Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sieht nach Beratungen mit Kremlchef Wladimir Putin in Moskau Möglichkeiten zu einer diplomatischen Lösung der aktuellen Spannungen in Europa. »Ich bin sicher, dass wir ein Ergebnis bekommen werden«, sagte Macron. »Auch wenn es nicht einfach ist.«
AdvertisementIn der Ukrainekrise müsse der Friedensplan für den Donbass »strikt und komplett« umgesetzt werden, sagte Macron am Dienstag (Ortszeit) nach fast sechsstündigen Gesprächen mit dem russischen Präsidenten. Dies erfordere auch Schritte von der Ukraine. Der Konflikt müsse geklärt werden, damit die Europäische Union und Russland ihre Beziehungen verbessern könnten. »Unsere Pflicht ist, weiter zusammenzuarbeiten«, sagte Macron.
Um Frieden und Sicherheit in Europa zu garantieren, könnten auf dem Fundament bestehender Vereinbarungen neue und innovative Lösungen für »konkrete Sicherheitsgarantien« geschaffen werden, sagte Macron. Trotz unterschiedlicher Sichtweisen und Interpretationen der Vergangenheit gebe es Schnittmengen zwischen Russland und Frankreich, etwa bei der Schaffung von Transparenz über die Präsenz von Truppen und Waffensystemen.
Putin lobt Macron
Nach dem Treffen im Kreml machte Macron deutlich, dass er von Putin viele Antworten auf seine Fragen bekommen habe, die er nun weiter tragen wolle – an diesem Dienstag zuerst nach Kiew zum Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Danach trifft Macron in Berlin Kanzler Olaf Scholz nach dessen Rückkehr aus den USA.
Die nächsten Tage seien entscheidend für die Sicherheit in Europa, sagte Macron.
Putin wiederum erklärte, die Unterredung mit Macron sei nützlich, substanziell und sachlich gewesen. Er lobte, dass sein Gast einige Vorschläge mitgebracht habe, die Russland mittragen würde. Bevor aber die Öffentlichkeit davon erfährt, will Macron erst mit Selenskyj und mit den westlichen Partnern sprechen – und dann erneut mit Putin telefonieren.
Macron und Putin bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz in Moskau
Foto: POOL / REUTERS
Macron und Putin zeigten sich nach ihrem Treffen sichtlich entspannt. Es gab aber auch kritische Töne. So beklagte Macron beispielsweise, dass Russland 125.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine stationiert habe. Dadurch fühle sich Russlands Nachbar bedroht. Putin wiederum beklagte, dass auf ukrainischer Seite eine gleiche Zahl an Soldaten stehe. Schon zweimal habe das Land versucht, die abtrünnigen Gebiete im Donbass mit Gewalt zurückzuholen.
Putin kritisierte erneut, die Nato, die USA und der Westen nähmen Russlands Sorgen um die eigene Sicherheit nicht ernst. Und er machte deutlich, dass die Nato und US-Waffen an den Grenzen Russlands eine Gefahr seien. Zudem betonte er einmal mehr, dass Moskau eine Aufnahme der Ukraine in die Nato nicht widerstandslos hinnehmen würde – weil dann ein Krieg um die Schwarzmeer-Halbinsel Krim drohe.
Putin hatte zuletzt immer wieder vor einer Aufnahme der Ukraine in die Nato gewarnt. Er wies zurück, dass die Allianz ein friedliches Verteidigungsbündnis sei. Als Beispiele nannte er die Nato-Einsätze im Irak, in Afghanistan und gegen Belgrad.
Putin hatte Macron zuvor zur Umsetzung des Friedensplans für den Donbass aufgefordert. Die Minsker Vereinbarungen würden bisher von der ukrainischen Führung ignoriert, sagte Putin. Nötig sei ein Dialog Kiews mit den Führungen der abtrünnigen Regionen Luhansk und Donezk. »Aus meiner Sicht ist offensichtlich, dass die heutigen Machthaber in Kiew auf eine Demontage der Minsker Vereinbarungen Kurs genommen haben«, sagte Putin. Er bat Macron, diese Punkte am Dienstag bei seinem Treffen mit Selenskyj in Kiew anzusprechen.
Der Friedensplan, der 2015 mit Beteiligung Deutschlands und Frankreichs in der belarussischen Hauptstadt Minsk vereinbart wurde, liegt auf Eis. Die Ukraine und Russland werfen sich gegenseitig vor, dagegen zu verstoßen.
Gespräch soll zum Abbau der Spannungen beitragen
Im Westen wird angesichts von Berichten über den Aufmarsch von mehr als 100.000 russischen Soldaten im Grenzgebiet zur Ukraine befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch ins Nachbarland plant. Moskau bestreitet das. Für möglich wird auch gehalten, dass die russische Seite Ängste schüren will, um die Nato zu Zugeständnissen bei Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen.
Macrons intensiver Vermittlungseinsatz in der Krise fällt in den Start der heißen Phase des Präsidentenwahlkampfs in Frankreich. Noch hat Macron seine erwartete Kandidatur für eine zweite Amtszeit zwar nicht erklärt. Aber der Besuch als Krisenmanager in Moskau dürfte nicht schaden.
Fast zeitgleich mit dem Gespräch von Putin und Macron trafen sich in Washington US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Scholz. Dabei sagte Biden in Richtung Russland, dass ein Einmarsch in die Ukraine das Aus der umstrittenen deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 bedeuten würde (mehr zum Treffen von Scholz und Biden können Sie in dieser Meldung lesen).
Macron und Putin hatten in den vergangenen Tagen bereits drei Krisengespräche am Telefon geführt. Frankreich hat derzeit die Ratspräsidentschaft in der EU inne. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wiederum war am Montag zu Gesprächen in Kiew.