Es ist faszinierend, über wie viel Geld die Bundesregierung urplötzlich verfügt. Jahrelang war sie ja so chronisch knapp bei Kasse, dass auf vieles, was sinnvoll bis dringend nötig war, leider verzichtet werden musste: auf Investitionen in den Klimaschutz zum Beispiel, in erneuerbare Energien, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen etwa aus Russland rasch zu überwinden. Auf Investitionen in moderne Infrastruktur, egal ob Straßen, Brücken oder Glasfaserkabel. Auf bessere Schulen und Kitas. Auf eine bessere Bezahlung von Pflegekräften oder höhere Hartz-IV-Sätze. Und das sind nur ein paar spontane Beispiele. Eine vollständige Liste an nötigen Investitionen würde den Umfang dieser Kolumne sprengen.
Am vorigen Sonntag verkündete Bundeskanzler Scholz bei einer Sondersitzung des Bundestags aus Anlass des russischen Krieges in der Ukraine, dass die Bundeswehr 100 Milliarden Euro zusätzlich erhalten soll. Sie bekomme ein »Sondervermögen«, eine gewaltige Summe. Hat die Bundesrepublik Deutschland etwa im Lotto gewonnen? Und gleich millionenfach?
Im Parlament sprangen viele Abgeordnete begeistert von ihren Sitzen. Applaus von fast allen Seiten, auch von Grünen und Sozialdemokraten, die jahrelang mit guten Gründen gegen die Militarisierung Deutschlands und für Abrüstung und Rüstungskontrolle gewesen waren. Ein Hauch von Kaiser Wilhelm II. umwehte das Reichstagsgebäude. Man kannte keine Parteien mehr, man kannte nur noch die Bundeswehr.
Es war das Fukushima-Moment der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Aber diese überstürzte Impulspolitik, man könnte auch sagen Panikpolitik, ist selten hilfreich. Angela Merkel wollte bis zum Reaktorunfall in Fukushima die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängern. Danach wollte sie sie drastisch verkürzen. Dass sich an der Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke gar nichts geändert hatte, war egal. Und dass Wladimir Putins mörderischer Krieg gegen die Ukraine durch die Bundeswehr-Milliarden keinen Tag früher enden wird, ebenfalls.
AdvertisementImmerhin gibt es auch Profiteure der neuen deutschen Politik. Leider sind es nicht die vielzitierten Pflegekräfte, womöglich nicht mal die Soldatinnen und Soldaten, ganz sicher aber die Aktionäre von Rheinmetall. Der Kurs des Waffenherstellers sprang nach Olaf Scholz’ Förderprogramm für die Rüstungsindustrie um 50 Prozent in die Höhe. Herzlichen Glückwunsch!
Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Auch ich will, dass unsere Soldatinnen und Soldaten gut ausgestattet sind. Allerdings hat Deutschland mit aktuell über 50 Milliarden Dollar pro Jahr bereits jetzt den siebthöchsten Verteidigungsetat der Welt. Die Frage ist eher, wofür das gute Geld verplempert wurde – und warum die Bundeswehr nicht mit Geld umgehen kann. Vielleicht wäre eine Schulung in Sachen Haushaltsführung erst mal sinnvoller als ein Sondervermögen. Sonst sind auch die 100 Milliarden schnell futsch.