Anders als dargestellt hat Altkanzler Gerhard Schröder offenbar doch größeren Einfluss auf den Russland-Kurs der SPD und der Bundesregierung. Das legt nach SPIEGEL-Informationen ein Treffen mehrerer prominenter Sozialdemokraten mit Schröder nahe.
Bei dem Gespräch über Russland am 5. Januar in Hannover war demnach nicht nur der SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Russlandbeauftragte Johann Saathoff anwesend. Dabei waren auch Martin Schulz, Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung, Ex-SPD-Chef Matthias Platzeck sowie Heino Wiese, Geschäftsmann, Honorarkonsul Russlands und enger Vertrauter von Schröder.
»Die Initiative zu dem Treffen ging von mir als Parlamentarier aus und das Treffen fand in Hannover statt«, sagt Saathoff dem SPIEGEL. Das umstrittene Pipeline-Projekt Nord Stream 2 »war nach meiner Erinnerung kein Thema«. Ihm sei es »um die Entwicklungen in der Zivilgesellschaft in Russland« gegangen, so Saathoff. Über eine Begegnung zwischen Saathoff und dem Altkanzler hatte zunächst der »Tagesspiegel« berichtet.
AdvertisementSchröders Äußerungen zum Ukraine-Konflikt und sein verstärktes Engagement als russischer Gaslobbyist hatten in den vergangenen Wochen in der SPD für erhebliche Diskussionen gesorgt. Der frühere Parteichef soll im Juni in den Aufsichtsrat des Gaskonzerns Gazprom aufrücken. Zugleich kritisierte er die Ukraine im Konflikt mit Russland scharf.
Für die SPD und Bundeskanzler Scholz ist die Begegnung in Hannover heikel. Sie widerspricht der Darstellung, wonach Schröder weitgehend isoliert agiere und weder mit der Politik der Parteiführung noch mit dem Kurs der Bundesregierung etwas zu tun habe.
Sowohl Saathoff als auch Schulz nahmen vergangene Woche an einem von Parteichef Lars Klingbeil organisierten Russland-Treffen der SPD teil. Saathoff arbeitet zudem als Staatssekretär im Innenministerium für die Bundesregierung.
Die Opposition will den Fall nun aufklären. »Es ist ein fatales Signal, wenn sich die Bundesregierung unmittelbar vor den Antrittsbesuchen in Kiew und Moskau von Gerhard Schröder beraten lässt«, sagte Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, dem SPIEGEL.
»Es entsteht der Eindruck, dass Schröder in der Russland-Frage für nicht unerhebliche Teile der Partei spricht und sie in erheblichem Maße beeinflusst«, so der CDU-Politiker. »Es wird höchste Zeit, dass Bundeskanzler Scholz angesichts dieser unanständigen Verquickung von Politik und Lobbyismus Konsequenzen zieht und sich klar distanziert.«