Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,
heute geht es um den Kremlchef und die Suche nach einer diplomatischen Lösung im Ukrainekrieg, um das Lob des Nato-Chefs für Deutschland – und um den Erfolg des Elon Musk.
Putin sendet diffuse Signale
Die Doppelgesichtigkeit ist seit jeher Wladimir Putins Markenzeichen. So konnte er jahrelang viele Menschen, auch im Westen, über seine wahren Absichten täuschen. Zuletzt wurde Putins falsches Spiel offenbar, als er seine Leute stets beteuern ließ, Russland habe ganz bestimmt nicht die Absicht, in die Ukraine einzumarschieren. Dann tat er es doch.
Während seine Soldaten in der Ukraine wüten, setzt Putin nun mal wieder seine Unschuldsmiene auf. Er sendet diffuse Signale der Dialogbereitschaft. In einer kurzen Rede, die auch in Richtung Nato zielte, beteuerte Putin: »Wir haben keine bösen Absichten gegenüber unseren Nachbarn.« Er sehe keine Notwendigkeit, die Beziehungen zu verschlechtern.
AdvertisementWerbeplakat von Wladimir Putin auf der Krim
Foto: STRINGER / AFP
Seinen Verteidigungsminister Sergej Schoigu ließ Putin bei Uno-Generalsekretär António Guterres anrufen, um diesen zu besänftigen. Schoigu wies Vorwürfe zurück, dass die russische Armee auf zivile Objekte schieße. Nach seiner Darstellung richtete das russische Militär in den von ihm kontrollierten Gebieten »humanitäre Korridore« ein, damit Zivilisten fliehen könnten.
Und: An diesem Wochenende sollen Unterhändler Putins mit einer ukrainischen Delegation erneut zusammenkommen, um über eine Lösung der Krise zu sprechen. Für die kommende Woche ist ein Treffen der Außenminister Russlands und der Ukraine in der Türkei angedacht.
In einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz sagte der Kremlchef, er sei bereit zum Dialog. Anschließend listete er erneut alle bekannten Forderungen wie die angebliche »Denazifizierung« und »Demilitarisierung« der Ukraine auf, die sowohl Kiew als auch die Nato aus guten Gründen für unerfüllbar halten.
Lässt sich im Westen noch jemand mit dieser Charmeoffensive etwas vormachen? Wohl kaum. Sie ist aber möglicherweise ein Zeichen dafür, dass Putin beginnt, den Druck der westlichen Sanktionen und der internationalen Isolation zu spüren. Es wirkt, als suche er nach einem Ausweg aus der misslichen Lage, ohne bisher selbst zu wissen, wie dieser aussehen könnte. Er tastet sich vor. Es sollte sich bei der Suche nach Lösungen nur niemand mehr von Putins Doppelgesichtigkeit täuschen lassen.
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Dritter Weltkrieg? Lieber nicht!
Man kennt das von Team-Meetings. Da gibt es auch den Moment, in dem »out of the box« gedacht werden soll, um ein Problem zu lösen. In der Ukrainekrise bieten nun einige Leute solche Ideen an. Das Brainstorming ist eröffnet, jeder darf mal sagen, was ihm so einfällt. Springer-Chef Mathias Döpfner und CDU-Chef Friedrich Merz bringen ein Eingreifen der Nato ins Spiel. »Die Nato muss jetzt handeln«, fordert Döpfner in einem Bild-Kommentar, das Wort jetzt ist dabei in Großbuchstaben geschrieben.
Lindsey Graham
Foto: MICHAEL REYNOLDS / EPA
US-Senator Lindsey Graham geht noch einen Schritt weiter: Er fordert die Ermordung von Wladimir Putin. »Irgendwer in Russland« müsse jetzt aktiv werden »und diesen Typen aus dem Weg schaffen«, sagte der Republikaner im Sender Fox News. In einer Reihe von Tweets spann er den Gedanken anschließend weiter: »Die Einzigen, die das in Ordnung bringen können, sind die Russen«, schrieb er dort. »Gibt es einen Brutus in Russland?«
Für alle diese Ideen gilt: Nur weil Putin verrücktspielt und das Völkerrecht mit Füßen tritt, sollte der Westen jetzt nicht auch noch durchdrehen. Mordfantasien sind nicht hilfreich und auch den dritten Weltkrieg auszulösen, verspricht eher wenig Erfolg. Der einzige Weg aus dieser Misere bleibt eine kluge diplomatische Lösung.
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Nato-Chef Stoltenberg lobt Deutschland
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die von der Bundesregierung angekündigte Aufrüstung der Bundeswehr als »wichtiges Signal für die Einigkeit und Entschlossenheit der Nato« gelobt. Deutschland tätigte damit eine »bedeutende Investition in unsere gemeinsame Sicherheit«, sagte Stoltenberg dem SPIEGEL. Wenn der russische Präsident Wladimir Putin geglaubt habe, er könne die Nato spalten, »dann hat er sich geirrt. Die Nato ist geeinter denn je«, sagte Stoltenberg. Er ließ keinen Zweifel daran, dass die Nato kämpfen würde, sollte Putin seinen Feldzug über die Ukraine hinweg auf Nato-Territorium ausdehnen. »Wir werden jeden Zentimeter des Nato-Gebiets schützen«, sagte er.
Panzergrenadiere der Bundeswehr in Munster
Foto: Björn Trotzki / imago images/Björn Trotzki
Bundesinnenministerin Nancy Faeser will derweil als Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine die Cyberabwehr ausbauen. »Dabei müssen wir stärker über Gegenmaßnahmen bei Cyberangriffen nachdenken«, sagte die SPD-Politikerin dem SPIEGEL. Es gehe um »gezielte Maßnahmen, um Täter und Tatstrukturen auch im Ausland zu identifizieren, ihre Verschleierungsmaßnahmen, hinter denen sie glauben sicher zu sein, aufzudecken und die Durchführung von Angriffen zu verhindern«.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz warnt, als Reaktion auf die Sanktionen gegen Russland und die Waffenlieferungen in die Ukraine bestehe ein »erhöhtes Risiko von Cyberangriffen gegen deutsche Stellen«. Die russischen Dienste verfügten über Fähigkeiten, sowohl kritische Infrastruktur als auch militärische Einrichtungen und den politischen Betrieb »erheblich und nachhaltig zu sabotieren«, heißt es in einem internen Papier der Behörde, das dem SPIEGEL vorliegt.
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Gewinner des Tages …
…ist Elon Musk, der Chef des amerikanischen Elektroautoherstellers Tesla. Seine neue Autofabrik in Grünheide bei Berlin rückt dem Produktionsstart immer näher, nachdem das Umweltamt die letzte Genehmigung erteilt hat. Für deutsche Verhältnisse ging die Sache erstaunlich schnell, seit dem ersten Bauantrag für das Mammutprojekt sind »erst« etwas mehr als zwei Jahre vergangen. Dafür gibt es natürlich etliche Auflagen, der Bescheid der Behörde umfasst mehr als 500 Seiten, allein für die Luftreinhaltung gibt es 113 Bestimmungen, für den Trinkwasserschutz 96.
Elon Musk
Foto: MICHELE TANTUSSI / REUTERS
Dass sich Musk von der deutschen Bürokratie und den klagefreudigen Naturschutzverbänden trotzdem nicht von seinem Projekt hat abbringen lassen, ist ihm hoch anzurechnen.
Der Mann ist, bei allen persönlichen Macken, ein echter Visionär, wie es sie nur wenige gibt. Letztlich hat er auch Deutschlands Auto-Industrie einen großen Gefallen getan. Ohne den nachhaltigen Erfolg von Tesla, hätten Daimler, Volkswagen und Co. womöglich noch etliche Jahre gebraucht, um dem Trend zum Elektroauto mit Kraft zu folgen. Nun haben zum Glück auch sie die Zeichen der Zeit erkannt. Es gilt eben immer noch der alte Satz: Konkurrenz belebt das Geschäft.
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Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihr Roland Nelles