des Tages: Landtagswahlen im Saarland, Krieg in der Ukraine, Oscars //
Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:
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SPD-Wahlsiegerin an der Saar – Wer ist eigentlich Anke Rehlinger?
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Angriffskrieg auf die Ukraine – Wird Russland ein totalitarer Staat?
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Oscar mit Ohrfeige – Warum schlug Will Smith zu?
1. Die saarlandische Wahlsiegerin Anke Rehlinger halt auch im Triumph den Ball flach – das entspricht ihrem nuchternen Naturell
Viele fortschrittliche und vernunftgesteuerte Menschen scheinen das Saarland schon langer als heiteren, fast niedlichen Modellstaat innerhalb von Deutschland zu feiern. >>Mehr Saarland wagen<>Nach 23 Jahren sind wir jetzt wieder starkste Kraft im Land.<<
Mein Kollege Matthias Bartsch portratiert die offenbar stets stocknuchterne Wahlsiegerin Rehlinger und stellt fest: >>Im Saarland geschehen wundersame Dinge.<>Die Saarlanderinnen und Saarlander kennen mich.<>Fur Experimente bin ich nicht zu haben.<<
In jungen Jahren war Rehlinger eine erfolgreiche Leichtathletin, so berichtet mein Kollege, sie habe sogar einen nach ihrer Aussage bis heute gultigen Landesrekord im Kugelstossen aufgestellt. Seit 2012 gehorte die SPD-Frau als Ministerin verschiedenen Landesregierungen an, zunachst war sie Umwelt- und Justizministerin, dann bekam sie das Ressort fur Wirtschaft, Verkehr, Energie und Arbeit, ein >>Schlusselressort im Saarland<>um sich in der Offentlichkeit als Macherin zu zeigen<<. Eine, die Strassen ausbauen lasst, Schienenverbindungen entwickelt, Fordergelder heranschafft.
Nach ihrem Wahlsieg gibt sich Rehlinger nun Muhe, den Ball flach zu halten. Ihre Botschaft: Allzu viel wird sich nicht andern im Land, wenn sie mit einer komfortablen SPD-Mehrheit im Kreuz in die Saarbrucker Staatskanzlei umzieht. >>Moderieren statt streiten, sich darauf verlassen, dass jede angekundigte Anderung am Ende doch nicht so schlimm wird<>Die Saarlander lieben die Harmonie.<<
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Lesen Sie hier mehr: Wahlsiegerin Rehlinger – Mit Amtsbonus rein ins Amt
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Nach der Niederlage an der Saar: Rutscht die Linke jetzt in die Bedeutungslosigkeit?
2. In der Ukraine geht der Krieg weiter, in Russland werden kritische Stimmen mundtot gemacht: Putins Staat zeigt zunehmend totalitare Strukturen
Der Burgermeister der von russischen Truppen eingekesselten Hafenstadt Mariupol hat heute die vollstandige Evakuierung der Stadt gefordert. Andernfalls drohe eine humanitare Katastrophe. Mariupol ist seit Wochen unter schwerem Beschuss, nach Angaben der ukrainischen Lokalbehorden wurden bereits mehr als 2000 Zivilisten und Zivilistinnen in der Stadt getotet. In der Sperrzone um die Atomruine von Tschernobyl kam es in der vergangenen Nacht offenbar durch russischen Beschuss zu Branden, die aber wohl geloscht werden konnten. Aus vielen Landesteilen der Ukraine werden Gefechte gemeldet.
In Russland hat die kremlkritische Zeitung >>Nowaja Gaseta<< heute bekanntgegeben, dass sie die Berichterstattung vorerst einstellt. Das gelte zumindest bis zum Ende der russischen >>Sonderoperation<>Nowaja Gaseta<<, man habe eine weitere Warnung von der staatlichen Kommunikationsaufsichtsbehorde Roskomnadsor erhalten.
Mein seit vielen Jahren mit der russischen Politik vertrauter und lange als SPIEGEL-Korrespondent in Moskau beschaftigter Kollege Christian Neef stellt in einem Essay fest, dass die russische Propaganda bereits jetzt erschreckende Parallelen zum totalitaren Denken Stalins aufweist. Die von Putin und seinen Getreuen angestrebte konservative >>Revolution<>Fast noch interessanter als die Begrundung des russischen Uberfalls ist der Blick der Ideologen auf das eigene Land<<, schreibt der Kollege. Russland sei wegen seiner Abhangigkeit vom Westen verwundbar, ein Grossteil der Elite habe sich mental an Westeuropa und Amerika orientiert. Diese Elite mache sich jetzt aus dem Staub. Eine neue Elite musse her – das sahen die Machtigen in Moskau als eine der wichtigsten nationalen Aufgaben, damit die Revolution gelingen konne.
>>Das rigorose Unterdrucken jeglichen Protestes gegen den Kreml in den zuruckliegenden Jahren und das unbegrenzte Wegsperren Alexej Nawalnys – Massnahmen, die Beobachtern oft sinnlos ubertrieben erschienen -, bekommen nun eine andere Bedeutung<>nicht zu dramatisieren<<, es gebe noch andere gute Kunstler in Russland, die Geflohenen seien nur ein kleiner Teil der Elite.
Die Prognose des Kollegen Neef ist duster: >>Im kunftigen Russland wird kein Platz mehr fur Meinungen sein, die von der vorgegebenen abweichen.<<
Und hier weitere Nachrichten und Hintergrunde zum Krieg in der Ukraine:
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Russland plant Einreisebeschrankungen fur Burgerinnen und Burger >>unfreundlicher<< Staaten: Der Westen hat nach der russischen Invasion in der Ukraine scharfe Sanktionen gegen Russland verhangt. Nun bereitet Moskau Visabeschrankungen als Antwort auf die >>unfreundlichen Aktionen<< vor – plant allerdings eine Ausnahme.
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Mariupols Burgermeister fordert vollstandige Evakuierung der Stadt: In der eingekesselten Hafenstadt Mariupol bleibt die Situation dramatisch: 160.000 Menschen leben weiterhin ohne Strom, sagt Burgermeister Boitschenko. Er pladiert nun dafur, alle Bewohner aus der Stadt zu bringen.
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G7-Staaten lehnen laut Habeck Energiezahlung in Rubel ab: Die Staaten der G7-Gruppe wollen ihre Gasrechnungen nicht in Rubel begleichen: >>Wir lassen uns nicht spalten<<, sagt Wirtschaftsminister Habeck. Auf mogliche Lieferboykotts sei man vorbereitet.
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Alle aktuellen Entwicklungen im News-Update.
3. Mit einer Ohrfeige reagierte der Schauspieler Will Smith auf den schlechten Scherz eines Komikers uber seine Ehefrau – der Eklat war die Sensation der Oscarverleihung
Hinterher brach der Gewalttater selbst in Tranen aus, entschuldigte sich bei fast allen – aber nicht bei dem Mann, den er offentlich geohrfeigt hatte. Will Smith hat bei der Oscarverleihung in der vergangenen Nacht dem Komiker Chris Rock auf offener Buhne eine so genannte Backpfeife verpasst, die man in Bayern Watschen nennt. Zuvor hatte Rock einen sehr schlechten Scherz auf Kosten von Smith’ Ehefrau Jada Pinkett Smith gemacht, genauer: daruber, dass sie offenbar krankheitsbedingt an Haarausfall leidet. Eigentlich stand Rock auf der Buhne, weil er die Preistrager in einer Dokumentarfilmkategorie verkunden sollte.
Nur wenige Minuten nach dem Eklat wurde Smith fur seine Leistung in dem Sportler-Familiendrama >>King Richard<>Du musst deine Familie beschutzen.<<
Im Dolby Theatre in Los Angeles wurde der Vorfall anschliessend >>zumindest vor der Kamera totgeschwiegen<<, berichtet mein Kollege Andreas Borcholte, der sich die Oscarnacht in der Live-Ubertragung ansah. >>Statt des Saales verwiesen zu werden, bekam Smith Standing Ovations fur seinen Oscarsieg.<>Ein zwiespaltiger Karrierehohepunkt.<>besturzend<>ausgerechnet eine Geste der Gewalt war, die diese auf Gemeinschaft und Zusammenhalt gemunzte Oscarverleihung zum Spektakel machte<<.
Die Preisvergabe, bei der das Gehorlosendrama >>Coda<< als bester Film ausgezeichnet wurde, geriet diesmal grundsatzlich ein bisschen lahm und zur Nebensache. Mein Kollege Lars-Olav Beier, seit vielen Jahren fur den SPIEGEL als Filmkritiker unterwegs, erlautert in einem Text zur Oscar-Ohrfeige: Es gehore bei den Oscars eigentlich traditionell dazu, dass man sich als Nominierter Scherze anhoren muss, die auf Kosten der eigenen Person gehen. Und dass man so tut, als fande man sie auch noch lustig. >>Man weiss vorher, dass man ein dickes Fell braucht.<>Aber naturlich ist es etwas anderes, wenn die eigene Frau verspottet wird und es um eine Krankheit geht.<<
Im Ubrigen berichtet Lars-Olav aus der Perspektive eines Journalisten, der beide Kontrahenten aus Begegnungen kennt. >>Ich personlich muss gestehen, dass mich der Moment, als die Hand von Smith ins Gesicht von Rock klatschte, mit einer gewissen Genugtuung erfullte<>Mit Rock hatte ich vor rund 15 Jahren eines der schlimmsten Interviews meines Lebens. Er begegnete mir damals mit einer hochst unerfreulichen Mischung aus Arroganz und Lustlosigkeit. Aber naturlich ist es nicht in Ordnung, jemanden zu schlagen.<<
In seiner im letzten Jahr erschienenen Autobiografie beschreibe Smith, wie ihm bewusst wurde, dass er sich zeitweise gegenuber seiner Familie ziemlich rucksichtslos verhalten habe, berichtet der SPIEGEL-Kollege. >>Er beteuert in dem Buch, sich grundlegend geandert zu haben. Dass er jetzt bei der Oscar-Verleihung seine Frau gegen eine verbale Geschmacklosigkeit verteidigt, als ware er gerade in irgendeiner Kneipe, ist skurril und moglicherweise falsch verstandene Ritterlichkeit.<<
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Lesen Sie hier mehr: Was bleibt? Eine Backpfeife und andere stumme Gesten
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Skandal bei der Oscarverleihung: Welcome to Hollywood
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Was heute sonst noch wichtig ist
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17-Jahriger zu Bewahrungsstrafe verurteilt: Ein Minderjahriger, der einen Bombenanschlag auf die Hagener Synagoge geplant haben soll, muss nicht ins Gefangnis. Er hatte noch keine konkreten Massnahmen getroffen. Die Richter verhangten eine Bewahrungsstrafe.
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Habeck will offenbar 150 Milliarden Euro schweren Coronafonds fur Ukrainekrieg umwidmen: Mit uppigen Hilfen werden Unternehmen gestutzt, die durch die Pandemie Probleme haben. Geld aus dem Topf will der Wirtschaftsminister laut einem Bericht auch denjenigen geben, die unter den Russlandsanktionen leiden.
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Wetterdienst meldet sonnenreichsten Marz seit knapp 70 Jahren: Die Sonnenscheindaten werden in Deutschland seit 1951 flachendeckend erhoben. Nun wurde fur den Marz ein neuer Rekord vermeldet. In den kommenden Tagen wird es aber wieder ungemutlicher.
Meine Lieblingsgeschichte heute: Sollen wir das >>Z<< kampflos aufgeben?
Hat der Krieg uns einen Buchstaben geklaut? Der Schweizer Versicherungskonzern Zurich hat am Wochenende sein Firmenlogo aus sozialen Kanalen getilgt, ein weisses >>Z<>missverstanden werden konnte<>Z<>Za Pobedu<>Fur den Sieg<<, – zum Markenzeichen eines gigantischen Verbrechens. Seine Truppen tragen auf ihren Panzern und Lastwagen das weisse Erkennungssymbol, das so markant ist, weil es diese Letter im kyrillischen Alphabet nicht gibt.
Sollen wir friedfertige Menschen deshalb auf den Buchstaben Z verzichten? Meine Kollegin Jule Lutteroth hat sich daruber Gedanken gemacht – und ist entschieden dagegen. >>Wir brauchen keine Welt<>in der Orro mit seiner Peitsche durch die Luft ischt, in der an der Eisbude Abaione und Itroneneis in die Waffel kommen. In der Kinder im Oo, die Streifen der Ebras u ahlen versuchen. In der Harry Potter, der machtige Auberer, gegen einen Buchstaben kampfen muss, der nicht genannt werden darf.<<
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Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Sollen wir das >>Z<< kampflos aufgeben?
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
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Wie Putins Propaganda in Deutschland wirkt: Lugen uber geheime Biolabore, angebliche Nato-Plane: Vom Kreml gestreute Ukraine-Falschmeldungen sind in Deutschland weitverbreitet. Das ist kein Zufall.
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>>Danas Tod gilt als Kollateralschaden der Impfkampagne<<: Vor einem Jahr starb die 32-jahrige Dana Ottmann nach einer Impfung gegen das Coronavirus. Ihre Mutter fuhlt sich alleingelassen von Politik und Behorden.
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Reise in die Vergangenheit – nach 74 Jahren zuruck in Masuren: Als achtjahriges Madchen fluchtete Rita Stormer 1945 aus Ostpreussen. Die Toten, die Bomben, die Angst: Nie hat sie daruber gesprochen. Bis sie erstmals an die Orte ihrer Kindheit zuruckkehrte. Ihr Sohn hat sie begleitet.
Was heute weniger wichtig ist
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Uber Identitats-Diskurse triumphierende Popmusikerin: Rosalia, spanische Sangerin und nach Meinung vieler Fachleute der Popstar der Stunde, setzt sich uber Fragen der kulturellen Aneignung offenbar unbeschwert hinweg. >>Ich habe das Gefuhl, dass meine Identitat sich standig wandelt<>Motomami<< derzeit in globalen Spotify-Charts weit oben platzierte Kunstlerin in einem Portrattext meines Kollegen Jurek Skrobala. Rosalia nutzt ihre musikalischen Wurzeln im andalusischen Flamenco, aber auch afrokaribische Klange, Reggae, kubanischen Bolero, dominikanischen Bachata. Uber Einwande von Kritikerinnen und Kritikern, die diese Art des cross-kulturellen Sampling womoglich bedenklich finden konnten, macht sich die Spanierin angeblich keine Sorgen. >>Wenn ich ins Studio gehe, dann denke ich nie: Das ist richtig. Das ist falsch. Wenn ich so denken wurde, dann wurde ich gar nichts schaffen.<<
Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: >>Kriegsmaschinerie kann Russland in Rubel auf Laufen halten<<
Cartoon des Tages: Nach der Saarland-Wahl
Foto:
Thomas Plassmann
Und heute Abend?
Konnten sie damit anfangen, sich die deutsche Serie >>Funeral for a Dog<>Bestattung eines Hundes<<) und ist ein spannendes Ratsel- und Versteckspiel.
Es geht darin um eine Liebe zu dritt, fast wie im Kinoklassiker >>Jules und Jim<<. Unter den Hauptdarstellern ist vor allem die Schauspielerin Alina Tomnikov, die in der Rolle einer jungen Frau namens Tuuli den beiden Mannern Felix (Daniel Strassner) und Mark (Friedrich Mucke) den Kopf verdreht, eine tolle Entdeckung. Die achtteilige Serie erweist sich als ziemlich irre Aneinanderreihung von Zeitsprungen und Ortswechseln, aber ich finde, wie ich in einer ausfuhrlichen Kritik aufgeschrieben habe: Das Angucken lohnt sich.
Einen schonen Abend. Herzlich
Ihr Wolfgang Hobel
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