Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,
heute geht es um das Platinjubiläum von Queen Elizabeth. Um einen Altbundeskanzler mit einem weiteren delikaten Arbeitsangebot. Und um die gemeinsame Weltsicht der Präsidenten Russlands und Chinas.
Job 1: Die Queen kann nie in Rente gehen
Am Sonntag wird es 70 Jahre her sein, dass Queen Elizabeth II. mit dem Tod ihres Vaters Königin wurde – sie ist jetzt 95 Jahre alt, und hat als einer der wenigen Menschen in einem hoch industrialisierten Land offensichtlich a) keinen Anspruch auf Ruhestand und b) muss immer das machen, was andere von ihr erwarten.
Queen Elizabeth im Juni 2021
Foto: Chris Jackson / AP
Königin zu sein klingt wie einer der unmöglichsten Jobs. Man stelle sich einmal die Stellenausschreibung vor:
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Die ganze Welt wird Sie kennen, das ja, aber man wird sich über Ihre Hüte und Ihre Söhne lustig machen (letzteres womöglich zurecht)
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Sie sind dazu angehalten, Ihre Meinung niemals zu sagen; niemals das, was Sie wirklich denken
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Ihr Reich geht langsam den Bach runter, alle ehemals Beherrschten machen sich unabhängig
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Sie werden sehr beliebt sein, einfach dafür, dass Sie da sind; doch Macht, etwas zu entscheiden, haben Sie nicht.
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Sie müssen alberne Familienfotos zu Weihnachten verschicken
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Weiterentwicklungsmöglichkeiten auf dem Posten bestehen eher nicht.
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Kündigen ist nicht vorgesehen
Wer würde diesen Job annehmen, wenn er oder sie wirklich eine Wahl hätte? Gewerkschaften würden Sturm laufen, wenn sie eine solche Ausschreibung sehen würden. Elizabeth jedenfalls hatte nicht so richtig eine Wahl, und nun erduldet sie, zumindest wirkt sie auf mich als Nicht-Monarchie-Expertin so, seit 70 Jahren würdevoll die Weltgeschichte, von der sie ein nicht unwesentlicher Teil ist.
Häufiger habe ich jetzt gelesen, dass die Queen so gar kein Rebellentum an den Tag gelegt haben soll. Dann habe ich in einem der zahlreichen Artikel, die dieser Tage erschienen sind, aufgeschnappt, dass ihr Mann Philip seine Offizierskarriere beenden musste, als er sie geheiratet hat. Oft hat man ihn gesehen, wie er ein paar Schritte hinter der Queen lief, ihre Tasche trug. Rebellisch war die Queen vielleicht nicht – und damit ziemlich erfolgreich, kaum jemand will die Monarchie abgeschafft sehen. Aber die Geschlechterrollen scheint sie ganz gut durcheinandergewirbelt zu haben, zumindest in ihrem eigenen Leben, zu ihrer Zeit.
Sie ist die beliebteste unter den Royals – mein Kollege Jörg Schindler hat im aktuellen Heft eine Vermutung, warum das so sein könnte: »Wann immer das nicht mehr übermäßig vereinigte Königreich in schwere See geriet – und das tat es gerade in den vergangenen zehn Jahren oft –, beruhigte die Menschen ein Blick auf den Buckingham Palast und seine Dauerbewohnerin, die auch nach dem Sturm noch da sein würde.«
Wahrscheinlich wird die Dauerbewohnerin am Ende noch selbst beherzt das Licht ausmachen.
Job 2: Gazprom-Gerd
Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) kann offensichtlich nicht genug vom russischen Gas kriegen: Nun hat ihn der russische Staatskonzern Gazprom, eng verbandelt mit dem Kreml und Hauptsponsor von Schalke 04, für den Aufsichtsrat nominiert – als einzigen ausländischen Kandidaten.
Gaslobbyist Gerhard Schröder
Foto: Christoph Soeder / picture alliance/dpa
Die Liste seiner Tätigkeiten im Dienst des russischen Gases kann sich sehen lassen: seit 2017 Aufsichtsratsvorsitzender des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft, zuletzt Anfang Juni 2021 in dieser Position wiedergewählt worden; kurz nach seinem Ausscheiden als Bundeskanzler wurde er für Gazprom tätig, erst im Vorstand der Nord Stream AG, dann auch als Vorstandschef der Nord Stream 2 AG.
Bei so vielen, sagen wir, privatwirtschaftlichen Projekten, bleibt natürlich nicht viel Zeit für Hobbys wie beispielsweise Instagram, so als Gasfluencer. Obwohl, offensichtlich doch.
Inmitten einer der schwersten sicherheitspolitischen Krisen, die mit der Truppenmassierung Russlands an der Grenze der Ukraine ausgelöst wurde, ist eine (weitere) Tätigkeit für einen russischen Staatskonzern etwas, nun ja, gewagt, zumindest für einen ehemaligen Regierungschef. Erste Stimmen sind bereits zu vernehmen, die fordern, dass Schröder die Ausstattung eines Altbundeskanzlers entzogen werden sollte. Spoiler: nicht aus der SPD. Deshalb lesen Sie bitte im Abschnitt »Gewinnerin des Tages« weiter.
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Job 3: Die Weltordnung infrage stellen
Am Freitagvormittag schrieben wir an dieser Stelle über eine Begegnung zu Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking: zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping. Es war ein Treffen zweier Machthaber, die, inmitten einer der schwersten sicherheitspolitischen Krisen der vergangenen Jahre am Rande Europas, dem Westen verdeutlichen wollten: Ihr boykottiert uns? Ihr sanktioniert uns? Ihr nehmt uns nicht ernst? Gut. Wir brauchen euch nicht.
Die Botschaft des Treffens war: Hier tut sich was, hier entsteht etwas, und zwar »friendship« und »strategic partnership«. Seit zwei Jahren hatte Xi keinen ausländischen Staatschef mehr getroffen. Und die Begegnung mit Putin blieb nicht nur bei demonstrativen Bildern und der Ankündigung Russlands, China noch sehr viel mehr Gas zu liefern.
Wladimir Putin und Xi Jinping bei ihrem Treffen in Peking
Foto: ALEXEI DRUZHININ / AFP
Kurz darauf veröffentlichten die beiden Staaten eine bemerkenswerte gemeinsame Erklärung über ihre Sicht auf die Welt, die sich ein wenig so liest wie ein Unterhaken beim anderen aufgrund der aus ihrer Sicht so vielen westlichen Affronts der letzten Zeit. Beide fordern den Stopp der Ost-Erweiterung der Nato; sie drückten ihre Sorge über die »Aukus«-Allianz aus, dem neuen Militärbündnis zwischen den USA, Australien und Großbritannien. Schon vorher hatte China Russlands Sicherheitsbedenken als legitim bezeichnet. Und, wie im Gegenzug, erklärt »die russische Seite« in dem Statement ihre Unterstützung für das Ein-China-Prinzip und lehnt jede Form der Unabhängigkeit Taiwans ab.
Eine Erklärung der gegenseitigen Vergewisserung zweier autoritärer Herrscher. Wie eine Art Antwort auf »Aukus« oder andere westliche Allianzen. Wie die Erschaffung eines Gegenpols zum Westen, eine Ankündigung einer Neuordnung der Welt. Es wirkt, als wollten Putin und Xi die westliche Vorherrschaft beenden (Die Nato solle »die ideologischen Ansätze der Ära des Kalten Krieges« aufgeben und »die Souveränität, Sicherheit und Interessen anderer Länder« respektieren) und das Narrativ der internationalen Politik verändern, das aus ihrer Sicht vom Westen dominiert ist; einem schwachen, im Niedergang begriffenen Westen, zerstritten und uneins in seinen Organisationen. Sie dagegen: effizient, entscheidungsstark, durchsetzungswillig. Ohne Störung von Opposition oder freien Wahlen.
Es entsteht der Eindruck, dass dies nicht die letzte Erklärung sein wird. Da tut sich was.
Gewinnerin des Tages…
…ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und Mitglied im Bundesvorstand der FDP.
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Nachdem bekannt wurde, dass Altkanzler Gerhard Schröder in den Aufsichtsrat von Gazprom kommen würde (siehe oben bei Job 2), kritisierte sie ihn öffentlich und forderte, darüber nachzudenken, ihm bestimmte Privilegien eines ehemaligen Bundeskanzlers abzuerkennen. Das macht sie aber nicht zur Gewinnerin, das ist relativ einfach, so aus einer anderen Partei heraus. Gewinnerin ist sie, weil sie daran erinnert, was der überwiegende Teil von Regierung und Politik tun sollte – und auch tut: Ihrem Land dienen.
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Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende!
Ihre Özlem Topçu