorgehen positiv: >>Obwohl aktuell noch keine Mangellage vorliegt, ist es notwendig, dass alle Beteiligten fur den Fall einer Lieferunterbrechung einen klaren Fahrplan zu ihren Rechten und Pflichten haben. Das heisst, wir mussen jetzt die Notfallstufe konkret vorbereiten, denn im Fall einer Lieferunterbrechung muss es schnell gehen.<< Andreae betonte, dass die Gasversorger weiterhin ihre Verantwortung wahrnahmen, die Gasversorgung zu sichern.
Der Vorstandsvorsitzende des Evonik-Konzerns, Christian Kullmann, hat vor drastischen Folgen eines moglichen russischen Energielieferstopps fur die deutsche Volkswirtschaft gewarnt – das betrafe allerdings erst die Notfallstufe des Plans. >>Die Situation ist ernst<<, sagte der Prasident des Verbandes der chemischen Industrie (VCI) im Radiosender WDR 5. Die deutsche Industrie und besonders die chemische Industrie mussten sich im Fall eines russischen Energie-Embargos >>auf ein drastisches, auf ein dramatisches Szenario<>nicht uberleben<<, sagte Kullmann.
Gerade die chemische Industrie sei sehr energieintensiv. >>Wenn wir von der Energieversorgung abgeklemmt werden sollten, dann stehen wir hier innerhalb von wenigen Tagen still<<, sagte Kullmann. In der Folge wurden weitere Branche wie die Bau-, Auto – und Verpackungsindustrie nicht mehr produzieren konnen.
Industrie besorgt, unterstutzt aber die Bundesregierung
Im aussersten Fall, also wenn die dritte Stufe des Notfallszenarios der Bundesregierung eintrete, mussten die grossen Werke innerhalb von drei Stunden abgestellt werden, sagte Kullmann. Das wurde bedeuten, dass Hunderttausende oder sogar Millionen Beschaftigte innerhalb kurzester Zeit >>auf Kurzarbeit Null<< gesetzt werden mussten. Es gabe dann zum Beispiel keine Dammstoffe, keine Autolacke und keine Verpackungen mehr fur Medikamente.
Gleichwohl stehe die deutsche Industrie geschlossen hinter der Politik der Bundesregierung gegenuber Russland, betonte Kullmann. Die Industrie unterstutze die scharfen Sanktionen gegen Russland in Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und wunsche, >>dass der Kurs so beibehalten wird<<.
Auch die jungste Euphorie an den Aktienmarkten hat damit ein Ende gefunden. Nach zwei starken Borsentagen gab der deutsche Leitindex Dax am Mittwoch im fruhen Handel um 0,80 Prozent auf 14.700 Zahler nach. Am Vortag hatte die Nachricht, dass Russland die Kampfhandlungen bei Kiew drosseln will, die Markte stark angetrieben.