Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,
heute geht es um die Eröffnungsparty der Olympischen Spiele in Peking. Um die Frage, wer hier der Bundeskanzler ist. Und um die Deutsche Welle, der Moskau die Sendelizenz entzogen hat.
Die Welt zu Gast – und irgendwie doch nicht
Eine Eröffnungsfeier wie diese wird die Welt des Sports noch nie erlebt haben. Irgendeine andere Welt auch nicht, so viel Spekulation dürfte erlaubt sein. Oder besser gesagt: So viel Küchenpsychologie in Hinblick auf die Führung in Peking, denn das wird sie sich nicht nehmen lassen: das Beste, Spektakulärste, Extravaganteste aufzufahren, was möglich und menschlich vorstellbar ist. Die Welt wird heute auf Peking schauen und staunen, die Welt braucht hin und wieder etwas Ablenkung.
Die Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping bei einem früheren Treffen (2014)
Foto: GREG BAKER/ AFP
Ein Weltfest unter Zero-Covid-Bedingungen. In einer »Blase«. Unter diplomatischen Boykottbedingungen.
Wie die Feier genau ablaufen wird, bleibt ein Geheimnis bis zuletzt, aber das »Internationale Olympische Komitee« berichtet auf seiner Seite davon, dass sie etwa 100 Minuten dauern wird und 3000 Darsteller beteiligt sein werden. »Schlicht, sicher, prächtig« soll es werden, sagt Zhang Yimou in einem Werbefilm, der erfolgreichste Regisseur des Landes. Er führte bereits Regie bei der Eröffnungszeremonie der Sommerspiele 2008.
Und doch wird es eine bittere Veranstaltung.
Die Welt ist zu Besuch in China, und doch ist China weit weg, eine Weltmacht, die sich abkapselt, abschottet wie noch nie. Die Spiele zeigten, so schreibt mein Kollege Georg Fahrion, unser Peking-Korrespondent, in seiner Titelgeschichte diese Woche (Ausgabe ab 13 Uhr digital verfügbar), »wie weit sich die Volksrepublik und der Rest der Welt bereits voneinander entfernt haben«. Das sei 2008 noch anders gewesen.
Als sich Peking als Ausrichtungsort für die Spiele bewarb, ahnte wohl niemand, unter welchen Bedingungen sie stattfinden würden. Da ist die Pandemie, da sind aber auch politische Ereignisse, die nicht einmal die Führung kontrollieren oder einhegen kann, zumindest nicht vollständig. Der Fall der Tennisspielerin Peng Shuai, die öffentlich machte, eine Beziehung zu einem Spitzenpolitiker der KP gehabt zu haben, in der es auch zu Übergriffen gekommen sein soll, illustriert das.
Und da ist die russische Bedrohung der Ukraine – Präsident Wladimir Putin wird einer der wenigen wichtigen Staatschefs sein, die ihr Kommen zugesagt haben. Mit seinem Amtskollegen Xi Jinping wird er über die von ihm verursachte Krise sprechen – eine, die auch China nicht gerade gefallen dürfte, zumindest nicht, wenn man gerade Olympische Spiele ausrichten will.
Georg Fahrion wird übrigens die Feier live für uns miterleben können. Wie er mir heute per Videogespräch erzählte, kostet ihn dies unter anderem vier PCR-Tests: 48 Stunden vorher, der nächste 24 Stunden vorher, der dritte am Tag nach der Eröffnung und noch mal eine Woche später.
In dem Werbefilm sagt Regisseur Zhang Yimou übrigens den Satz: »Let the world see the real inner thoughts of Chinese people.« Wie gern würden wir das.
Wo ist Olaf Scholz? Da ist Olaf Scholz!
In der Morgenlage am Dienstag haben wir, inspiriert vom sozialen Netzwerk Twitter (aber nicht nur davon!) gefragt, wo sich der Bundeskanzler befindet. Das Pauschale und Unfaire an dieser Frage war uns durchaus bewusst. Und dennoch, der Frage war der Wunsch immanent, zu wissen, was der Bundeskanzler, der ja auch zu einem großen Teil die deutsche Außenpolitik mitgestaltet, zu einer der schwersten Krisen der vergangenen Jahre zu sagen hat.
Bundeskanzler Olaf Scholz
Foto: EMMANUEL DUNAND / AFP
Natürlich sind die meisten Menschen in Deutschland froh über einen Regierungschef, der überlegt handelt und spricht. Manchmal möchte man ihm aber beim Sprechen auch zuhören. Nicht immer, er soll nicht wie einige, die ich jetzt hier nicht nennen möchte, etwa nur deshalb Krankenhäuser, Brücken oder Autobahnabschnitte bauen lassen, damit er bei ihrer feierlichen Eröffnung reden kann. Die meisten Menschen dürften froh sein, dass ihre politischen Vertreter keine Exzentriker, Choleriker oder Dauerpartygäste im Lockdown sind und plötzlich Russland und die Worte »blutiges business« in einem Satz sagen.
Eigentlich wissen wir alle, wo der Bundeskanzler ist, er wohnt im Kanzleramt, und das ist so gemeint, wie es dasteht. Die meisten von uns Normalbürgern würden diese Agenda nicht durchhalten.
Es geht wohl eher um das nachvollziehbare Bedürfnis, dass Politik erklärt werden sollte, vielleicht noch mehr in einer Krise als zu »normalen« Zeiten. Olaf Scholz war Mittwochabend im »heute journal« und hat dies getan, vorerst. Es war auch gut, dass er bei der Gelegenheit einen Vorgänger daran erinnert hat, dass er der Bundeskanzler ist und nicht nach dessen Ratschlag gefragt hat.
Am kommenden Montag reist Olaf Scholz zu US-Präsident Joe Biden nach Washington. »Mit ziemlicher Sicherheit wird Joe Biden den deutschen Kanzler dazu drängen, gegenüber Moskau mehr Härte zu zeigen. Er wird ihm auch erneut klarmachen, dass die Gas-Pipeline Nord Stream 2 tot ist, wenn Putin in die Ukraine einmarschiert«, sagt mein Kollege Roland Nelles, der für uns aus Washington berichtet. Gleichzeitig werde der US-Präsident sich davor hüten, öffentlich den Eindruck aufkommen zu lassen, dass es zwischen Washington und dem wichtigsten europäischen Verbündeten in Sachen Russland Uneinigkeit gibt. »Das würde nur Wladimir Putin helfen«.
Auch ein Treffen mit ihm ist angedacht. Es gibt ja einiges zu besprechen – ein weiterer Punkt ist dazugekommen, womit wir beim dritten Thema für heute wären.
Ein weiterer Schlag gegen die Pressefreiheit
Journalisten sind mittlerweile eine bedrohte Spezies. Weltweit geraten sie immer mehr unter Druck, vor allem in autoritären Systemen. Und seit geraumer Zeit auch ausländische Korrespondenten und Korrespondentinnen, die in der Vergangenheit eher in Ruhe gelassen wurden.
DW-Logo
Foto: Marius Becker / dpa
Nun also die Deutsche Welle (DW) in Russland. Man wundert sich, dass die Verantwortlichen in Moskau trotz des Truppenaufgebots und der damit verbundenen Bedrohung gegen die Ukraine überhaupt noch Zeit und Energie für andere Dinge haben. Die Geschichte geht in Kurzfassung so: Russland hat der Deutschen Welle ein Sendeverbot erteilt. Außerdem verfügte das russische Außenministerium die Schließung des Korrespondentenbüros in Moskau sowie den Entzug der Akkreditierungen der Journalistinnen und Journalisten. Der Grund: eine Vergeltungsmaßnahme, weil die zuständige deutsche Regulierungsbehörde dem russischen Propagandasender RT DE die TV-Lizenz verweigert hat, wegen fehlender Staatsferne.
Natürlich wird hier nicht Gleiches mit Gleichem vergolten. RT DE darf zwar nicht im Fernsehen senden, aber die Beschäftigten dürfen weiterarbeiten, schreiben, zu Pressekonferenzen. Für eine Demokratie ist das aushaltbar.
Auf der Seite von RT DE konnte man gestern Abend übrigens einen Artikel mit der Überschrift »Stimmen aus aller Welt zur Unterstützung der Pressefreiheit« lesen. Darin waren auch Videostatements verlinkt, unter anderem vom slowenischen Philosophen Slavoj Žižek (Der Westen zeige seine Angst vor dem möglichen Einfluss von RT). Oder dem in Abwesenheit zu acht Jahren Gefängnis verurteilten, ehemaligen Präsident von Ecuador, Raffael Correa. Pink-Floyd-Mann Roger Waters (Im Westen wolle man ein Medienmonopol schaffen) und die frühere Außenministerin Österreichs, Karin Kneissl, seien auch für die Pressefreiheit, haben sie RT DE gesagt.
Verlierer des Tages…
Rudy Giuliani
Foto: Robert Bumsted / dpa
… ist Rudy Giuliani. Es gibt zwar viele Gründe, den ehemaligen Bürgermeister von New York als Verlierer zu sehen – zu nennen wären da seine Tätigkeiten für Ex-Präsident Donald Trump, seine Teilnahme an der Kundgebung, die zur Erstürmung des Kapitols am 6. Januar vergangenen Jahres führte. Oder Falschaussagen für seinen früheren Chef, die verlorene Lizenz als Anwalt, seinen Hang zu offensichtlich billigen Haarfärbemitteln.
Aktuell geht es um einen Auftritt des Ex-Politikers bei der Unterhaltungssendung »The Masked Singer«, derzeit wird in den USA die siebte Staffel gedreht. Dabei treten Promis in opulenten Ganzkörperkostümen auf und singen vor einer Jury. Ihre Gesichter sind maskiert. Als Giuliani seine Maske fallen ließ, so berichten amerikanische Medien, seien zwei der vier Jury-Mitglieder aus dem Saal gestürmt. Über Kostüm und Lied ist noch nichts bekannt. Manchmal ist es halt besser, die Maske aufzubehalten, so schrecklich sie sein mag.
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