Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:
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Maaßen beim Verfassungsschutz – Ein Freund und Helfer der AfD?
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Nato-Stoltenberg geht, Gazprom-Schröder kommt – Wie hält es der Westen mit Russland?
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Feind hört mit – Wen belauschte Joe Kaeser in der Businessklasse?
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1. Maaßens Vergangenheit als Verfassungsschützer
Hans-Georg Maaßen ist in der Schmuddelecke des Internets angekommen. Er präsentiert sich jetzt auf Gettr, einer selbst ernannten Alternative zu »linksgrünen Zensurplattformen«. Etliche Rechtsradikale tummeln sich dort. In Interviews wittert er finstere Mächte, »sozialistische und globalistische Kräfte«. Verfassungsschützer sagen, manche Maaßen-Äußerung sei nicht mehr weit von dem entfernt, womit sie sich dienstlich befassten.
Man könnte darüber fast vergessen, dass Maaßen lange zu den führenden Vertretern unseres Staats gehörte. Sechs Jahre lang leitete er das Bundesamt für Verfassungsschutz. War er damals ein anderer Mensch? Deutete sich bereits seine Neigung zu Verschwörungstheorien an?
Ein SPIEGEL-Team hat Maaßens Vergangenheit im Amt recherchiert. Maik Baumgärtner, Jörg Diehl, Martin Knobbe, Ann-Katrin Müller und Wolf Wiedmann-Schmidt sprachen mit Leuten, die eng mit ihm zusammenarbeiteten. Sie fanden heraus, dass Maaßen schon damals Gefahren von Rechtsaußen gern ignorierte, was dieser stets bestritten hat. Die »Identitäre Bewegung« beobachtete seine Behörde erst, nachdem elf Bundesländer den Schritt vollzogen hatten.
Maaßen bremste demnach auch eine frühe Befassung mit der AfD. Bei einem Treffen mit Verfassungsschützern aus den Ländern soll nach SPIEGEL-Recherchen der Chef eines Landesamtes gefragt haben, warum man denn noch nichts bei der AfD mache. Die Äußerungen des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke zum Beispiel genügten doch für einen Prüffall.
Es sei ein leises Raunen durch den Saal gegangen, berichten Teilnehmer. Maaßen habe geantwortet, dass da nichts sei, man also nichts mache. Eine Fehleinschätzung, wie man heute weiß: Sechs Landesverbände sowie bundesweit der – inzwischen formal aufgelöste – »Flügel« um den rechtsextremen Thüringer Landeschef Höcke werden inzwischen beobachtet.
Es gibt den Verdacht, dass Maaßen die AfD sogar warnte. Im November 2015, zu einem Zeitpunkt, als die Partei noch nicht im Bundestag saß, traf er zweimal die damalige AfD-Chefin Frauke Petry. Dazwischen nahm er an einer Besprechung im saarländischen Innenministerium teil, in der es um den AfD-Landesverband und dessen Nähe zu rechtsextremen Gruppen ging. Es gebe bald genügend Gründe, die Partei im Saarland vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen, hieß es bei der Besprechung. Laut einem AfD-Vorstandsmitglied soll Maaßen bei seinem nächsten Treffen mit Petry vor rechtsextremen Umtrieben im Saarland gewarnt haben – wenig später kündigte die Bundespartei an, den Landesverband aufzulösen.
Half Maaßen der AfD? Das wäre eine Ungeheuerlichkeit. Den Vorwurf einer Beratung weist Maaßen zurück. Doch was genau er mit der AfD besprach, hat er bis heute nicht verraten.
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Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Die Altlasten des Dr. Maaßen
2. Die Nato braucht einen neuen Chef – und eine bessere Russland-Strategie?
Die Nato, Deutschlands Schutzschirm, braucht demnächst einen neuen Chef. Generalsekretär Jens Stoltenberg wird sein Amt nach acht Jahren verlassen, um künftig die norwegische Zentralbank zu leiten. Das teilte Norwegens Finanzministerium heute in Oslo mit.
Stoltenbergs Weggang trifft die Nato in einer schwierigen Zeit, denn die Spannungen mit Russland wachsen. Putin hat mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren lassen und droht kaum verhohlen mit einem Einmarsch. Die Nato-Partner suchen nach einer Strategie. Und Deutschland gilt bei einigen als unzuverlässig, weil sich die Bundesregierung nicht von der Gaspipeline Nord Stream 2 löst. Dass Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, wie heute bekannt wurde, in den Aufsichtsrat des russischen Staatskonzerns Gazprom einziehen soll, wird nicht zur Beruhigung beitragen.
Um es klar zu sagen: Putin ist der Schurke in diesem Spiel. Doch auch die Nato macht Fehler, wie mein Kollege Christian Esch analysiert: »Mitten in einer der größten Sicherheitskrisen Europas, in der Diplomatie gefragt ist wie nie, hat die Nato bewiesen, dass sie Diplomatie nicht kann.« Wohingegen die US-Regierung gerade zeige, wie man es im Umgang mit Putin besser macht.
Christian vergleicht zwei vertrauliche Schreiben, die in dieser Woche an die Öffentlichkeit geraten sind. Eines aus dem Nato-Hauptquartier in Brüssel, eines von der US-Regierung aus Washington. Beide Schreiben gingen an Russland, beide lehnten die Maximalforderungen, die Moskau erhebt, in Klarheit ab.
Doch in Inhalt und Tonfall gebe es große Unterschiede, schreibt Christian. Während die US-Regierung einen ernsthaften, detaillierten, Kompromisse erwägenden Brief geschrieben habe, wirke das Nato-Schreiben wie die lustlose Antwort eines Presseoffiziers auf eine Schüleranfrage. »Während man in Washington auf geschickte Weise Härte und Nachgiebigkeit verbindet, um Verhandlungen überhaupt einmal in Gang zu bringen, übt sich die Nato in Wirklichkeitsverweigerung.«
Als Moskau-Korrespondent kennt Christian die russischen Verhältnisse. Er schreibt: »Man muss Putins Blick auf die Nato-Osterweiterung nicht teilen, und schon gar nicht darf man ihm zugestehen, diese Erweiterung nachträglich mit militärischen Drohungen bekämpfen zu wollen. Aber dass diese Osterweiterung selbstverständlich Russlands Sicherheitsinteressen berührte, und dass die überwältigende Mehrheit der russischen Elite diese Interessen von der Nato übergangen sah, das ist eine Tatsache, ohne die der gegenwärtige Konflikt schlicht unverständlich ist. Wer sie leugnet, tut das auf Kosten der eigenen Sicherheit.«
Wer immer Stoltenberg an der Nato-Spitze nachfolgt, könnte diese Perspektive zulassen.
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Lesen Sie hier den vollständigen Kommentar: Die Nato hat es sich denkbar einfach gemacht
3. Joe Kaeser belauscht seine Sitznachbarn in der Business-Class
Fluch des Vielreisenden: Man sitzt im Zug, will dösen, denken, seine Zeitung lesen, doch ein paar Sitze weiter schreit jemand in sein Handy oder bekakelt die Firmen-Vertriebstagung mit dem Sitznachbarn. Ähnlich ging es jetzt offenbar dem früheren Siemens-Chef Joe Kaeser, geboren Josef Käser. Nur dass Kaeser nicht Zug fuhr, sondern vorn im Flugzeug saß, wo auch Politiker ihre Plätze haben:
»Sitze gerade im Flieger nach München inmitten vom Abgeordneten, die sich hörbar über das Wochenende freuen…und nebenbei Internas über den Gang hinweg austauschen«, beschwerte sich Kaeser auf Twitter: »Einige mit CSU-Bändchen. Einer von der FDP, der früher flache Kolumnen in Boulevard-Magazinen geschrieben hat. Rechne gerade so ungefähr aus, wieviele davon ich mit meiner Einkommensteuer finanziere… Weiß nicht, ob dieses Geld nicht besser ausgegeben werden könnte. Für höhere Bezüge von Pflegekräften, Polizist*innen… und viele Menschen, die täglich WIRKLICH für die Bürger da sind.«
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Ja, da jubelt der Stammtisch. Außer vielleicht der Stammtisch ehemaliger Siemens-Beschäftigter, deren Jobs unter Kaeser weggespart wurden. Man kennt den »Die da oben stopfen sich die Taschen voll und das alles von unserem Geld«-Sound sonst eher von Pegida-Demonstrationen.
Früher fiel Kaeser eher durch seine Politikernähe auf. 2014 traf er sich mit Wladimir Putin (»Wir setzen auf eine langjährige Wertepartnerschaft«), 2018 dienerte er in Davos vor seinem Sitznachbarn Donald Trump (»Glückwunsch zur Steuerreform«). Nur mit Mühe konnte man ihn nach dem Khashoggi-Mord davon abhalten, eine Investorenkonferenz des saudischen Blutherrschers Mohammed bin Salman zu besuchen.
In den sozialen Netzwerken löste Kaesers Äußerung Widerspruch aus. Thomas Sattelberger, Parlamentarischer Staatssekretär im Bildungsministerium, gab sich als der von Kaeser genannte FDP-Politiker zu erkennen. Er beteuerte jedoch, er habe nichts ausgetauscht, sondern schweigend auf seinem Sitz gesessen. Aber wer waren die von der CSU? Um welche Geheimnisse ging es? Warum flog Kaeser überhaupt mit dem Flugzeug, anstatt einen von Siemens mitgebauten ICE zu nehmen?
Und heißt es statt »Internas« nicht eigentlich »Interna«?
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Lesen Sie hier die vollständige Fiktion: Kurz spielt er mit dem Gedanken, das Flugzeug und den Piloten einfach zu kaufen
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Was heute sonst noch wichtig ist
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Russland und China fordern gemeinsam Stopp der Nato-Erweiterung: Schulterschluss kurz vor Olympia in Peking: Beim Treffen von Kremlchef Wladimir Putin mit Präsident Xi Jinping stellten beide die Forderung, die Nato müsse ihre Erweiterungspläne in Osteuropa stoppen.
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»Es wäre genug Zeit gewesen, die Leute da rauszuholen«: 134 Menschen starben im Juli bei der Flutkatastrophe im Ahrtal. Im Untersuchungsausschuss hat sich nun der Wetterexperte Karsten Schwanke geäußert – und auf die bekannte Gefahr einer Hochwasserlage hingewiesen.
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Nachkomme des letzten Königs will »Freien Sachsen« Verwendung eines Wappens untersagen: Rechtsextreme wollen das frühere sächsische Königshaus in ihre Planungen einbinden. Doch der Nachfahr Augusts des Starken hat daran kein Interesse und kündigt nach SPIEGEL-Informationen rechtliche Schritte an.
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Vater darf gemeinsame Kinder gegen den Willen seiner Ex-Frau impfen lassen: Was tun, wenn sich Eltern darüber streiten, ob ihr Kind gegen Corona geimpft werden soll? Laut einem Familiengericht in Niedersachsen liegt die Entscheidung bei dem Elternteil, der den Empfehlungen der Stiko folgt.
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Autoexperte fordert Strafsteuer auf Verbrenner: Die Mehrwertsteuer für Diesel- und Benzinautos sollte spürbar erhöht werden – findet Autofachmann Ferdinand Dudenhöffer. So würden E-Autos indirekt gefördert, wenn die Kaufprämie für sie wegfällt.
Meine Lieblingsgeschichte heute: Ein Heiratsantrag von Roberto Blanco
Was machen B-Prominente, wenn wegen Corona der Prominentenzirkus ruht? Sie verdingen sich als Aufsager von Grußbotschaften und bessern ihre Kasse auf. »Für manche ist es die letzte Rettung vor dem Dschungelcamp«, schreiben meine Kollegen Alexander Kühn und Anton Rainer.
Zum Beispiel Roberto Blanco. Die Filmchen zeichnet er mit dem Handy auf, Blanco trägt darin Pulli statt Smoking, gegen Ende singt er gern mal seinen Hit »Ein bisschen Spaß muss sein«.
[M]; memmo.me
Auf der Plattform Memmo verliest Blanco für 100 Euro Botschaften von maximal 260 Zeichen. Für weitere 25 Euro gibt es 600 Anschläge obendrauf. Ein Upgrade von 50 Euro garantiert eine »24h Express Lieferung«.
Er habe aber auch schon Aufträge abgelehnt. Etwa als er einen Opa als »alte Sau« titulieren sollte, so wollte es der Enkel. »Das ist nicht mein Stil«, empörte sich Roberto Blanco gegenüber meinen Kollegen am Telefon. Ansonsten macht der Entertainer für Geld so ziemlich alles: Er gratuliert Fans per Video zum Geburtstag oder wünscht frohe Weihnachten. Einmal habe er einer Frau auf Bitten ihres Liebsten sogar einen Heiratsantrag übermittelt. »Sie hat Ja gesagt.«
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Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Ein Heiratsantrag von Roberto Blanco für 100 Euro
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
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Ist Durchseuchen das bessere Impfen? Früher oder später bekommt man es mit Omikron ohnehin zu tun, heißt es. Dann könnte man sich doch auch gezielt infizieren, um immun zu werden. Was von dieser Strategie zu halten ist.
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Stuttgart 21 wird noch mal eine Milliarde Euro teurer: Die Kosten des umstrittenen Projekts Stuttgart 21 klettern auf 9,2 Milliarden Euro. So steht es nach SPIEGEL-Informationen in einem Gutachten. Der Aufsichtsrat der Bahn soll zu einer Sondersitzung zusammenkommen.
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Das Milliarden-Monopoly des René Benko: Seine Deals sind gewieft, sein Imperium verschlungen. Mit Risiko und Raffinesse hat René Benko ein Immobilienreich erschaffen. Was kann der Österreicher, das andere nicht können? Und woher kommt das ganze Geld?
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Das Olympia-Theater und der gefährliche Hochmut einer Supermacht: Die Winterspiele finden aus Angst vor Corona in einer abgekapselten Parallelwelt statt. Doch China schottet sich auch politisch und wirtschaftlich ab. Beobachtungen aus einem Land zwischen Zufriedenheit, Eigensinn und Hybris.
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Ein Moderna-Klon aus Afrika: Die Firma Afrigen aus Kapstadt hat eine Piratenversion der Moderna-Vakzine entwickelt. Sie soll weltweit produziert werden – unter Umgehung von Patentzahlungen.
Was heute weniger wichtig ist
Lang klebe die Königin: Queen Elizabeth II., 95, bekommt ein besonderes Geschenk von der britischen Post. Zum Thronjubiläum bringt die Royal Mail eine Serie von Sondermarken heraus. Sie zeigen die Queen bei öffentlichen Auftritten, etwa an der Seite ihres Ehemanns Prinz Philip in Washington 1957, bei einer Militärparade 1978 oder bei einem Besuch des Geheimdienstes MI6 im Jahr 2020. »Diese Briefmarken sind eine Feier des zweiten Elisabethanischen Zeitalters und eine Hommage an ein bemerkenswertes Leben der Pflicht und des Dienstes an der Öffentlichkeit«, sagte Royal-Mail-Chef Simon Thompson. Kommenden Sonntag ist es 70 Jahre her, dass Elizabeth Königin wurde. Die größten Feierlichkeiten stehen aber erst Anfang Juni an, wegen des vermutlich besseren Wetters. Für die Untertanen gibt es einen zusätzlichen arbeitsfreien Feiertag.
Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Erdoğans hat sich als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine angeboten.«
Cartoon des Tages: Ausbruch
Und am Wochenende?
Heute haben die Olympischen Spiele in Peking begonnen. Früher hätte das bedeutet: Bitte nicht stören, ich wohne für die nächsten Wochen vor dem Fernseher. Doch diesmal bin ich raus. Die Jugend der Welt zu Gast in einem Land, dem der Rest der Welt inzwischen weitgehend egal ist: Das erschließt sich mir nicht.
Anstatt anderen beim Sport zuzusehen, könnte man sich mal wieder selbst in Bewegung setzen. Mein Kollege Detlef Hacke schrieb vor drei Jahren einen Text über den körperlichen Verfall bei Männern ab 50, dem man durch Sport entgegenwirken müsse.
Zentrale Botschaft: Bei Rücken hilft nur Muskel. Der Text gehört zu den meistgelesenen Beiträgen der letzten Jahre; ich bin sicher, auch Ihnen ist er auf SPIEGEL.de schon begegnet. Der Text endet mit: »Bleibt nur noch eines: anfangen. Am besten heute.« Mal sehen, ob ich es hinbekomme.
Es hat mir Spaß gemacht, Sie durch die Woche zu begleiten. Nächsten Montag begrüßt Sie an dieser Stelle mein Kollege Oliver Trenkamp. Ihnen ein schönes Wochenende, herzlich
Ihr Alexander Neubacher
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