Die Impfpflicht im Gesundheitswesen wird als Testlauf für eine allgemeine Impfpflicht gewertet. Nach der Ankündigung von Markus Söder, dass Bayern diese ab dem 15. März geltende einrichtungsbezogene Regelung aussetzen werde, hofft Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass die CSU sich noch der Regierungslinie beugt. »Wir können das Land Bayern kaum zwingen, sich an die Absprachen zu halten«, sagte Lauterbach am Dienstagabend im ZDF. Er hoffe, dass dies auch nicht notwendig werde und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) noch einlenke.
»Wir haben ja bisher immer gut zusammengearbeitet und hier geht es um den Schutz derjenigen, die besonders gefährdet sind: ältere Menschen in Pflegeeinrichtungen, kranke Menschen in Krankenhäusern.« Söder hatte am Montag überraschend angekündigt, die ab Mitte März greifende Impfpflicht in Pflegeheimen und Gesundheitseinrichtungen vorerst nicht anzuwenden.
Unterstützung für Söder aus dem Saarland
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat die Forderung bekräftigt, den Vollzug des Gesetzes bundesweit auszusetzen. Hans warnte in den ARD-»Tagesthemen« am Dienstagabend vor einem »unverantwortlichen Verschiebebahnhof der Pflegekräfte, die dann in anderen Ländern möglicherweise arbeiten«. Damit sei den zu schützenden Personen nicht geholfen.
AdvertisementDer CDU-Politiker verwies darauf, dass sich seit der Zustimmung seiner Partei zu dem Gesetz im Dezember einiges verändert habe. Die Omikron-Variante betreffe nun auch dreifach geimpfte Menschen. Dadurch sei die »Fremdschutzwirkung nicht mehr so gegeben«, wie es bei der Delta-Variante gewesen sei. Dies müsse berücksichtigt werden, weil das »höchst anfällig ist, auch Klagen nicht standzuhalten«, fügte Hans hinzu.
Außerdem sei die CDU bei ihrer Zustimmung zu dem Gesetz davon ausgegangen, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht »der Auftakt zu einer allgemeinen Impfpflicht« sei. »Die allgemeine Impfpflicht ist aber in weite Ferne gerückt«, sagte der saarländische Ministerpräsident.
Nach Söders Ankündigung am Montag hatte CDU-Chef Friedrich Merz die Bundesregierung im Namen seiner Partei aufgefordert, den Vollzug der Impfpflicht wegen vieler noch ungeklärter Fragen auszusetzen.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Tino Sorge, nannte die Maßnahme »im Moment kaum umsetzbar«. Allerdings will etwa der schleswig-holsteinische Regierungschef Daniel Günther (CDU) in seinem Bundesland die Impfpflicht wie geplant zum 15. März umsetzen. Bundesgesundheitsminister Lauterbach pocht auf Vollzug durch die Länder.
Das Gesetz zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht sieht vor, dass ab dem 15. März Beschäftigte von Einrichtungen wie Kliniken, Arztpraxen sowie Alten- und Pflegeheimen eine vollständige Impfung gegen das Coronavirus nachweisen müssen. Die Umsetzung der bundesgesetzlichen Regelung wurde den Ländern überlassen.
Allgemeine Impfpflicht: Grünenchef Nouripour wirft Union fehlende Sachorientierung vor
Die Bevölkerung ist einer Umfrage zufolge geteilter Meinung, ob die ab Mitte März greifende Impfpflicht für Personal von Kliniken und Pflegeheimen ausgesetzt werden soll. Rund 46 Prozent bewerteten eine bundesweite Aussetzung in der Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov als sehr oder eher unangemessen. Etwas weniger, nämlich 41 Prozent, halten eine solche Aussetzung laut der am Mittwoch veröffentlichten Umfrage für sehr oder eher angemessen. Der Rest machte keine Angabe.
Der Grünenvorsitzende Omid Nouripour hat der Union vorgeworfen, im Streit über den Weg zu einer allgemeinen Coronaimpfpflicht rein parteipolitisch und nicht sachorientiert zu agieren. Es sei irritierend, dass CDU und CSU bei diesem so wichtigen Thema »ihre Oppositionsrolle schärfen« müsse, sagte er am Mittwoch im ZDF-»Morgenmagazin«. Die Menschen erwarteten aber Lösungen. Das werde nur funktionieren, wenn die Parteien zusammenarbeiteten.
Seit kurzem Co-Vorsitzender der Grünen: Omid Nouripour
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Die Bundestagsabgeordneten sollen nach dem Willen der Koalition von SPD, Grünen und FDP unabhängig von Fraktionsdisziplin über mehrere parteiübergreifende Gruppenanträge abstimmen, voraussichtlich im März. Die Union pocht dagegen darauf, dass die Regierung einen eigenen Entwurf vorlegt. Es gibt drei Anträge unterschiedlicher Abgeordnetengruppen: einen für eine Impfpflicht ab 18 Jahren, den auch Nouripour unterstützt, einen für eine Pflichtberatung und bei unzureichender Impfquote eine Impfpflicht ab 50 Jahren und einen gegen eine Impfpflicht.
Zur Bekämpfung der derzeitigen extremen Coronawelle käme die allgemeine Impfpflicht zu spät. Nach einer erwarteten Entspannung im Frühjahr und Sommer wird aber für den Herbst mit einem erneuten Anstieg der Infektionszahlen gerechnet. Es gehe darum, einer übernächsten Coronawelle entgegenzuwirken, erklärte Grünenchef Nouripour.