Am 26. Tag des russischen Angriffskriegs wird der Beschuss ukrainischer Stadte fortgesetzt. Laut Angaben der Stadtverwaltung von Odessa wurde nun erstmals ein Vorort der Hafenstadt attackiert. Die Bundesregierung hat angekundigt, der Ukraine weitere Waffen zu liefern. Aussenministerin Annalena Baerbock rechnet EU-weit mit acht Millionen Gefluchteten. Militarisch zeichnet sich in der Ukraine nach knapp vier Wochen Krieg eine Pattsituation ab.
Die Entwicklungen im Uberblick.
Militarische Lage
Aus einem Vorort der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer wird nach Angaben der Stadtverwaltung ein erster Angriff gemeldet. Ein Wohnhaus sei am Morgen durch russischen Beschuss beschadigt worden. Todesopfer gebe es nicht. Zudem sei ein Feuer ausgebrochen. Die Stadt hatte am Sonntag den zunehmenden Einsatz russischer Drohnen uber dem Stadtgebiet und in der Umgebung registriert.
Auch die Hauptstadt Kiew wird weiter beschossen. Bei einem Angriff auf ein Einkaufszentrum sind mindestens acht Menschen getotet worden. Dies teilte die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft mit. Burgermeister Vitali Klitschko kundigte eine weitere Ausgangssperre an. Sie soll von Montagabend 20 Uhr Ortszeit bis Mittwochmorgen 7 Uhr gelten. >>Ich rufe alle auf, zu Hause zu bleiben oder in Schutzraumen, wenn der Alarm losgeht<<, sagte Klitschko.
Dennoch zeichnet sich nach fast vier Wochen Krieg militarisch offenbar eine Pattsituation ab. Olexij Arestowitsch, Berater von Wolodymyr Selenskyjs Buroleiter, sagte, weder die russische noch die ukrainische Seite hatten genug Kraft, um die Situation in die eine oder andere Richtung zu drehen. Auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sprach davon, dass der russische Vormarsch ins Stocken geraten sei, weshalb man >>gezielte Angriffe auf Stadte und Zivilisten<< erlebt habe.
Moskau meldet unterdessen, dass im Nordwesten der Ukraine mehr als 80 Kampfer getotet worden sind. Auf dem Truppenubungsplatz Nowa Ljubomyrka im Gebiet Riwne sei mit Raketen ein Zentrum zur Vorbereitung von Nationalisten und Soldnern zerstort worden, teilte das Ministerium am Montagmorgen mit. In einem Vorort von Kiew sei ein Stutzpunkt der ukrainischen Streitkrafte eingenommen worden. Dabei hatten sich mehr als 60 Soldaten und Offiziere ergeben und in Gefangenschaft begeben. Unabhangig uberprufbar waren die Angaben nicht.
Nach Darstellung des Ministeriums in Moskau ruckten die Truppen weiter im Gebiet Donezk im Osten der Ukraine vor. Dabei wurden auch >>Gruppen des nationalistischen Bataillons Donbass vernichtet<<, hiess es.
Unterhandler der Ukraine und Russlands haben fur heute eine neue Verhandlungsrunde per Videoschalte vereinbart. Am vergangenen Montag waren die bisher letzten Friedensgesprache auf hoherer Ebene gefuhrt worden.
Humanitare Lage
Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sind nach Angaben aus Kiew mindestens 115 Kinder getotet worden. Zudem seien bisher mehr als 140 Kinder verletzt worden, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit. Die meisten Opfer habe es in Kiew gegeben.
Fur die umkampften Gebiete im Land sollen am Montag acht Fluchtkorridore fur Zivilisten eingerichtet werden. Die Korridore wurden fur Busse zur Evakuierung und zur Lieferung von Hilfsgutern genutzt, teilte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk mit. Aus der Umgebung der belagerten Hafenstadt Mariupol sollen Menschen in die sudostukrainische Grossstadt Saporischschja gebracht werden. Aus den umkampften Orten nordlich und ostlich von Kiew ist demnach eine Evakuierung naher an die Hauptstadt geplant.
Der Plan sieht auch eine Evakuierung aus dem Grossraum Sjewjerodonezk und Lyssytschansk im Luhansker Gebiet vor. Dort sollen die Menschen in die Stadt Bachmut in der benachbarten Region Donezk gebracht werden. Wereschtschuk kundigte an, am Abend uber die Umsetzung zu informieren.
Das sagt Kiew
Die ukrainische Fuhrung hat ein vom russischen Militar gestelltes Ultimatum an die Verteidiger von Mariupol zur Kapitulation kategorisch abgelehnt. >>Es wird keine Kapitulation, kein Niederlegen der Waffen geben<>Ukrajinska Prawda<<. Dies sei der russischen Seite bereits ubermittelt worden.
Die Ukraine wirft der russischen Armee ausserdem ein immer brutaleres Vorgehen vor. Vor allem die Lage in Mariupol bleibt katastrophal, nach ortlichen Angaben wurde dort eine Kunstschule mit 400 Schutzsuchenden Ziel eines Bombenangriffs. Das Gebaude sei zerstort worden, hiess es. Menschen lagen noch unter Trummern. Frauen, Kinder und Altere hatten dort Schutz gesucht.
Das sagt Moskau
Moskau sieht derzeit keine Voraussetzung fur ein Treffen des russischen Prasidenten Wladimir Putin mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj zu Friedensverhandlungen. >>Sie haben einfach nichts zum Festklopfen, keine Vereinbarungen, die sie festhalten konnten<>Hausaufgaben<< gemacht und die Ergebnisse der Verhandlungen vereinbart werden, bevor sich Putin und Selenskyj treffen konnten.
Das sagt die internationale Gemeinschaft
Deutschland wird der Ukraine weitere Waffen liefern. Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Hebestreit sollen sich die Lieferungen an dem orientieren, was Deutschland bisher bereits geliefert habe. Die Regierung hatte nach der russischen Invasion angekundigt, die ukrainische Armee unter anderem mit 1000 Panzerabwehrwaffen sowie 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ >>Stinger<< aus Bundeswehrbestanden zu unterstutzen.
Kurz darauf wollte Deutschland weitere 2700 Flugabwehrraketen des Typs >>Strela<< in die Ukraine schaffen. Da die Waffen jedoch zum Teil erhebliche Mangel aufweisen, sind nach SPIEGEL-Informationen aber nur noch maximal 2000 der Raketen einsetzbar.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit verwies auf Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), die gesagt habe, dass man entsprechende Waffen direkt bei Rustungskonzernen bestellen konne.
Die EU plant nach Angaben von Bundesaussenministerin Annalena Baerbock eine Verdopplung ihrer Finanzhilfe fur die Ukraine zur Beschaffung von Waffen – auf insgesamt eine Milliarde Euro. Die Bundesregierung werde dafur sorgen, dass Waffenbestellungen bei deutschen Firmen dann auch schnell realisiert werden konnten, sagte Baerbock bei einem Treffen der EU-Aussenminister in Brussel. Zudem musse die EU mit bis zu acht Millionen Kriegsfluchtlingen rechnen. >>Ich glaube, wir mussen uns sehr bewusst machen, dass bereits uber drei Millionen Menschen geflohen sind, dass aber viele, viele weitere Millionen Menschen fliehen werden<<, sagte Baerbock.
In der Nacht wurde zudem bekannt, dass US-Prasident Joe Biden in der kommenden Woche nach Polen reisen wird. Das Weisse Haus teilte mit, Biden werde im Anschluss an die Gipfeltreffen der Nato, der EU und der G7-Staaten in Brussel am Freitag nach Warschau fliegen, um dort uber den Konflikt zu sprechen. Am Montagnachmittag will Biden sich per Video mit Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Prasident Emmanuel Macron, Italiens Ministerprasident Mario Draghi und dem britischen Premierminister Boris Johnson zusammenschalten. Thema ist die koordinierte Antwort auf Russlands Angriff auf die Ukraine.
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