Gut drei Wochen nach der Ankundigung eines gewaltigen Modernisierungs-Budgets von 100 Milliarden Euro fur die Bundeswehr wird hinter den Kulissen so heftig uber die Umsetzung gestritten, dass selbst ein Scheitern des Projekts nicht mehr ausgeschlossen wird. Denn nach SPIEGEL-Informationen stellt die Union, die einer fur das Sondervermogen notwendigen Grundgesetzanderung zustimmen muss, strikte Bedingungen fur das Projekt von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Konkret wollen CDU und CSU bei der Ampel-Koalition eine glasklare Festlegung, dass die Milliarden in den kommenden Jahren wirklich bei der Truppe landen und nicht am Ende von anderen Ressorts beansprucht werden konnen. Zudem will die Union, dass Deutschland die Zwei-Prozent-Forderung der Nato auch einhalt, wenn das Geld aus dem Sonder-Topf verbraucht ist.
Am Dienstagabend nun wollen Finanzminister Christian Lindner (FDP) und sein Staatssekretar Werner Gatzer bei einem eilig anberaumten Krisentreffen mit Abgesandten der Union versuchen, die Wogen irgendwie zu glatten.
Schon vor dem Treffen aber machte die Union klar, dass es einige feste Bedingungen fur eine Grundgesetzanderung gibt. “Wir bestehen darauf, das es bei dem vom Bundeskanzler angekundigten Sondervermogen Bundeswehr bleibt”, sagte der Vize-Fraktionschef Mathias Middelberg dem SPIEGEL. “Schon die Formulierung im Grundgesetz muss klarstellen, dass die 100 Milliarden Euro vollstandig den Streitkraften und ihrer Ausstattung zukommen”, erganzte der CDU-Politiker.
Hintergrund der Streitigkeiten ist die vom Bundeskabinett bereits beschlossene Formulierung fur die Grundgesetz-Formulierung. Im Paragraph 87 will die Koalition einfugen, dass der Bund “zur Starkung der Bundnis- und Verteidigungsfahigkeit” das geplante Sondervermogen von 100 Milliarden Euro als Kredit aufnehmen kann. Dass die Milliarden ausschliesslich fur die Bundeswehr gedacht sind, wird in dem Satz jedoch nicht klar definiert.
Union will klare Festlegung
Die Union wittert hinter der Formulierung nicht weniger als den Versuch einer Tauschung durch die Ampel. Denn in einer ersten Version, die vor dem Kabinettsbeschluss am vergangenen Mittwoch kursierte, hiess es noch, das Sondervermogen diene “zur Starkung der Bundnis- und Verteidigungsfahigkeit der Streitkrafte”. Dieser kleine aber entscheidende Zusatz indes war dann in letzter Minute auf intensives Drangen der Grunen gestrichen worden, hiess es in Koalitionskreisen.
Es gibt noch eine weitere Formulierung, die die Zweifel der Union befeuern. So finden sich in dem Gesetzentwurf fur das Sondervermogen neben der dringend notigen Verbesserung der Bundeswehr-Ausrustung noch andere Ziele. Demnach konne das Geld auch fur “Massnahmen zur Starkung im Cyber- und Informationsraum sowie zur Ausstattung und Ertuchtigung der Sicherheitskrafte von Partnern” eingesetzt werden. Was dies genau bedeutet, bleibt im Gesetz offen.
Die Union will deswegen durchsetzen, dass an dem Gesetz nachgearbeitet wird. “Die vorgelegte Formulierung ‘zur Starkung der Bundnis- und Verteidigungsfahigkeit’ ist unbrauchbar”, sagte Vize-Fraktionschef Middelberg. “Wenn die Ampel von einer Zeitenwende” spricht, muss sie diese auch vollziehen”, forderte er. Der CDU-Mann wird an der Seite von CSU-Landesgruppenchefs Alexander Dobrindt an dem Krisentreffen mit Finanzminister teilnehmen.
Die Bundeswehr hat den Grossteil des Budgets schon verplant
Grundsatzlich geht der Union die angekundigte Wende in der deutschen Sicherheitspolitik nicht weit genug. “Die Zusage des Bundeskanzlers, dass wir von nun an Jahr fur Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren werden, muss mindestens per Gesetz klar verankert werden”, sagte Middelberg. Die Ampel will dieses Ziel in den nachsten Jahren durch das Sondervermogen erreichen, der Verteidigungshaushalt indes soll kaum steigen.
Die Forderungen der Union durften bei der Bundeswehr gut ankommen. Bei den Haushaltsberatungen fur die kommenden Jahre hatten die Finanzplaner von Ministerin Christine Lambrecht (SPD) ebenfalls angemahnt, der Verteidigungsausschuss musse trotz des Sondervermogens kraftig steigen. Bei der Truppe heisst es, abseits der dringend notigen Aufrustung beim Material sei eine solche Steigerung des Budgets allein wegen der absehbaren Personal- und Betriebskosten notig.
Zudem haben die Strategen im Wehrressort den 100-Milliarden-Kuchen schon weitgehend aufgeteilt. Allein durch die geplante Anschaffung der neuen Kampfjets vom Typ F35, neuen Transporthubschraubern, der Auffullung der chronisch leeren Munitionslager und der Modernisierung der Funkgerate der Bundeswehr wurde schon ein grosser Teil des Topfes gebraucht. Die genauen Plane will Generalinspekteur Eberhard Zorn am Mittwoch Kanzler Scholz vorstellen.
Ob sich der Streit mit der Union uber das Sondervermogen noch losen lasst, ist schwer abzusehen. Die Ampel-Koalition jedenfalls hat sowohl die Passage fur die geplante Grundgesetzanderung und auch das Gesetz fur das Sondervermogen bereits im Kabinett beschlossen.