Es mache den Anschein, dass die Proteste gegen die Impfpflicht wichtiger seien als der Schutz der vulnerablen Gruppen, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf der wöchentlichen Pressekonferenz zur Corona-Lage. »Es geht bei dieser Maßnahme nicht darum, dass wir das Leben der Pflegekräfte erschweren wollen«, so Lauterbach. Es gehe darum, die den Pflegekräften anvertrauten Menschen zu schützen. »Denn dort sind leider viele Menschen gestorben.«
AdvertisementLauterbach kritisierte den Alleingang des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) scharf. Dieser hatte angekündigt, die beschlossene Impfpflicht für medizinisches Personal in Bayern zunächst auszusetzen.
Falsches Signal an die Bevölkerung
»Es ist nicht vertretbar, dass medizinisches Personal nicht an die Impfung glaubt«, sagte Lauterbach. »Als Arzt muss man schon zu der Medizin stehen, die man auch bei denjenigen anwendet, die einem anvertraut sind. Die Botschaft, die dadurch entsteht, ist schwer zu vermitteln.« Das Signal, das dadurch an die Bevölkerung gesendet würde, sei falsch.
»Wir verlangen seit vielen Monaten, dass die Menschen sich einschränken, gehen dabei in viele Bereiche und erwarten, dass die Bevölkerung mitmacht«, so Lauterbach. Nun erwecke der Vorstoß Söders, das würde für die Ministerpräsidenten nicht gelten.
»Ich bin damit nicht glücklich und hoffe, dass wir da noch zu einer Lösung kommen werden«, sagte Lauterbach.
Bisher habe Lauterbach noch nicht persönlich mit Söder gesprochen. »Ich schließe das aber nicht aus, wir haben sonst eigentlich einen guten Kontakt«, sagte er.
Das Gesundheitsministerium werde versuchen, die Länder bei der Umsetzung bestmöglich zu unterstützen. Es müsse aber auch ein Wille da sein, das Gesetz umzusetzen. »Man muss das jetzt nicht darauf schieben, dass es an der Umsetzung hakt«, sagte Lauterbach. »Wir können mit allem helfen, aber konkrete Anfragen habe ich aus Bayern nicht gesehen, es macht den Anschein, dass das Gesetz nicht befolgt werden will.«
FDP-Kritik an Wieler
Lauterbach ging auch auf die Angriffe aus FDP-Reihen auf den Chef des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, ein. »Herr Wieler hat mein vollstes Vertrauen, die FDP lasse ich unkommentiert, wichtig ist, dass wir gut zusammenarbeiten«, sagte er. Auch andere Regierungsmitglieder hätten Wieler ihr Vertrauen ausgesprochen.
Mehrere FDP-Politiker waren in der vergangenen Woche auf Distanz zu Lothar Wieler gegangen und hatten dem RKI mangelnde Kommunikationsfähigkeit vorgeworfen. Kritisiert wurde vor allem die Verkürzung der Genesenenfrist von sechs auf drei Monate.
Wieler selbst reagierte mit Humor auf die Kritik und die Frage nach der Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium: »Ich habe heute Geburtstag, was könnte es Schöneres geben, als meinen 61. Geburtstag heute mit Ihnen zu verbringen, wo wir uns doch so ans Herz gewachsen sind.«
»Die Lage ist noch nicht wirklich unter Kontrolle«
Zur aktuellen Diskussion um baldige Lockerungen der Coronamaßnahmen sagte Lauterbach: »Die Lage ist noch nicht wirklich unter Kontrolle. Wir erwarten den Höhepunkt nach wie vor Mitte Februar, durch die Omikron-Variante BA.2 könnte sich das sogar noch ein wenig verzögern.« Öffnungen kommen aus Sicht des Gesundheitsministers zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht infrage. »Damit würden wir die Welle deutlich verlängern«, warnte er. »Das kann nicht das Ziel sein und würde auch in der Bevölkerung nicht als Erfolg begriffen werden.«
Die aktuellen Maßnahmen zeigten ihre Wirkung, doch die Bekämpfung der Omikron-Welle sei schwierig in Deutschland. »Wir haben eine sehr alte Bevölkerung und eine große Impflücke bei den Älteren«, sagte Lauterbach. »Wir sind noch immer gefährdet.«
Wieler fügte hinzu, dass man erst jetzt sehe, wie hoch die Krankheitslast durch Omikron sei. Derzeit erlebe man einen Rebound, die Zahlen auf den Intensivstationen gingen wieder hoch. Dennoch sei man »bislang vergleichsweise gut durch diesen Sturm gesteuert«.
Er rechne mit einer Entspannung der Omikron-Welle in »wenigen Wochen«. Danach könnten Coronaeinschränkungen wegfallen. Wie genau, müsse die Politik entscheiden.
»Tatsächlich stehen wir vor einem Wendepunkt. Diese Phase der Pandemie ist ganz anders als vor zwei Jahren«, sagte Wieler. Man kenne das Virus besser, große Teile der Bevölkerung hätten eine Grundimmunität, und man kenne die wirksamen Maßnahmen.