: Olaf Scholz, SPD, Fridays for Future, Wladimir Putin, AfD, Ostdeutschland //
Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,
heute beschaftigen wir uns mit der Rolle von Olaf Scholz als Kriegs- und Krisenkanzler, mit den letzten Putin-Fans in Deutschland und der Ruckkehr von Fridays for Future auf der Strasse.
Ist Scholz ein guter Kanzler fur den Krieg?
Die Frage, wo Olaf Scholz ist, nimmt einen schon rituellen Status im Alltagsvokabular der Deutschen ein. Sie hat aber ihre Berechtigung.
AdvertisementKanzler Scholz auf dem Nato-Gipfel
Foto: Gonzalo Fuentes / REUTERS
Da steigen die Infektionszahlen auf Rekordhohen, doch der Kanzler schweigt. Und auch zum Ukrainekrieg hort man von ihm nicht viel, zumindest nicht viel Neues.
Auf dem gestrigen Nato-Gipfel lobte Scholz, dass die verhangten Sanktionen Wirkung zeigten. Szenarien der Zukunft, etwa fur den Fall, dass Brutalitat und Grausamkeiten zunehmen, dass mehr und mehr Zivilisten getotet werden und die Politik unter Handlungsdruck steht, spielen keine Rolle. Dabei ware es so wichtig, daruber zu debattieren. Zugleich zeigen Umfragen, wie weit verbreitet Angst und Unsicherheit im Lande sind.
In der Titelgeschichte des neuen SPIEGEL versuchen wir zu erklaren, warum Scholz so zuruckhaltend ist, wo seine Schwachen sind, wo seine Starken. Und warum es Momente gibt, in denen man glauben konnte, nicht er, sondern Robert Habeck sei der Kanzler.
Der digitale SPIEGEL erscheint heute um 13 Uhr digital und morgen am Kiosk.
Woher kommt die deutsche Russlandliebe?
Seit seinem Angriff auf die Ukraine hat der russische Prasident viele Freunde verloren, auch in Deutschland. Selbst Matthias Platzeck, ehemals Ministerprasident von Brandenburg und ein grosser Russlandfreund, trat als Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums zuruck. Er wolle fur seine Fehleinschatzung die Verantwortung ubernehmen, sagte er. >>Ich hatte es klarer sehen mussen.<<
Sogar die AfD, deren Vertreter bei Moskau-Besuchen vom russischen Aussenminister empfangen wurden, als seien sie Ebenburtige, verurteilte offiziell den >>volkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands<<. Doch fur einige Mitglieder und Sympathisanten der Partei sind dies nicht mehr als Lippenbekenntnisse.
Compact-Chef Elsasser: Beleidigungen gegen den ukrainischen Prasidenten
Foto: Sebastian Willnow/ DPA
Hinter den Kulissen verbreiten sie Falschnachrichten im Sinne Moskaus oder setzen sich kurz hinter Berlin in die Kneipe >>Mittelpunkt der Erde<<, um mit Jurgen Elsasser zu diskutieren, dem Chefredakteur des rechtsextremen >>Compact<<-Magazins. Elsasser verteidigt Russland und hetzt gegen den ukrainischen Prasidenten. >>Dieser Selenskyj, sein Aussenminister und der ukrainische Botschafter in Berlin, das sind ausgemachte Drecksacke, Extremisten und Brandstifter<<, sagte Elsasser auf der Veranstaltung. Der wahre Brandstifter spielte bei ihm keine grosse Rolle.
Russlandfreundliche Stimmungen waren vor dem Ukrainekrieg in Deutschland durchaus verbreitet, im Osten noch mehr als im Westen. Ich habe mich immer gefragt, warum das so ist. Gab es ein kollektives romantisierendes Bild von Russland und seinen Menschen? Waren die sowjetischen Besatzer so nett, dass man sie sich zuruckwunschte?
Gestern sass ich in einer Runde mit hochinteressanten Gasten. Einer ausserte eine bemerkenswerte Theorie: Bei vielen Deutschen sasse die Angst vor einem russischen Angriff noch tief im Blut. Wie beim >>Stockholm<<-Syndrom, wonach sich die Geisel mit ihrem Geiselnehmer irgendwann verbundet, ruckten auch die Angstlichen emotional dem Machthaber naher. Kann das der Grund sein, warum so viele die Nahe zu Russland suchen? Ich habe meine Zweifel, spannend aber ist dieser Gedanke.
Haben wir die grosste Krise vergessen?
Die Pandemie nimmt uns seit zwei Jahren mental in Beschlag, der Krieg seit vier Wochen, Deutschland in der Dauerkrise, das schlagt sich auf die Stimmung nieder. Ist da noch Platz fur eine dritte Krise?
Anti-Kriegs and Pro-Klima-Demo Berlin
Foto: IMAGO/Sebastian Gabsch / IMAGO/Future Image
Fridays for Future rufen heute zu einem globalen Klimastreik auf, unter dem Motto >>Reicht halt nicht!<< Die Bewegung will an ihre Ziele erinnern, die nicht ihre Gultigkeit verloren haben, auch wenn der Krieg alles infrage stellt – die Energieversorgung, den Kohleausstieg, die globale Zusammenarbeit.
Die Frage ist, ob die Rohstoffunsicherheit im derzeitigen Krieg die Energiewende beschleunigt oder verlangsamt – etwa weil verstarkt auf Kohle zuruckgegriffen wird. Ein verbindlicher Ausstieg aus der Kohle im Jahr 2030 und aus dem Verbrennermotor 2025 sind daher die Hauptforderungen der Aktivisten.
In Deutschland sind Veranstaltungen in mehr als 100 Stadten geplant. Uberlegt man, wie viele Menschen in den vergangenen Tagen fur die Unversehrtheit der Ukraine demonstriert haben, kann man resumieren: So protestfaul, wie oft behauptet, sind die Deutschen nicht.
Verlosung fur SPIEGEL Backstage
Seit Jahren verbreitet Russland strategisch Falschinformationen und Propaganda im Ausland – uber soziale Medien, den Fernsehsender RT und mit Hilfe von Hackern und Trollarmeen. Selbst kritische Infrastrukturen im Ausland haben russische Staatshacker schon lahmgelegt.
Der SPIEGEL hat immer wieder uber die russische Vorgehensweise im Netz berichtet. Aber wie kommen unsere Journalistinnen und Journalisten an ihre Informationen zu dem Thema? Und wie schatzen sie die Situation aktuell ein: Wie gefahrlich ist Putins Cyberarmee wirklich?
Bei SPIEGEL Backstage am Dienstag, dem 29. Marz 2022, um 18 Uhr via Zoom konnen Sie den Redakteuren Patrick Beuth (Ressort Netzwelt) und Wolf Wiedmann-Schmidt (Teamleiter Innere Sicherheit im Hauptstadtburo) all ihre Fragen stellen.
Die Veranstaltung SPIEGEL Backstage ist eigentlich exklusiv fur Abonnentinnen und Abonnenten, aber wir verlosen zehn freie Zugange fur Leserinnen und Leser der Morgenlage, die kein Abo haben. Schreiben Sie einfach eine Mail an info@events.spiegel.de, Betreff: SPIEGEL Backstage Verlosung. Einsendeschluss ist Montag um 12 Uhr. Viel Erfolg!
Fall des Tages…
Vergiftete Parfumflasche
Foto: HO/AFP
… in der Materialschlacht dieses Krieges, in der Welt der Stinger und Strelas, geht leicht verloren, dass Putin auch auf anderen Wegen Krieg fuhrt. Ein Gerichtsprozess in London erinnert heute daran. Es geht um Dawn Sturgess, ein Zufallsopfer in diesem Krieg. Sie kam 2018 ums Leben, da sie in einem Park im sudenglischen Salisbury mit einer Parfumflasche in Beruhrung gekommen war, in dem Reste des Nervengiftes Nowitschok vorhanden waren. Damit war zuvor ein Giftanschlag auf den Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter verubt worden, von Agenten des russischen Militargeheimdienstes GRU. Sie hatten die Flasche dann offenbar im Park entsorgt.
Skripal, Nawalny, Sturgess – auch sie sind Opfer in Putins Krieg.
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Ich wunsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Martin Knobbe