: Ukraine-Russland-Krieg, Saarland-Wahl, Corona, Christian Drosten //
Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,
heute blicken wir nach Istanbul, wo ukrainische und russische Unterhandler direkt uber eine Waffenruhe sprechen wollen. Und wir schauen auf Hendrik Wust, der nach der verlorenen Saarland-Wahl fur die CDU im Mai in NRW liefern muss.
Sie reden – aber wozu eigentlich?
Tag 34 des Krieges in der Ukraine, das Blutvergiessen geht weiter. Von einem moglichen Strategiewechsel der russischen Truppen, die sich angeblich bald auf die >>Befreiung<< des Donbass konzentrieren konnten, ist bisher nichts zu sehen. Immerhin soll ab heute wieder verhandelt werden, in Istanbul: Erstmals seit drei Wochen sitzen sich dann ukrainische und russische Unterhandler physisch gegenuber.
AdvertisementUkrainische Soldaten auf einem Panzer in der Kleinstadt Trostjanez im Osten des Landes
Foto: Efrem Lukatsky / AP
Wie ernsthaft Russland diese Verhandlungen uberhaupt fuhren will, ist ungewiss. Bisher gibt es keine Anzeichen fur ein Entgegenkommen Moskaus. Oder soll es etwa ein konstruktives Zugestandnis sein, wenn der Kreml nicht mehr darauf besteht, die Ukraine zu >>entnazifizieren<<? Nun gibt es auch noch Berichte uber eine mogliche, nicht lebensbedrohliche Vergiftung ukrainischer Delegationsmitglieder Anfang Marz. Auch den russischen Oligarchen Roman Abramowitsch soll es dabei erwischt haben.
Kiew will davon nichts wissen, dennoch stellt sich immer lauter die Frage, was die Verhandlungen eigentlich bringen sollen. Der ukrainische Prasident Wolodymyr Selenskyj selbst hat angedeutet, dass er zu schmerzhaften Kompromissen bereit sein konnte. Etwa, wenn es um eine Abspaltung der von Russland besetzten Gebiete geht oder einen >>neutralen<< Status seines Landes in der Zukunft, wie ihn Wladimir Putin fordert.
Nur, wie neutral kann die Ukraine schon sein, wenn der Krieg irgendwann voruber ist? Die Ukraine kann einem Nato-Beitritt abschworen, wenn es die Voraussetzung dafur ist, dass die Waffen schweigen. Aber was ware mit der Europaischen Union? Kaum vorstellbar, dass Putin auch nur die Anbahnung einer EU-Mitgliedschaft mit seiner Vorstellung einer neutralen Ukraine fur vereinbar hielte.
Die Ukraine aber kann sich nicht von einem Aggressor diktieren lassen, wem sie sich kunftig verbunden fuhlen soll. Auch die von Putin verlangte Demilitarisierung ist nach diesem Uberfall keine Option, Russland wird fur immer eine Bedrohung sein.
Eine >>neutrale<< Ukraine? Dass Selenskyj diese im Kampf um das Uberleben seines Landes in Aussicht stellt, ist allzu nachvollziehbar. Und doch wird die Vorstellung, dass es wirklich so kommen konnte, mit jedem Tag des Krieges absurder.
Merz baut vor
Die Niederlage im Saarland hatten sie in der CDU-Bundeszentrale bereits eingepreist, aber dieser Absturz hat Friedrich Merz und seine Strategen im Berliner Adenauer-Haus doch schockiert. Nun gilt die Losung: abhaken, weitermachen, bloss nicht nervos werden. Schon im Mai stehen die nachsten Landtagswahlen an, erst muss Daniel Gunther in Schleswig-Holstein, dann Hendrik Wust in Nordrhein-Westfalen die Staatskanzlei verteidigen.
Hendrik Wust
Foto: Roberto Pfeil / dpa
Merz, Partei- und Fraktionschef in Personalunion, will in der Saar-Pleite >>kein Prajudiz<< fur die kommenden Abstimmungen sehen. Was soll er auch anderes sagen?
Dabei ist die Unruhe spurbar. Particularly am 15. Mai in NRW, dem bevolkerungsreichsten Bundesland und Merz’ Heimat, muss die CDU liefern. Sonst konnte es schon nach wenigen Monaten ungemutlich werden fur den neuen starken Mann in der Union. Merz weiss, worum es geht, er verspricht, die NRW-CDU im Wahlkampf nach Kraften zu unterstutzen – wovon im Saarland zuletzt nicht unbedingt die Rede sein konnte.
Ministerprasident Wust hat diese Unterstutzung notig. Der 46-Jahrige hat das Amt wie Hans im Saarland geerbt, selbst noch keine Wahl gewonnen und bisher trotz grosser Buhne als Vorsitzender der Corona-Ministerprasidentenkonferenzen noch nicht wirklich an Statur gewonnen. Die jungste Umfrage sah die CDU zwar vor der SPD, aber eindeutig ist die Stimmungslage nicht. Die amtierende schwarz-gelbe Koalition hatte aktuell keine Mehrheit, eine Ampel dagegen schon.
Wust versuchte am Montagabend, mogliche Sorgen wegzuwitzeln. >>Ich nehme auch eine absolute Mehrheit<<, spielte der CDU-Landeschef bei einer Veranstaltung der >>Rheinischen Post<>am Ende klappen<<. Totale Uberzeugung klingt anders.
Am heutigen Dienstag tritt Wust ubrigens gemeinsam mit Olaf Scholz auf. Ministerprasident und Kanzler besuchen die von der Flut heimgesuchte Stadt Bad Munstereifel, wollen sehen, wie der Wiederaufbau vorangeht. Eine gute Gelegenheit, Burgernahe und Fuhrungsstarke zugleich zu demonstrieren. Auch, wenn sich echter Wahlkampf bei einem solchen Termin verbietet.
Der wird in NRW nun aber voll entbrennen, die SPD durfte versuchen, das Saar-Momentum an den Rhein zu tragen. Fur den Fall, dass die Sache auch in NRW schiefgeht, versucht Merz vorzubauen. Bei aller Unterstutzung, die er verspricht, betont er schon jetzt: >>Aber auch da liegt die Verantwortung bei Hendrik Wust und der Landespartei.<< Der erste Termin, bei dem es fur die Bundespartei um etwas gehe, sei die Europawahl 2024, darauf konzentriere man sich. 2024! Dass Merz selbst daran glaubt, ist eigentlich nicht vorstellbar.
Partygate ist wieder da
Sie erinnern sich? Boris Johnson und die Lockdown-Partys? Ist gar nicht so lange her, dass sich der britische Premier wegen seiner nicht ganz so strengen, personlichen Auslegung der Coronaregeln gegen massive Rucktrittsforderungen zur Wehr setzen musste. Doch als Russland die Ukraine uberfiel, da erschienen Johnsons angebliche Sunden plotzlich eher lasslich.
Boris Johnson
Foto: Jeff J Mitchell / AP
Doch nun ist Partygate zuruck, und es konnte wieder ungemutlich fur Johnson werden. Denn, so berichten es britische Medien, nach eingehender Untersuchung von zwolf geselligen Zusammenkunften in Downing Street und der Befragung von mehr als 100 Teilnehmern will Scotland Yard heute womoglich erste Bussgelder verhangen.
Zunachst soll es um etwa 15 Personen gehen, bei denen die Verstosse besonders augenfallig sind. Weitere Strafen durften folgen. Zuletzt hiess es, die Hohe der verhangten Bussgelder und die zugehorigen Vergehen sollten bekannt gegeben werden, nicht aber die Namen. Johnson hat aber angekundigt, es selbst offentlich zu machen, sollte er dabei sein.
Und dann? Johnson hat stets beteuert, kein Gesetz gebrochen zu haben. Sieht die Polizei das nun anders, ware das hochst peinlich. Politische Folgen aber sind ungewiss. Vor Kurzem hatte einer der scharfsten Kritiker Johnsons aus den eigenen Reihen, der Chef der schottischen Tories, Douglas Ross, seine Rucktrittsaufforderung zuruckgezogen – es sei jetzt die falsche Zeit, um den Regierungschef zu wechseln. Johnson wird das ganz genauso sehen.
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Kampf um die Downing Street: Johnson wird wegen seiner Fehler geliebt, Johnson wird wegen seiner Fehler gehasst
Den Abschied des Tages…
Corona-Erklarer Ciesek und Drosten
Foto: -/ dpa
…feiern Sandra Ciesek und Christian Drosten. Die Virologin und der Virologe sind heute gemeinsam zum vorerst letzten Mal im NDR-Info-Podcast >>Das Coronavirus-Update<< zu horen. Gut zwei Jahre lang haben Ciesek und Drosten in diesem Format Millionen Menschen regelmassig das Virus erklart. Nun ist die Pandemie zwar nicht vorbei, und Drosten hat bereits vorhergesagt, dass Deutschland dank der hochansteckenden Omikron-Variante >>keinen infektionsfreien Sommer<< erleben werde.
Dennoch machen die beiden Schluss. >>Ich habe das Gefuhl, dass die Orientierung in der Pandemie da ist<>Bis dahin bleibt nicht mehr viel zu sagen.<<
Verfolgt man die politischen Debatten uber Hotspots und kunftige Coronaregeln, kann man daran ernste Zweifel hegen. Am Montag scheiterten mehrere Bundeslander mit dem Ansinnen, die derzeit noch geltenden Coronaauflagen zu verlangern – trotz anhaltender Rekordinfektionszahlen.
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