Der Ukrainekrieg hat Russland international weitgehend isoliert. Vor einer besonders wirkungsvollen Massnahme schrecken die Europaer bisher zuruck: Ein Stopp russischer Ollieferungen wurde Moskau hart treffen. Insbesondere Berlin zeigt bisher wenig Bereitschaft, einen solchen Schritt mitzugehen. Dabei wurde die Mehrheit der Bevolkerung ein Olembargo gegen Russland unterstutzen – das zeigen Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des SPIEGEL.
So antworteten 54 Prozent der Befragten auf die Frage, ob die Bundesregierung alle Olimporte aus Russland trotz moglicher Preissteigerungen stoppen sollte, mit >>ja<>eher ja<<. Gegen eine solche Massnahme positionierten sich 38 Prozent, 8 Prozent wollten sich nicht festlegen.
Die grosste Unterstutzung fande ein Lieferstopp unter den Anhangerinnen und Anhangern der Grunen (84 Prozent). Bei den Sympathisanten von SPD (64 Prozent), FDP (50 Prozent) und Unionsparteien (50 Prozent) zeichnet immer noch eine uberwiegende Zustimmung ab. Die Anhangerschaften von Linken und AfD lehnen eine solche Massnahme dagegen mehrheitlich ab.
In Ost- und Westdeutschland ist das Meinungsbild zu einem moglichen Importstopp von russischem Ol sehr unterschiedlich. In den alten Bundeslandern wurde eine solche Massnahme weitaus mehr Unterstutzung erfahren als in den neuen – im Osten sind die Befurworter mit 38 Prozent in der Minderheit.
Befragt wurden fur die aktuelle Erhebung gut 5000 Menschen im Zeitraum zwischen dem 7. Marz und 9. Marz. Lesen Sie hier Hintergrunde zur Civey-Methodik.
Die USA hatten am Dienstag einen Importstopp fur russisches Rohol erlassen. Allerdings machen die Einfuhren aus Russland nur knapp acht Prozent aller US-Importe in dieser Kategorie aus. Der Anteil russischer Importe an den Roholeinfuhren nach Deutschland liegt nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums dagegen bei rund 35 Prozent.
Die USA seien Exporteur von Gas und Ol, was man fur Europa insgesamt nicht sagen konne, betonte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch in Berlin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kanadas Premierminister Justin Trudeau. >>Und deshalb sind die Dinge, die getan werden konnen, auch unterschiedlich<<, so Scholz.
Die Meinungsforscher von Civey fragten die Menschen auch, ob der fur 2030 anvisierte Kohleausstieg Deutschlands angesichts der Unsicherheiten bei der Energieversorgung im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg verschoben werden sollte. 57 Prozent der Deutschen sprachen sich demnach dafur aus.
Den grossten Zuspruch findet ein moglicherweise verzogerter Zeitplan bei Anhangerinnen und Anhangern der Unionsparteien (79 Prozent) und der AfD (86 Prozent). Sympathisanten der Grunen hingegen hatten kaum Verstandnis fur eine Verschiebung, 72 Prozent von ihnen sprachen sich dagegen aus.
Die SPIEGEL-Umfrage legt ausserdem nahe, dass die Deutschen durchaus bereit sind, negative wirtschaftliche Folgen fur die Bundesrepublik in Kauf zu nehmen, um die Ukraine zu unterstutzen. Rund zwei Drittel sind laut der Erhebung dafur, Russland fur die Invasion des Nachbarlandes zu sanktionieren, auch wenn sich das schlecht auf die deutsche Wirtschaft auswirken konnte.
Lediglich unter Sympathisantinnen und Sympathisanten von AfD und Linken findet sich keine Mehrheit fur die Sanktionen trotz negativer wirtschaftlicher Folgen. Die grosste Zustimmung gibt es in der Anhangerschaft der Grunen (93 Prozent), gefolgt von jener der Sozialdemokraten (80 Prozent). Auch bei potenziellen Wahlern von Union und FDP bejaht die deutliche Mehrheit diese Frage.
Einmal mehr gibt es jedoch Unterschiede zwischen Ost und West: So finden sich im Westen (68 Prozent) deutlich mehr Befurworter einer harten Sanktionspolitik trotz moglicher wirtschaftlicher Folgen als im Osten (51 Prozent).