des Tages: Zeitumstellung, Corona, Ukraine-Krieg //
Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:
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Zeitumstellung – Wohin wird die Uhr gedreht
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Corona – Lust auf einen Wissensschnelltest
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Solidaritat mit der Ukraine – Wie verandert der Krieg Deutschland?
1. Am Wochenende kommt die kleine Zeitenwende
Ja, es ist schon wieder so weit: Am Wochenende werden die Uhren umgestellt. Daran hat meine Kollegin Judith Horchert in unserer Redaktionskonferenz erinnert. Verbunden mit der Frage, was wir den Leserinnen und Lesern, also Ihnen, dazu anbieten konnen.
Da gahnt jede Redaktion, die etwas auf sich halt – und zwar nicht praventiv wegen des Schlafmangels in der Nacht zum Sonntag (sie ist eine Stunde kurzer). Sondern weil der Wechsel von Winter- auf Sommerzeit so vieles mitbringt, was Journalisten verabscheuen: Es ist immer dasselbe, es ist alles schon gesagt, es fehlt die Sensation, der Skandal, die Fallhohe. Hund beisst Mann, schnarch. Schliesslich sind die meisten Journalisten, wie US-Reporter Gay Talese schreibt, rastlose Voyeure, gelangweilt von den grosseren Teilen der Welt und des Lebens, die nicht vom Wahnsinn gezeichnet sind: >>Dusternis ist ihre Disziplin, Normalitat ihre Nemesis.<< Oder um es mit Wolf Schneider zu sagen, dem Grunder der Hamburger Journalistenschule: Der Journalist ist ein Mensch, den das Haar mehr interessiert als die Suppe.
Allerdings predigte Schneider auch, dass die Zeitumstellung eigentlich immer auf die Titelseiten der Zeitungen gehort – und zieh alle Redaktionen der Ignoranz, weil die ihre viel zu kleinen Meldungen zur Zeitumstellung ins Vermischte verbannten. Die kleine halbjahrliche Zeitenwende betrifft schliesslich uns alle, und direkte Betroffenheit zahlt zu den wichtigsten News-Faktoren. Da kann die Redaktion noch so sauertopfisch dreinschauen: Wonach wir uns zu richten haben, gehort in die Nachrichten.
Es kann also kein anderes erstes Thema fur diesen Newsletter geben als dieses.
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Hier finden Sie funf Tipps, wie Sie den Mini-Jetlag uberstehen.
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Und mehr Hintergrunde zum Biorhythmus finden Sie hier: So vermeiden Sie schwere Krankheiten – im Schlaf
2. Warum wir noch immer Corona-Abstriche machen mussen
Lassen Sie uns einen Coronaschnelltest machen, einen Wissensschnelltest:
Ihre Warn-App leuchtet rot, Sie spuren ein leichtes Kratzen im Hals, Ihr Kopf schmerzt, die Nase lauft, der Antigen-Schnelltest ist negativ – was tun Sie?
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A) Ich gehe ins Buro, esse in der Kantine, treffe Freunde und danach ab ins Fitnessstudio.
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B) Ich bleibe erst mal zu Hause und teste mich an den Folgetagen erneut.
Sie haben A) genommen: Erstaunlich, auch nach zwei Jahren Pandemie begegne ich immer wieder Leuten wie Ihnen. Darf ich Ihnen meine Kollegin Katherine Rydlink aus unserem Gesundheitsteam vorstellen? >>Schnelltests schlagen leider nicht bei jeder Infektion an<>Die in Deutschland zugelassenen Tests mussen mindestens 80 von 100 Infizierten erkennen – im Umkehrschluss heisst das, sie erkennen 20 Infizierte nicht.<>Im Verlauf der Infektion werden die Testergebnisse dann zuverlassiger und zeigen die Infektion mit hoher Wahrscheinlichkeit an<>Aber eine absolute Sicherheit gibt es leider nicht, daher ist es wichtig, auf den Korper zu horen.<< Zuverlassiger sind die PCR-Tests (mehr zu den verschiedenen Verfahren hier).
Sie haben B) genommen: Richtig, bei Symptomen lieber Vorsicht walten lassen. Und seien Sie beruhigt: Die meisten Schnelltests erkennen Omikron mit der Zeit einigermassen zuverlassig, auch wenn es immer wieder andere Berichte gibt (hier mehr dazu). Das teilte heute das Paul-Ehrlich-Institut mit, das fur die Prufung von Impfstoffen und Arzneimitteln zustandig ist. Nachdem einzelne Studien die Zuverlassigkeit der Tests bei Omikron angezweifelt hatten, untersuchte das Institut 20 zufallig ausgewahlte Tests noch einmal – und gab Entwarnung. Aber auch hier gilt: Kurz vor Beginn der Symptome ist man am infektiosesten, gleichzeitig schlagen die Schnelltests oft erst spater an – jedenfalls, wenn man den Abstrich in der Nase nimmt. >>Wer Halskratzen und einen negativen Test hat, konnte es noch einmal mit einem Rachenabstrich versuchen, denn dort vermehrt sich das Virus<<, sagt Katherine.
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Wie genervt viele von Corona sind und wie die Deutschen uber die Pandemie denken, lesen Sie hier: So hoch ist die Frust-Inzidenz
3. Erschutterte Welt, schockiertes Deutschland
Der Uberfall Russlands auf die Ukraine lost auch in Deutschland neue Angste aus: In einer Umfrage fur den SPIEGEL gaben fast zwei Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, dass sie furchten, der Angriff konnte zu einem neuen Weltkrieg eskalieren. Und immerhin 41 Prozent fuhlen sich schon jetzt psychisch belastet. (Hier mehr dazu.)
Aber der Krieg hat hierzulande auch eine Welle der Solidaritat ausgelost. >>Erzieherinnen, Professorinnen, Busfahrer, Handwerker sammeln Kleidung, Lebensmittel, Windeln, Tampons, Cremes, sie organisieren Transporte, Helferinnen und Helfer erwarten die Fluchtenden an den Bahnhofen und Busstationen<<, berichtet ein Team um meine Kollegin Susanne Beyer. >>Sich mit Deutschland und den hiesigen Reaktionen auf den Krieg zu beschaftigen, mag zynisch wirken<>Sollte es nicht um jene Menschen gehen, die Putins Krieg unmittelbar ausgesetzt sind – um die Kampfenden, Verwundeten, Sterbenden, Fluchtenden? Doch Reprasentanten der Ukraine appellieren seit Wochen an die Deutschen, sich ihrer eigenen Rolle in diesem Krieg bewusst zu werden und auch ihrer Verantwortung – und nicht zuletzt der Moglichkeit, noch tiefer als bisher mit hineingezogen zu werden.<<
Es fuhre eben kein Weg daran vorbei, sich auch mit der Gefuhlslage und Position der Deutschen in diesem geopolitischen Grosskonflikt zu befassen. Wird ihre Solidaritat halten? Wie lange? Oder wird sie jetzt schon bruchig? Auf welche Weise hat der Krieg Deutschland bereits verandert? Wie wirkt sich die Vergangenheit auf das Heute aus? Und wird die Bevolkerung mehrheitlich die Entscheidungen ihrer Regierung unterstutzen?
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Hier finden Sie die ganze Geschichte: Wie der Krieg Deutschland verandert
Und hier finden Sie mehr Nachrichten und Hintergrunde zum Krieg in der Ukraine:
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>>Die Ukraine muss auch zu Angriffen in der Lage sein<<: Kiew braucht dringend Kampfpanzer, sagt der Sicherheitsexperte Gustav Gressel – doch >>im Westen herrscht eine falsche Wahrnehmung<<. Hier erlautert er die Militarstrategie der Ukrainer.
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>>Russland konnte die Nato jetzt genauso wenig angreifen wie den Mars<<: Die Verluste der russischen Streitkrafte sind uberraschend hoch. Der Militarstrategieexperte Phillips O’Brien sagt, was das uber Putins Militar aussagt – und was es fur die Nato bedeutet.
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Warum die Zuschauer Selenskyj nicht zu sehen bekamen: Der ukrainische Prasident Wolodymyr Selenskyj hatte eine spezielle Grussbotschaft fur die Besucher eines Friedenskonzerts in Berlin aufgenommen. Doch dort wurde das Video nicht gezeigt. Was war da los?
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Russland will Westflanke verstarken – angeblich als Reaktion auf die Nato: Die Nato hat laut Kreml >>eine machtige militarische Infrastruktur<>ukrainischen Helden<< widmen. Die News.
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Was heute sonst noch wichtig ist
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Klimaschutzer fordern Ausstieg aus Kohle, Ol und Gas: Sofort raus aus fossilen Energien – das hat die Klimabewegung Fridays for Future erneut bei zahlreichen Demonstrationen gefordert. Der Bundesregierung wirft sie vor, den Angriff auf die Ukraine zu finanzieren.
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An Flughafen drohen erneut Streiks: Am Dienstag hatten Warnstreiks des Sicherheitspersonals den Flugverkehr weitgehend lahmgelegt. Das konnte sich wiederholen: Gewerkschaften und Arbeitgeber konnten sich im Tarifkonflikt nicht einigen.
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Immer mehr SPD-Verbande drangen auf Schroders Parteiausschluss: Verliert Gerhard Schroder sein Parteibuch? Nach SPIEGEL-Informationen machen immer mehr SPD-Verbande Druck. Der Altkanzler selbst irritiert mit neuen Ausserungen.
Die Geschichte des Tages: Die versehrten Kinder von Mariupol
Diese Rubrik heisst eigentlich >>Meine Lieblingsgeschichte des Tages<<, aber selten kam mir das so unpassend vor wie heute. Was mein Kollege Alexander Sarovic aus Saporischschja, einer Grossstadt im Sudosten der Ukraine, berichtet, kann keine Lieblingsgeschichte sein. Es tut fast korperlich weh, seine Reportage zu lesen. Trotzdem oder gerade deshalb kann ich sie nur empfehlen: Wenn Sie nur Zeit und Kraft fur einen Text uber den Krieg haben, lesen Sie diesen.
Alexander Sarovic
Foto:
Emin Ozmen / Magnum Photos / laif
Saporischschja ist Anlaufpunkt vieler Gefluchteter aus Mariupol, jener Stadt, die wohl mit einer Brutalitat vom russischen Angriffskrieg getroffen wurde wie keine andere. Moskaus Truppen beschossen dort eine Geburtsklinik und ein Theater, in dem auch Kinder Schutz suchten. Die Stadt liegt weitgehend in Trummern, wer kann, der flieht.
Kinderintensivstation in Saporischschja
Foto:
Emin Ozmen / Magnum Photos / DER SPIEGEL
In Saporischschja begegneten Alex und der Fotograf Emin Ozmen nun Kindern, die bei der Flucht mit ihren Familien beschossen wurden und jetzt auf der Intensivstation liegen. Sie sprachen mit Armeearzten und trafen einen Burgermeister, der von moskautreuen Besatzern entfuhrt worden war. >>Viele Menschen in Saporischschja machen sich bereit fur das Schlimmste<>sie sind besorgt, dass ihre Stadt als Nachstes dran sein konnte, wenn Mariupol fallt.<<
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Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Bomben auf die Schwachsten
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
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Das sind die Berliner Luxusvillen der russischen Elite: Reiche Russen kauften in den Nobelvierteln der deutschen Hauptstadt jahrelang Hauser und Wohnungen. Besonders umtriebig: Oligarch Arkadij Rotenberg – der seine Investments bestens kaschiert.
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Die unvollstandige Rechnung des Christian Lindner: Mit seiner Verschuldung auf Vorrat verengt Finanzminister Lindner den Spielraum kunftiger Regierungen. Allein die Tilgungen verschlingen 20 Milliarden Euro pro Jahr – und Zinskosten sind nicht mal einkalkuliert.
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>>Ich war zermurbt von den Coronamassnahmen<<: Im Streit um die Maskenpflicht erschoss Mario N. in Idar-Oberstein den Kassierer einer Tankstelle. Im Prozess beschreibt er, warum er das getan hat – seine Erklarung ist nur schwer auszuhalten.
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Bruch mit dem Heilsbringer: Er sollte Fenerbahce Istanbul zu altem Glanz fuhren. Jetzt wurde Mesut Ozil aus dem Kader gestrichen. Die Beziehung zwischen dem Weltmeister von 2014 und seinem Klub steht vor dem Ende. Was ist schiefgelaufen?
Was heute weniger wichtig ist
Dunnes Eis: Die kanadische Eiskunstlauferin Meagan Duhamel, 36, Olympiasiegerin und zweifache Weltmeisterin, hat sich grossmutig gezeigt, nachdem zwei Livekommentatoren sie vor wohl irrtumlich noch eingeschalteten Mikrofonen als >>bitch from Canada<< beleidigt hatten und daraufhin ihren Job verloren. Man habe sich personlich bei ihr entschuldigt, sagte die Sportlerin, >>und ich halte eine offentliche Entschuldigung zu diesem Zeitpunkt nicht fur notwendig<<.
Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: >>Die Halbfinalpaarungen lauten Salomonen vs Papa-Neuguinea und Neuseeland vs Tahiti.<<
Cartoon des Tages: Es lauft alles nach Plan
Foto:
Thomas Plassmann
Und am Wochenende?
Konnten Sie einer Empfehlung meiner Kollegin Elisa von Hof folgen und anfangen, die zweite Staffel >>Bridgerton<< zu gucken, die ab heute bei Netflix streambar ist.
Wenn Sie sich fragen, wer zur Holle die Bridgertons sind, konnen Sie naturlich entweder die erste Staffel ansehen oder hier nachlesen, worum es geht.
Elisas Kurzfassung: >>Die Serie, inspiriert von den Romanen Julia Quinns, begleitet die titelgebenden Geschwister der angesehenen und wohlhabenden Familie Bridgerton auf ihrem meistens dornigen Weg zur Heirat. Nachdem bereits Daphne (Phoebe Dynevor) in die Gesellschaft eingefuhrt, also auf den Hochzeitsmarkt geworfen wurde, wird nun der nachste Sprossling zum Altar gejagt, ihr alterer Bruder Anthony (Jonathan Bailey).<<
Die Kostumserie zahlte im Winter 20/21 zu den popularsten Netflix-Serien. >>Wer sie liebte, wird auch in der zweiten Staffel nicht aussteigen<>Und dennoch fallen die neuen Episoden etwas hinter den Auftakt zuruck.<<
Sollten Sie nicht glotzen wollen, geniessen Sie am Wochenende die Sonne. Denn spatestens ab Mitte der Woche mussen Sie sich wieder auf schlechteres Wetter einstellen. Hier bei uns im Norden kann es sogar noch schneller gehen. Leider. (Hier mehr zu den Aussichten.)
Bleiben Sie heiter. Herzlich
Oliver Trenkamp
Hier konnen Sie die >>Lage am Abend<< per Mail bestellen.