Quadratmeter-Preise von 8000, 10.000 oder gar 12.000 Euro sind in deutschen Großstädten inzwischen an der Tagesordnung. Der schnelle Anstieg, der zuletzt noch stärker als die Inflation ausfiel, besorgt den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB).
Angesichts der Gefahr von Überbewertungen am Immobilienmarkt empfiehlt der Risikorat der EU strengere Vorschriften. Es gebe einen Anstieg der Häuserpreise auf breiter Front – sowohl in Städten als auch in ländlichen Gegenden. Schätzungen deuteten auf eine »hohe und wachsende Überbewertung« in Deutschland hin.
In seinem Bericht sprach der Risikorat von
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starkem Preisanstieg,
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Zeichen sich lockernder Kreditvergabestandards
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und fehlenden Daten zu Immobiliendarlehen.
Das Risiko für Deutschland stufte er als mittel ein. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen seien nur »teilweise angemessen und teilweise ausreichend«. Die Überbewertung bezifferte er nun auf 19 bis 23 Prozent im ersten Quartal 2021.
Seine Empfehlungen schickte der ESRB an die zuständigen Ministerien, die Verwundbarkeiten seien bisher nicht ausreichend adressiert worden. Offizielle Warnungen sprach er jedoch nicht aus, 2019 hatten Deutschland und 2016 Österreich jedoch bereits Warnschreiben erhalten. Aktuelle Warnungen sprach der Rat für Bulgarien, Kroatien, Ungarn, Liechtenstein und die Slowakei aus.
Obergrenze für Höhe der Immobilienkredite gefordert
Grundlage ist eine Untersuchung der mittelfristigen Anfälligkeit der Wohnimmobilienmärkte im Europäischen Wirtschaftsraum. Analysiert wurden alle EU-Staaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen. Das Ergebnis zeige, dass Risiken für die Finanzstabilität aus dem Immobilienmarkt in einigen Staaten gewachsen seien. Meist seien die Häuserpreise und Überbewertungen gestiegen, während die Verschuldung der Haushalte in einigen Ländern zunehme.
Die Risikowächter schlagen für Deutschland insbesondere vor, auf die Kreditnehmer zielende Maßnahmen einzuführen. Dabei haben sie vor allem die in der Immobilienfinanzierung wichtige LTV-Quote (»loan to value«) im Blick. Diese gibt das Verhältnis der Kredithöhe zum Immobilienwert wieder. Je höher die Quote ausfällt, umso größer ist das Risiko, dass der Kreditnehmer das Darlehen nicht bedienen kann. Die deutschen Behörden sollten zügig eine Obergrenze für die LTV-Quote einführen, empfahlen die Risikowächter.
Die Finanzaufsicht Bafin hatte im Januar Banken und Versicherer ermahnt, bei der Neukreditvergabe besonders vorsichtig zu sein. Finanzierungen mit hohem LTV sollten restriktiv behandelt werden. Kreditnehmer sollten jederzeit in der Lage sein, ihre Zins- und Tilgungszahlungen aufbringen zu können.
Größere Kapitalpolster
Aus Sicht des ESRB sollte die Einführung einer Obergrenze für die LTV-Quote bei Immobilienfinanzierungen zudem flankiert werden von kapitalbasierten Maßnahmen, um die Widerstandsfähigkeit der Kreditinstitute zu stärken. Daneben sollten Geldhäuser mehr Krisenpolster bilden – den sogenannten antizyklischen Kapitalpuffer – und zusätzlich noch einen Systemrisikopuffer für Immobilienkredite schaffen.
In Deutschland hat die Finanzaufsicht Bafin vor Kurzem den antizyklischen Kapitalpuffer auf 0,75 Prozent von null angehoben. Zudem Systemrisikopuffer für Immobilienkredite von zwei Prozent eingeführt werden. Auch die Bundesbank warnt seit Langem vor Überbewertungen von 10 bis 30 Prozent bei Wohnimmobilien in Deutschland.
Der Preisanstieg bei Wohnungen und Häusern hat sich zuletzt noch beschleunigt. Im dritten Quartal 2021 verteuerten sich Immobilien laut Statistischem Bundesamt im Schnitt um zwölf Prozent zum Vorjahresquartal. Es war der größte Preisanstieg seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000
Der Immobilienmarkt kann einen starken Einfluss auf das Finanzsystem haben: Banken können ins Wanken geraten, wenn Immobilienkredite wie in der globalen Finanzkrise in großem Stil ausfallen.