Aus allen demokratischen Parteien gab es bisher deutliche Kritik an den jüngsten Äußerungen des Altkanzlers zur Ukrainekrise und sein verstärktes Engagement als russischer Gaslobbyist – außer von den Linken. Nun findet auch deren Vorsitzende, Susanne Hennig-Wellsow, deutliche Worte.
»Für Schröder gilt, aber das ist nichts Neues: einmal der Genosse der Bosse, immer der Genosse der Bosse«, sagte Hennig-Wellsow dem SPIEGEL zu der Frage, was sie von Schröders Engagement hält. Man sollte einmal eine »alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerin« fragen, was sie über Schröder denke, so die Linkenchefin.
Der russische Energieriese Gazprom hatte kürzlich mitgeteilt, dass Schröder für den Aufsichtsrat des Staatskonzerns nominiert worden ist. Die Hauptversammlung ist für den 30. Juni geplant. Schröder ist mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin befreundet und behauptete jüngst, die Ukraine betreibe im Konflikt mit Russland »Säbelrasseln«. Auch aus der Linken gab es ähnliche Stimmen.
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Schröder ist bereits Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Nord Stream AG und Präsident des Verwaltungsrats bei der Nord Stream 2 AG. Beide Gasleitungen unter der Ostsee verbinden Russland und Deutschland. Außerdem arbeitet Schröder als Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Energiekonzern Rosneft. Die russische Tageszeitung »Kommersant« berichtete 2020, Schröder erhalte für seine Tätigkeit eine Entschädigung in Höhe von 600.000 Euro.
Die Linke, die Schröder wegen der Agenda 2010 immer wieder deutlich kritisiert hat, blieb bei seinem Engagement als Lobbyist erstaunlich ruhig. An einem Teil der Linken-Bundestagsfraktion wird immer wieder kritisiert, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gegenüber zu unkritisch zu sein.
Erst in der vergangenen Woche hatte der Ex-Linken-Abgeordnete Dieter Dehm im russischen Propagandasender RT Putin als einzigartige Persönlichkeit bezeichnet, der kein westlicher Staatsmann das Wasser reichen könne. Kein anderer Politiker bemühe sich zurzeit um mehr Deeskalation im Ukrainekonflikt, so Dehm.
Es gebe niemanden, der die Größe hätte, Putin im Amt des russischen Präsidenten zu folgen. Hennig-Wellsow wird einem anderen Lager bei den Linken zugerechnet und stellt auch die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 infrage.
Zuletzt waren auch vermehrt Sozialdemokraten auf Distanz zu Schröder gegangen. »Es ist völlig unterirdisch, wie sich Gerhard Schröder verhält«, sagte etwa der Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff. Überdies mehren sich die Stimmen, Schröder sein Altkanzlerbüro im Bundestag zu entziehen.