Gregor Gysi plädiert dafür, Altkanzlerin Angela Merkel und Altkanzler Gerhard Schröder im Auftrag der Bundesregierung als Vermittler in der Sicherheitskrise in Osteuropa mit Russland verhandeln zu lassen. »Das, was auf einer Regierungsebene nicht zu schaffen ist, können eine Altkanzlerin und ein Altkanzler auf einer anderen Art und Weise vielleicht erreichen«, sagte der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion im SPIEGEL-Spitzengespräch mit Moderator Markus Feldenkirchen.
Dem widersprach allerdings die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die ebenfalls in der Sendung zu Gast war. Schröder sei »der größte Lobbyist unter der Sonne«. Angesichts der jüngsten Aussagen des Altkanzlers habe sie gedacht, sie sei in einer Comedyshow. Die Ukraine »derart proaktiv anzumachen« wie Schröder sei »an Peinlichkeit nicht zu überbieten«. Der Ex-Kanzler arbeitet für Unternehmen im russischen Energiesektor. Jüngst hatte er der Ukraine im Konflikt mit Russland »Säbelrasseln« vorgeworfen – das war auch SPD-intern auf Kritik gestoßen.
Strack-Zimmermann sprach sich auch gegen Merkel als Vermittlerin aus: die Altkanzlerin habe keine Macht mehr. Stattdessen lobte die FD-Politikerin den Auftritt des jetzigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) bei den Verhandlungen mit Wladimir Putin.
AdvertisementAuch beim Thema Nord Stream 2 gab es in der Sendung Meinungsverschiedenheiten zwischen Strack-Zimmermann und Gysi. Wenn Putin in die Ukraine einmarschiere, »dann ist das Ding tot«, sagte Strack-Zimmermann über die Gaspipeline. Diese sei ohnehin nie ein rein wirtschaftliches Projekt gewesen, sondern »eine Frage der Geostrategie«.
Gysi warf den USA Doppelmoral vor. Bei Nord Stream 2 seien die Vereinigten Staaten »immer dagegen« gewesen, dabei sei Russland »der zweitgrößte Exporteur von Erdöl in die USA«. US-Präsident Joe Biden »will, dass wir Nord Stream 2 dicht machen, aber es bleibt dabei, dass er das Erdöl aus Russland bezieht, selbst wenn die die Ukraine angreifen. Das geht nicht.«
Zu den aktuellen Entwicklungen an der russisch-ukrainischen Grenze sagte Gysi, er glaube weiterhin nicht an einen Einmarsch Russlands in die Ukraine: »Der Schaden wäre zu groß.« Strack-Zimmermann wies darauf hin, dass man die aktuellen Informationen zu möglichen Abzügen russischer Einheiten nicht überbewerten solle: »Die Informationen, die wir haben, sagen das Gegenteil.« Die FDP-Politikerin sagte, Putin wolle die Geschichte zurückdrehen. Gysi erwiderte, der Westen sei auf Putins Angebote der umfassenden Zusammenarbeit seit dessen Auftritt vor dem Bundestag im Jahr 2001 nicht eingegangen, »und zwar wegen einer bestimmten Arroganz«.