Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erhob seinen Vorwurf zur besten Sendezeit, am vergangenen Sonntag in der ARD-Talkshow »Anne Will«: Man habe vor ein paar Tagen russische Infanteriefahrzeuge für sich aufgetan. »Und wir haben in eines dieser Fahrzeuge hineingeschaut und gesehen, dass eines der Hauptkomponenten, die das Fahrzeug mit antreiben, tatsächlich von Bosch geliefert wurde.«
Für den Ukrainer steht fest: Bosch habe »jahrelang für die russische Militärmaschinerie notwendige Komponenten geliefert, damit diese Fahrzeuge in die Ukraine einmarschieren und unsere Städte zerstören können«.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba
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VALENTYN OGIRENKO / EPA
Für den Traditionskonzern aus Stuttgart hätte es keine negativere Aufmerksamkeit geben können: Als Geschäftemacher in einem Krieg dargestellt zu werden, bei dem viele Menschen sterben. Das Bundeswirtschaftsministerium hat gegen Bosch nun nach SPIEGEL-Informationen Ermittlungen auf den Weg gebracht.
Der Zauberer von Kiew
Seit Wochen halten ukrainische Streitkräfte und Freiwillige dem Vormarsch der russischen Armee stand. Präsident Wolodymyr Selenskyj ist mit seinen Videos und Auftritten vor Politikern weltweit zum Symbol des Widerstands geworden. Kann es sogar gelingen, Putins Militärmacht zu schlagen?
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Sie sollen klären, ob das Unternehmen gegen ein Exportverbot für Güter verstoßen hat, die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) bereitet das Verfahren vor. Im Raum steht ein Verstoß gegen EU-Sanktionen, die seit Russlands Annexion der Krim 2014 die Ausfuhr sogenannter Dual-Use-Güter nur unter Auflagen zulassen.
Hinweise auf Sanktionsverstöße gebe die Bundesregierung unmittelbar an die zuständigen Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden weiter, erklärte das Wirtschaftsministerium. Aus Regierungskreisen heißt es, dies sei erfolgt. Zuständig sind die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Zollkriminalamt in Köln.
Bosch erklärt, man habe »umgehend eine intensive Prüfung eingeleitet«. Es handle sich um »gewöhnliche Steuergeräte für Nutzfahrzeuge«. Bosch habe diese nicht direkt an die Fahrzeughersteller geliefert. »Bei Bestellungen von Ersatzteilen für Handel und Werkstätten nimmt Bosch keine Neuaufträge aus Russland und von russischen Automobilherstellern mehr an und hat auch die Auslieferung bestehender Aufträge in Russland gestoppt«, erklärte ein Bosch-Sprecher.
Weitere Unternehmen könnten in den Fokus geraten. Dem SPIEGEL liegen Fotos vor, die auf Komponenten des Bosch-Konkurrenten ZF Friedrichshafen hindeuten. Der Zulieferer vom Bodensee erklärt, man habe keine Erkenntnisse, »dass Komponenten von ZF in militärischen Fahrzeugen der russischen Armee eingesetzt oder wissentlich von uns geliefert wurden«. Seit dem 1. August 2014, dem Zeitpunkt verschärfter Sanktionen gegen Russland, seien weder direkt noch indirekt Teile für die militärische Nutzung nach Russland geliefert worden. Mit dem BAFA stehe man im Austausch.
Der Export von Dual-Use-Gütern ist seit Langem umstritten, weil die Überwachung durch die Unternehmen und die deutschen Behörden sehr schwierig ist. Nur bei konkreten Verdachtsfällen kann der Zoll in den Ländern ermitteln, wo es zu einem Verstoß gekommen ist. Voraussetzung dafür ist aber, dass dieser Staat die Ermittlungen zulässt. Dies ist im Falle Russlands äußerst unwahrscheinlich.