Da ist natürlich Kevin Kühnert, 32 Jahre, Generalsekretär. Da ist Jessica Rosenthal, 29, Bundesvorsitzende der Jusos. Oder Verena Hubertz, die neue Vizechefin der Fraktion, 34 Jahre alt. Keine Frage, der SPD-Nachwuchs ist prominent im Bundestag vertreten.
AdvertisementDoch nicht nur das: 49 junge Abgeordnete zählt die neue Fraktion der Sozialdemokraten, die aktuell noch Jusos sind oder es zumindest zum Zeitpunkt ihrer Nominierung waren. Die Gruppe ist damit so schlagkräftig wie lange nicht. Das machte sich bereits bei der Besetzung wichtiger Ämter bemerkbar. Nach SPIEGEL-Informationen wollen die jungen Genossinnen und Genossen daraus nun dauerhaft machtpolitisches Kapital schlagen.
Am 15. Februar wollen sich die Juso-Abgeordneten formal zu einem neuen Netzwerk im Bundestag zusammenschließen – offen für alle SPD-Fraktionsmitglieder, die bei ihrer Aufstellung unter 35 Jahre alt waren. Ein »Selbstverständnispapier«, gewissermaßen der Gründungsaufruf für die Gruppe, liegt dem SPIEGEL vor. Der Text wurde von einigen Genossen in einer Redaktionsgruppe erstellt.
Darin untermauern die jungen Abgeordneten ihren Machtanspruch: »Wir wollen die Chance nutzen, dass wir so zahlreich im Parlament vertreten sind, mit unserer Politik sichtbar sein und uns wechselseitig unterstützen.«
»Für Sichtbarkeit der SPD«
Im Zweifel könnten sie damit auch für die Ampelkoalition ungemütlich werden. Zahlenmäßig sind die Jusos im Bundestag so stark vertreten, dass sie in der Lage wären, Regierungsprojekte zu torpedieren. Und aus ihrer grundsätzlichen Bereitschaft zum Konfrontationskurs machen die Jusos keinen Hehl.
Zwar unterstütze man die Arbeit der Koalition konstruktiv, heißt es in dem Papier. Man habe sich aber bereits in der Vergangenheit »für die programmatische Klarheit der SPD eingesetzt«. Auch in Zukunft stehe man »für die Sichtbarkeit der SPD jenseits ihrer Rolle als Koalitionspartner:in«.
Droht damit Kanzler Olaf Scholz Ungemach von einer einflussreichen linken Kühnert-Truppe? Bereits zu Beginn der Legislatur hatte insbesondere die Konkurrenz die jungen Genossen als homogenen Hardliner-Block dargestellt, von dessen Zustimmung der Bundeskanzler abhängig sei.
»Es sind 49 Jusos in der neuen #SPD-Fraktion, das ist die Sperrminorität der neuen Regierung«, twitterte etwa der heutige CDU-Chef Friedrich Merz Ende vergangenen Jahres.
Nicht nur Parteilinke
Tatsächlich zählen etliche Jusos zum linken Flügel der SPD – auch Kühnert oder Juso-Chefin Rosenthal, die die Formation der neuen Gruppe vorangetrieben hat.
Allerdings sind unter den künftigen Mitgliedern des Netzwerks wohl längst nicht nur Parteilinke. Einige junge Abgeordnete haben sich etwa dem vergleichsweise konservativen und pragmatischen Seeheimer Kreis angeschlossen. Das merkt man auch dem Gründungspapier an. Um ein linkes Manifest handelt es sich dabei jedenfalls nicht.
Stattdessen betonen die Genossen ihre Unterschiedlichkeit. »Mit unseren unterschiedlichen Sichtweisen, Biografien und Wahlkreisen, in Stadt und Land, Metropolen und strukturschwachen Regionen bringen wir vielfältige Perspektiven in die gemeinsame strömungsübergreifende Debatte ein«, heißt es da etwa.
Ziel sei es unter anderem, »Themen unserer Generation« herauszugreifen. Explizit nennen die Nachwuchs-Genossen diese Bereiche: Aufstiegschancen durch Bildung und Arbeit, flächendeckende gute Daseinsvorsorge, öffentliche Investitionen, europäische Integration und Klimaschutz.
Einen Schwerpunkt wolle man zudem auf die Kommunikationsarbeit legen, heißt es, »um Politik für junge Menschen verständlich und nachvollziehbar« zu machen. Die SPD solle bei künftigen Wahlen wieder stärkste Kraft bei jungen Wählern werden.
In den kommenden Tagen entscheidet sich, wie viele der 49 Abgeordneten bei dem Netzwerk tatsächlich mitmachen. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass sich mindestens ein großer Teil beteiligen wird. Die neue Gruppe will sich künftig einmal im Monat treffen, zweimal jährlich ist zudem eine Klausur geplant. Die Koordination des Netzwerks übernimmt eine Steuerungsgruppe, der vier bis sechs Personen angehören sollen.