100 Milliarden zusätzlich für die Bundeswehr, eine dauerhafte Aufstockung des Wehretats, Kampfdrohnen – mit den jüngsten Ankündigungen von Bundeskanzler Olaf Scholz vollzieht die Regierung eine 180-Grad-Wende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik.
AdvertisementVor allem seine eigene Partei, die SPD, stellt Scholz damit vor gewaltige Herausforderungen: Schließlich gehörten Abrüstung und Entspannung bislang zur politischen DNA der Sozialdemokraten. Binnen kürzester Zeit drängt Scholz den Genossen eine tiefgreifende Kurskorrektur auf.
Doch zwei Tage nach Scholz’ historischer Rede im Bundestag zeigt sich: Zumindest ein Teil der SPD will dem Kanzler auf diesem Weg nicht folgen.
»Beispielloser Paradigmenwechsel«
»Wir lehnen das von Bundeskanzler Scholz am Sonntag vorgeschlagene Sondervermögen für Aufrüstung in Höhe von 100 Milliarden Euro und dauerhafte Rüstungsausgaben von über zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ab«, heißt es in einer für Mittwoch geplanten Erklärung der linken SPD-Gruppe »Forum Demokratische Linke« (DL21) und weiterer Organisationen innerhalb und außerhalb der Partei. Das Papier liegt dem SPIEGEL vor. Derzeit läuft noch die Suche nach weiteren Unterzeichnern.
»Das ist ein beispielloser Paradigmenwechsel, dem wir uns vehement entgegenstellen«, fahren die Verfasser fort. »Stattdessen sollte darüber diskutiert werden, wie wir den Menschen in der Ukraine schnellstmöglich helfen können.«
Die Bundeswehr sei nicht von einer Unterfinanzierung geplagt, sondern von strukturellen Problemen beim Management und der Beschaffung von Materialien. »Die Bundeswehr muss reformiert, nicht aufgerüstet werden«, heißt es in der Erklärung.
»Darüber hinaus sollten jegliche Ausgaben für die Bundeswehr über den Weg des Verteidigungshaushalts gehen, inklusive eines Parlamentsvorbehalts, nicht über einen Sonderfonds – und erst recht nicht über einen im Grundgesetz verankerten Sonderstatus für militärische Aufrüstung.«
Das Schreiben ist brisant. Die linke Gruppe DL21 hat in den vergangenen Jahren zwar an Einfluss in der SPD verloren, bringt sich nach einem personellen Umbruch aber wieder in Stellung. Aktuell zählen etwa 25 Bundestagsabgeordnete zu ihrem harten Kern. Allerdings ist offen, wie viele von ihnen die Erklärung mittragen, in der Breite soll sie nicht von Einzelpersonen unterzeichnet werden.
Juso-Chefin Jessica Rosenthal etwa gehört DL21 an, schloss am Dienstag aber höhere Investitionen in die Bundeswehr explizit nicht aus. Kevin Kühnert, ebenfalls DL21-Mitglied, verteidigte in seiner Rolle als SPD-Generalsekretär zuletzt sogar nach Kräften die neue Militärpolitik der Bundesregierung.
Es dürfe »keine militärische Aufrüstung auf Kosten von sozialen Leistungen geben«, schreiben die Verfasser der Erklärung weiter und drängen außerdem auf Investitionen in der Gesundheits- oder Klimapolitik. »Wir können es uns nicht leisten, die dafür dringend benötigten Ressourcen für Kriegsgerät auszugeben. Dies muss unsere gemeinsame Verantwortung sein, das sind wir nachfolgenden Generationen schuldig.«