Enthüllungen des SPIEGEL, nach denen Wolfgang Ischinger seinen Chefposten bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) zur eigenen Bereicherung nutzte, belasten den Auftakt der diesjährigen internationalen Tagung. Sie sei mit einem unguten Gefühl zu der Veranstaltung gefahren, sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Sara Nanni, dem »Handelsblatt«. »Das Forum darf durch die Aktivitäten des Botschafters nicht beschädigt werden.«
Der SPIEGEL hatte am Donnerstag über vertrauliche Dokumente berichtet, denen zufolge Ischinger über die von ihm mitgegründete Agora Strategy Group exklusive Hinterzimmertreffen auf der Konferenz organisierte. Laut den Unterlagen bot Agora der deutschen Rüstungsfirma Hensoldt an, wichtige Personen »aus dem Teilnehmerkreis der MSC« für die »Durchführung eines Side Events« auszuwählen. Mit »Side Events« sind Treffen in den Hinterzimmern der Konferenz gemeint. Agora wollte Hensoldt zudem bei Geschäften in Ländern wie Saudi-Arabien, Ägypten oder Libyen unterstützen.
Hensoldt stellt Verteidigungselektronik her, etwa Radare für Kampfflugzeuge oder Überwachungskameras für Drohnen. Für die Lobbyarbeit verlangte Agora im Erfolgsfall Provisionen. Ischinger hält über einen Treuhänder 30 Prozent der Anteile an Agora. Gleichzeitig ist er auch Aktionär bei Hensoldt und sitzt bei dem Konzern im Aufsichtsrat.
AdvertisementDie Organisation Greenpeace schreibt, seine Rolle als Chef der Sicherheitskonferenz habe Ischinger »den Status eines renommierten Ratgebers in der außen- und sicherheitspolitischen Debatte in Deutschland gegeben«. Sollte sich nun herausstellen, dass Ischinger »daraus offenbar persönliche geschäftliche Vorteile gezogen hat, ist das nicht nur moralisch ein Tiefschlag, sondern stellt die Neutralität seiner außenpolitischen Wortmeldungen insgesamt infrage«. Vor allem, dass sich Ischinger wiederholt für eine massive Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben ausgesprochen habe, erscheine »jetzt in völlig neuem Licht«.
Timo Lange von Lobbycontrol fordert, Ischinger solle sich »aus seiner Beratungsfirma vollständig zurückziehen«. Zudem solle er die Anteile an Hensoldt verkaufen. Die Enthüllungen verstärkten den Eindruck, dass die Sicherheitskonferenz nicht nur zum Austausch verschiedener Standpunkte diene, »sondern auch stark zum Geschäftemachen benutzt wird«.
Ischinger selbst wies die Vorwürfe gegen sich zurück. »Ich habe ein absolut reines Gewissen«, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.