: Coronavirus, Omikron, Ukraine-Krieg, Wladimir Putin, Friedensproteste, Maria Kolesnikowa //
Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,
heute geht es um steigende Infektionszahlen, um den Energieboykott, um Friedensdemos, um Skifliegen und um eine mutige Frau aus Belarus.
Knick in der Kurve
Interessant ist, dass der Knick in der Corona-Kurve in die Zeit des Krieges fallt. Die Zahl der Ansteckungen fiel noch in der ersten Kriegswoche, seither steigt sie wieder. Ich weiss nicht, ob es da einen Zusammenhang gibt, aber ich halte das fur moglich. Uber zwei Jahre war diese Gesellschaft auf Corona fixiert, was sicherlich dazu beitrug, die Infektionen einzudammen. Man konnte die Pandemie nicht vergessen, die Medien waren voll davon.
AdvertisementEine Arztin in einem Testzentrum in Baden-Wurttemberg
Foto by Felix Kastle/dpa
Nun ist Corona weitgehend aus den Medien verschwunden. Es geht fast nur noch um den Krieg. Auch ich habe die Pandemie in den letzten Tagen nahezu vergessen. Es liegt nahe, dass sich dies auf das Verhalten auswirkt. Wer nicht mehr an Corona denkt, passt weniger auf. Sicherlich spielt auch eine Rolle, dass Omikron als viel harmloser gilt als Delta. Man fuhlt sich sicherer.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach warnt jedenfalls zu Recht davor, die Gefahren einer Infektion zu unterschatzen.
>>Licht aus!<<
Dass wir mehr und mehr zu Politikern im Nebenberuf werden, habe ich an dieser Stelle schon erortert. Wir sollen mit unserem Verhalten die Pandemie eindammen, wir sollen mit unserem Verhalten die Klimawende aufhalten. Das sind politische Ziele, die nur mit Hilfe der Burgerinnen und Burger erreicht werden konnen (was eigentlich arbeitsrechtliche Fragen aufwerfen musste, da zum Beispiel der SPIEGEL Nebentatigkeiten streng reglementiert).
Nun ist noch eine Aufgabe fur uns Politikerinnen und Politiker im Nebenberuf hinzugekommen: Wir sollen durch unser Verhalten einen Energieboykott gegen Russland moglich machen. Je mehr wir einsparten, desto leichter fiele die Loslosung von Putins Gas, heisst es. Zum Gluck decken sich die erforderlichen Einschnitte in unsere Leben weitgehend mit jenen, die im Kampf gegen die Klimawende notig sind.
Gasspeicher in Schleswig-Holstein
Foto: Axel Heimken / dpa
Fur mich war >>Licht aus!<< der standige Schlachtruf meiner Mutter. Sie dachte dabei noch nicht an das Klima, sondern an das knappe Familienbudget. Ich kann gar nicht anders, als in unbehausten Zimmern sofort das Licht zu loschen, weil ich meine Mutter rufen hore. Sie hat mich gut auf meine politischen Nebentatigkeiten vorbereitet.
Was ich eigentlich sagen wollte: Mit so vielen Aufgaben im Gepack sind wir allmahlich nicht mehr Politiker im Neben-, sondern im Hauptberuf. Bald konnen wir Diaten fordern.
Starkung durch die Strasse
Auch heute werden wieder Menschen auf die Strasse gehen, um fur den Frieden zu demonstrieren, zum Beispiel in Munchen. Man kann sich fragen, was das bringen soll, weil der Adressat der Proteste nicht in Deutschland sitzt, wie bei der Friedensbewegung in den Achtzigerjahren, die gegen die Nachrustungsplane der Bundesregierung demonstrierte (ich war dabei).
Demonstration Anfang des Monats in Munchen
Foto: Lukas Schulz / aal.photo / imago images/aal.photo
Nun wenden sich die Proteste vor allem gegen Putin, dem egal sein kann, was die Leute hier treiben. Gleichwohl haben sie eine wichtige politische Funktion. Putin sieht, dass er nicht nur die Bundesregierung gegen sich hat, sondern auch die Strasse. Dass die Gesellschaft bei allem Streit uber das Sondervermogen Bundeswehr in der Verurteilung dieser ruchlosen Attacke weitgehend geschlossen auftritt. Das starkt die Position der Politiker in ihren Bemuhungen um Frieden.
Fliegen konnen
Das Skifliegen ist die Sportart mit der grossten Poesie. Deshalb sass ich gestern selbstverstandlich vor dem Fernseher, um mir die beiden ersten Durchgange der Weltmeisterschaft anzuschauen. Je kleiner die Hilfsmittel, desto mehr beeindruckt der fliegende Mensch. Im Flugzeug ist er Teil einer Maschine, aber beim Skifliegen helfen ihm nur zwei schmale Bretter auf Weiten von bis zu 250 Meter.
Karl Geiger bei der Skiflug-WM
Foto: Daniel Kopatsch; Fa / dpa
Der eingefrorene Korper, der sich nach dem Absprung in die Luft legt, das lange, stille Gleiten uber dem Berg, und dort unten, weit weg, ist die Stadt, der Fluss. Plotzlich Unruhe, ein Zucken, ein Flattern, die Skier scheinen eigene Ideen von dieser Reise zu haben, jeder Ski eine andere, der Mensch korrigiert mit der Hand, mit dem Arm, und die Ruhe kehrt zuruck. Landung, Telemark, man ist erleichtert, jedes Mal. Und mochte auch so fliegen konnen.
Heute sind der dritte und vierte Durchgang. Ich sitze auf jeden Fall wieder vor dem Fernseher.
Gewinnerin des Tages…
…ist Maria Kalesnikava. Obwohl diese Rubrik eigentlich zu flapsig ist fur ihre Situation. Ich nutze die Gelegenheit aber, um daran zu erinnern, dass es sie gibt, dass sie in Belarus eingesperrt ist, weil sie die Proteste gegen Diktator Lukaschenko angefuhrt hat. Nun sitzt sie fur elf Jahre in Haft. Wegen >>Gefahrdung der staatlichen Sicherheit<<, heisst es, in Wahrheit aber, weil sie fur Demokratie und Freiheit gekampft hat. Und davor hat Lukaschenko eine Riesenangst, so wie Putin.
Maria Kalesnikava im Jahr 2020
Foto by Tatyana Zenkovich / EPA–EFE / Shutterstock
Am Sonntag bekommt Kalesnikava, die in Stuttgart einige Jahre Kulturmanagerin war, den Theodor-Haecker-Preis der Stadt Esslingen verliehen, fur ihren unbeugsamen Willen zur Freiheit.
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Ich wunsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihr Dirk Kurbjuweit