Die Ampel lautet eine >>Zeitenwende<< ein – nur ganz anders, als sich das SPD, Grune und FDP vorgestellt hatten: Bundeskanzler Olaf Scholz hat mit jahrzehntealten Gewissheiten der Aussen- und Sicherheitspolitik gebrochen, Deutschland liefert Waffen in ein Kriegsgebiet, die Bundeswehr wird uber ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermogen aufgerustet, und das Land ist gezwungen, in atemberaubendem Tempo die Energiepolitik umzustellen.
Russlands Uberfall auf die Ukraine hat alles verandert, auch fur die noch junge Bundesregierung, die an diesem Donnerstag 100 Tage im Amt ist. Der Krieg in Osteuropa bestimmt ihre tagliche Arbeit, uberschattet alle anderen Plane, die die selbst ernannte >>Fortschrittskoalition<< geschmiedet hatte.
Wie schlagen sich Olaf Scholz und seine Ministerinnen und Minister in dieser schwierigen, nicht vorzusehenden Lage? Erstmals seit der Vereidigung des Kabinetts am 8. Dezember werten wir den SPIEGEL-Regierungsmonitor aus. Er zeigt: Aussenministerin Annalena Baerbock von den Grunen ist derzeit das beliebteste Kabinettsmitglied. Auch der Kanzler selbst rangiert auf den vorderen Platzen. Am Ende des Regierungsrankings: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht.
Popularitatsdelle im Februar
Der SPIEGEL-Regierungsmonitor wird erstellt in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey. Er bildet die Zufriedenheit der Bevolkerung mit der Regierung ab, mit den Koalitionsparteien und vor allem den einzelnen Ministerinnen und Ministern sowie dem Kanzler. Um die reprasentativen Bewertungen vergleichen zu konnen, arbeitet Civey mit einem sogenannten Scoringverfahren. (Lesen Sie hier mehr zum Verfahren.) Der bestmogliche Index betragt 200, das schwachste Ergebnis ware -200.
Die Verlaufskurve fur das Jahr 2022 zeigt, dass die Zufriedenheit mit der Ampelregierung insgesamt und mit den an ihr beteiligten Parteien nach einer deutlichen Delle im Februar bis heute wieder zugenommen hat. Sie liegt nun (Stand 16. Marz) sogar klar uber dem Niveau von Anfang des Jahres, als der Umgang mit der Coronapandemie noch das beherrschende Thema war. Offenbar sind viele Deutsche mit der Reaktion der Ampel auf den russischen Uberfall grundsatzlich einverstanden.
Bisher kommt die Kanzlerpartei SPD in der Bewertung am besten weg, die Grunen lagen dagegen im Vergleich der drei Bundnispartner kontinuierlich hinten, schliessen jetzt aber zur FDP auf.
Das liegt wohl auch an der Aussenministerin, die in dieser Krise seit Wochen sehr prasent ist und aktuell im Regierungsmonitor die popularste aller Ministerinnen und Minister ist. Annalena Baerbocks Popularitat hat im Vergleich zum Anfang des Jahres massiv zugenommen. Zeigten sich damals nur etwa 20 Prozent der Menschen mit der Arbeit der Grunenpolitikerin im Auswartigen Amt eher oder sehr zufrieden, sind es nun fast 50 Prozent – sie gewinnt so 95 Indexpunkte.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte zunachst die gegenteilige Entwicklung hinter sich: Von einem Bestwert von 49 im Januar, als sich noch alles um Corona drehte, sturzte er zwischenzeitlich auf -25 ab. Mittlerweile liegt der SPD-Politiker wieder knapp im positiven Bereich, das bedeutet immer noch Platz zwei im Regierungsmonitor.
Keine Ausschlage nach oben oder unten gibt es bei Hubertus Heil. Der Arbeitsminister verbucht durchgehend solide Zufriedenheitswerte und liegt auf Platz drei noch vor dem Kanzler.
Der wiederum kann einen deutlichen Beliebtheitssprung in den vergangenen Wochen fur sich reklamieren. >>Wo ist Olaf Scholz?<<, fragten sich viele noch Mitte Februar angesichts der ostentativen offentlichen Zuruckhaltung des Regierungschefs. Nun scheint er angekommen im Amt und im Bewusstsein der Deutschen: Rund 70 Punkte machte Scholz in den vergangenen Wochen gut.
Hinter Scholz folgt dessen Vizekanzler von den Grunen, Wirtschaftsminister Robert Habeck, der erste FDP-Vertreter ist auf Platz sechs zu finden: Christian Lindner. Auch der Finanzminister hat sich nach der Beliebtheitsdelle der gesamten Regierung im Februar wieder berappelt.
Schwere Zeiten zur Profilierung
Der grosse Rest des Kabinetts hat es in diesen Zeiten vergleichsweise schwer, uberhaupt offentlich durchzudringen und sich zu profilieren. Das gilt vor allem fur jene, die – anders als etwa Landwirtschaftsminister Cem Ozdemir auf Platz sieben – bundesweit ohnehin noch nicht so bekannt waren und sind.
Entsprechend hoch ist bei Ministerinnen wie Klara Geywitz (Bauen und Wohnen/SPD), Bettina Stark-Watzinger (Bildung/FDP) und Anne Spiegel (Familie/Grune) der Anteil jener, die bei der Bewertung ihrer Arbeit unentschieden sind. Gibt es dann wie im Fall Spiegels auch noch Negativschlagzeilen wegen ihrer Rolle als rheinland-pfalzische Landesministerin in der Hochwasserkatastrophe, beeinflusst das die offentliche Wahrnehmung stark – die Grunenpolitikerin ist auf den letzten Platz abgerutscht.
Immerhin halt Spiegel die rote Laterne im Regierungsmonitor aktuell nicht allein, sondern gemeinsam mit einer bundespolitisch weitaus erfahreneren Kollegin: Christine Lambrecht. Die SPD-Politikerin war in der Grossen Koalition bereits Justizministerin, nun ist sie zustandig fur die Bundeswehr, deren schlechter Zustand angesichts des Krieges in der Ukraine augenfalliger denn je ist.
Dafur kann Lambrecht zwar nichts; dass sie etwas daran andern kann, trauen ihr bisher aber offenbar nur wenige Menschen zu – trotz sicherheitspolitischer >>Zeitenwende<<.
Kleiner Trost fur Lambrecht und Spiegel: Der Abstand zu den Platzen davor ist nicht sehr gross.
Den laufend aktualisierten SPIEGEL-Regierungsmonitor finden Sie hier.