des Tages: Ukrainekrieg, Kriegsfluchtlinge, Olpreis //
Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:
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Todeszone – Ist es zu viel verlangt, den Luftraum uber der Ukraine zu schliessen?
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Hilfsbereitschaft – Wie verkraftet Berlin taglich 10.000 neue Kriegsfluchtlinge?
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Diesel – Warum kommt der sinkende Olpreis nicht an der Zapfsaule an?
1. Ohne Herz und Hand
Drei Wochen Tod, Verwustung, Flucht – ein Ende von Russlands Krieg gegen die Ukraine ist leider auch nach diesem Tag nicht in Sicht. Die Verhandlungen beider Lander uber einen neutralen Status der Ukraine haben bislang noch nicht einmal zu einem Waffenstillstand gefuhrt. Ausserdem stosst der polnische Vorstoss fur eine Nato-Friedensmission in der Ukraine im Bundnis auf Skepsis.
Dabei hat Wolodymyr Selenskyj in seiner Rede vor dem US-Kongress heute seine Forderung nach einer Flugverbotszone uber der Ukraine noch einmal bekraftigt. Der ukrainische Prasident wandte sich per Videoschalte an die Abgeordneten und erinnerte die Amerikaner unter anderem an die Terroranschlage des 11. September 2001 und den japanischen Uberfall auf Pearl Harbor 1941.
Damals seien Unschuldige aus der Luft angegriffen worden, sagte Selenskyj. Die Ukraine erlebe jeden Tag seit drei Wochen genau dies. >>Russland hat den ukrainischen Luftraum in eine Todeszone verwandelt.<< Es sei ein Terror, den Europa seit 80 Jahren nicht erlebt habe. Der Luftraum musse geschlossen werden. >>Ist das zu viel verlangt?<<, fragte Selenskyj.
Ist es zu viel verlangt, den dritten Weltkrieg zu riskieren? So herzlos es erscheinen mag, der Ukraine militarische Hilfe in Form von Abschussen russischer Bomber uber ihrem Luftraum zu verweigern. Vernunftig ware es. In der deutschen Nationalhymne heisst es, wir sollten >>bruderlich mit Herz und Hand<< nach Einigkeit und Recht und Freiheit streben. Ein kuhler Kopf gehort manchmal leider auch dazu.
Und hier weitere Nachrichten und Hintergrunde zum Krieg in der Ukraine:
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Ukrainischer Botschafter erklart Schroders Vermittlungsversuch fur gescheitert: Ex-Kanzler Gerhard Schroder war nach Moskau gereist, offenbar in der Hoffnung, im Ukrainekrieg vermitteln zu konnen. Der ukrainische Botschafter in Deutschland bilanziert den Versuch als >>nutzlos<>traurig<<.
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>>In Europa ist kein Land in der Lage, einen Krieg gegen Russland zu bestehen<<: Krieg fuhren – allein der Gedanke daran war in Europa jahrzehntelang verpont. Der franzosische Militarstratege Pierre Servent sagt, welche Fehler insbesondere Deutschland machte und wie weit Putin gehen konnte.
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Alle aktuellen Entwicklungen finden Sie hier im News-Update.
2. Feldbett statt Feldjager
Gerade weil Deutschland mit militarischen Mitteln den Krieg in der Ukraine nicht verkurzen kann, muss die Bundesrepublik humanitar aufrusten. Rund drei Millionen Menschen haben die Ukraine seit dem 24. Februar verlassen. Laut Unicef sind die Halfte davon Kinder und Jugendliche.
Von den ukrainischen Fluchtlingen, die es bis nach Deutschland geschafft haben, landen viele am Berliner Hauptbahnhof. Die Stadt schatzt, dass es taglich 10.000 sind – zehnmal so viele wie zu Hochzeiten im Jahr 2015. >>Am Anfang war hier fast alles improvisiert – nun macht die Anlaufstelle im Hauptbahnhof einen etwas geordneteren Eindruck<<, bilanzieren meine Kollegen aus dem SPIEGEL-Video-Ressort Luana Partimo und Thies Schnack.
Sie haben auch mit der 18-jahrigen Marta gesprochen, die schon vor einigen Tagen in Berlin angekommen und bei privaten Helfern untergekommen ist. Es zieht sie immer wieder zuruck zum Hauptbahnhof und zu den anderen Gefluchteten: >>Ich versuche, ihnen zu helfen, mit ihnen zu sprechen. Ich hatte mir nie vorgestellt, dass ich mit meinen 18 Jahren einer Frau, die schon 50 ist, Ratschlage geben konnte, wie man weiterlebt.<<
3. Kraftstoff ausser Kontrolle
In zahlreichen Bundeslandern stehen die Osterferien bevor. Wer vorhat, mit dem Auto zu verreisen, muss sich das womoglich noch einmal uberlegen. Rund 2,20 Euro kostet der Liter Superbenzin derzeit im Tagesdurchschnitt. Beim Diesel sind es momentan sogar 2,30 Euro. >>Es sind Mondpreise, die sich auf den ersten Blick nicht erschliessen<<, schreiben meine Kollegen Mitsuo Martin Iwamoto und Stefan Schultz. Denn die Olpreise sind am Weltmarkt zuletzt stark gesunken.
>>Beim aktuellen Olpreis mussten die Benzinpreise eigentlich unter zwei Euro liegen<>die Konzerne trafen geheime Preisabsprachen, um ihre Margen zu erhohen. Nachgewiesen wurde ein solches Vorgehen bisher aber nicht.<<
Womoglich andert sich das bald. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat heute jedenfalls das Bundeskartellamt gebeten, >>die Benzin- und Dieselpreise sehr genau zu beobachten und bei jeglichem Hinweis auf missbrauchliches Verhalten tatig zu werden<<, so sagte der Grunenpolitiker dem SPIEGEL. Die Oligopolsituation am deutschen Kraftstoffmarkt sei seit Langem ein strukturelles Problem. Es durfe nicht sein, dass Unternehmen aus der jetzigen Situation unangemessene Gewinne schlugen.
Ausserdem hat die Bundesregierung heute Entlastungen und Zuschusse als Reaktion auf die hohen Energiepreise auf den Weg gebracht.
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Die Massnahmen im Uberblick finden Sie hier.
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Was heute sonst noch wichtig ist
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>>Jeder, ohne Ausnahme, weiss, dass sie lugen<<: Seit ihrem Protest im russischen Staatsfernsehen wird die russische Journalistin Marina Owsjannikowa wie eine Heldin gefeiert. Ein neuer Bericht gibt Einblicke in ihr Leben und in die Parallelwelt staatstreuer Medien in Russland.
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Egidius Braun ist tot: Der Deutsche Fussball-Bund trauert um eine seiner pragenden Figuren: Der ehemalige Prasident und spatere Ehrenprasident Egidius Braun ist tot. Er wurde 97 Jahre alt.
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Staatsanwaltschaft lehnt Ermittlungen gegen Bundeskanzler Scholz ab: Strafrechtler Gerhard Strate warf Olaf Scholz in der Cum-ex-Affare >>Beihilfe zur Steuerhinterziehung<< vor. Mit einer Anzeige gegen den fruheren Hamburger Burgermeister und dessen Nachfolger ist er nun gescheitert.
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SPD verargert uber ukrainischen Botschafter Melnyk: Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk wirft der Bundesregierung vor, sich vor Russland wegzuducken. In der SPD wachst nach SPIEGEL-Informationen der Unmut uber den Diplomaten.
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Starkes Erdbeben erschuttert Fukushima – Tsunami-Warnung: Ein starkes Erdbeben vor der japanischen Kuste hat die Region Fukushima erzittern lassen. Japans meteorologische Behorde gab eine Tsunami-Warnung aus. In etwa zwei Millionen Haushalten soll der Strom ausgefallen sein.
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
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>>In Europa ist kein Land in der Lage, in einem Krieg gegen Russland zu bestehen<<: Krieg fuhren – allein der Gedanke daran war in Europa jahrzehntelang verpont. Der franzosische Militarstratege Pierre Servent sagt, welche Fehler insbesondere Deutschland machte und wie weit Putin gehen konnte.
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Was der Krieg fur das Reiseziel Turkei bedeutet: Der Turkei durften nun russische Gaste fehlen. Wird der Urlaub in dem beliebten Reiseland fur Deutsche deshalb gunstiger? Vor allem ein Faktor spricht gegen satte Rabatte. Allzu lange warten sollte man mit der Buchung aber nicht.
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>>Es ware falsch, die Maskenpflicht generell abzuschaffen<<: Pflegende und Bevolkerung brauchen dringend eine Verschnaufpause von den Coronamassnahmen – aber noch nicht jetzt, warnt der Intensivmediziner Christian Karagiannidis.
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Pater Braun: Egidius Braun war ein DFB-Prasident, der mit dem Kommerzfussball wenig am Hut hatte. Lieber widmete er sich sozialen Fragen. Als er 2001 ging, hatten der Fussball und er sich entfremdet.
Was heute weniger wichtig ist
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Fur die Sangerin Rihanna verlauft die Schlussphase ihrer Schwangerschaft nicht ohne Schwierigkeiten im Alltag. In einem Interview mit dem US-Magazin >>Elle<< erklarte die Sangerin, die kleinen Alltagsprobleme fingen schon direkt nach dem Aufwachen an. >>Alles ist eine Herausforderung, vom Anziehen bis zur Frage, wie du dein Make-up machst<<, sagte die 34-Jahrige. >>Aber ich mag Herausforderungen.<< Rihanna und ihr Freund, der US-Rapper A$AP Rocky, erwarten ihr erstes Kind. Bis zur Geburt dauert es offenbar nicht mehr lange.
Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: >>Es sind also wieder einmal Staatsmanner vor allem aus ehemaligen Warschauer Parkt-Staaten, die sich als die wachsten Streiter gegen den russischen Imperialismus prasentieren.<<
Cartoon des Tages: Putins Bomben
Foto:
Thomas Plassmann
Und heute Abend?
Wie ware es mit Poutine statt Putin, also Pommes mit Kase und Bratensosse? Mein Kollege Sebastian Maas stellt in der heutigen Folge >>Kochen ohne Kohle<< ein Rezept fur das frankokanadische Nationalgericht vor. Als Sebastian seine Kolumne vor eineinhalb Jahren startete, lautete sein oberstes Ziel, dass die Gerichte mit weniger als drei Euro niemals teurer als ein Essen in der Mensa sein sollten. Aktuell sind viele der Rezepte gunstiger als ein Liter Diesel an der Tankstelle.
Wie man die Pommes ohne Fritteuse sicher im Topf frittiert, kann er leider nicht wie geplant beschreiben, >>da ein paar Ubereilige leider alles Ol gehamstert haben<<. Stattdessen gibt es Backofenpommes. Zwar tue bei den Energiepreisen jede Minute Backzeit weh, aber immerhin liefere eine Portion Poutine genug Brennwert fur mehrere kalte Tage.
Einen schonen Abend. Herzlich
Ihre Anna Clauss
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