Führungswechsel bei den Grünen:
»Die neue Parteispitze wird unwichtiger – aber nicht unwichtig«
Ricarda Lang und Omid Nouripour übernehmen den Vorsitz der Grünen. Damit verschieben sich die Machtstrukturen: Die neuen Chefs müssen eine andere Rolle einnehmen als Annalena Baerbock und Robert Habeck.
Ricarda Lang, Vorsitzende der Grünen:
»Ja, ich nehme die Wahl an. Vielen, vielen Dank, ich nehme die Wahl an, ich kann es gar nicht fassen.«
Omid Nouripour, Vorsitzender der Grünen:
»Liebe Freundinnen, Freunde, herzlichen Dank für dieses große Vertrauen, das natürlich verpflichtet.«
Die Grünen haben zwei neue Parteivorsitzende. Ricarda Lang und Omid Nouripour übernehmen von Annalena Baerbock und Robert Habeck. Auf dem digitalen Parteitag wurde Lang von rund 76 Prozent und Nouripour von 82 Prozent der Delegierten gewählt. Baerbock und Habeck bekamen beim letzten Mal mehr als 90 Prozent. Ist das Ergebnis also eine Enttäuschung?
Wir müssen uns daran erinnern: Die Grünen sind ja eigentlich keine Partei, die 90-Prozent-Ergebnisse hat. Ergebnisse um die 80 sind eigentlich gut. Robert Habeck hatte bei seiner ersten Wahl ohne Gegenkandidaten 81 Prozent. Annalena Baerbock hatte 64 Prozent, damals aber mit Gegenkandidatin. Also von daher: Das ist ein solides Ergebnis. Das ist für ihn ein gutes Ergebnis, würde ich sagen. Darauf können sie auf jeden Fall aufbauen.
Lang ist aktuell mit Corona infiziert und hielt ihre Bewerbungsrede aus der Isolation, Nouripour sprach auf der Bühne. Und beide machten klar, wie froh sie über die neue Rolle ihrer Partei sind.
Omid Nouripour, Vorsitzender der Grünen:
»Es war so überfällig, dass wir endlich regieren. Es wird kein Selbstläufer, aber ich habe so Lust darauf.«
Ricarda Lang, Vorsitzende der Grünen:
»Regieren ist doch keine Strafe, das ist eine riesengroße Chance.«
Schon am Freitag hatten sich Baerbock und Habeck verabschiedet, nach vier Jahren an der Parteispitze.
Robert Habeck, Wirtschafts- und Klimaminister Die Grünen:
»Ein letztes Mal stehen wir hier nebeneinander als Parteivorsitzende, und das ist echt ein merkwürdiger Moment, aus vielerlei Gründen, das muss man sagen.«
Es wirkte ein wenig wie das Ende einer Ära. Aber was genau verändert sich nun?
Zunächst einmal gibt es einen klaren inhaltlichen Unterschied zwischen der alten und der neuen Parteispitze.
Valerie Höhne, DER SPIEGEL:
»Annalena Baerbock und Robert Habeck waren beide Realos. Ricarda Lang gehört zum linken Parteiflügel, Omid Nouripour gehört zum Real-Parteiflügel. Er ist Außenpolitiker, sehr profilierte Außenpolitiker und ich denke, entlang dieser Schwerpunkte werden sie sich auch in der Bundespartei aufteilen.«
Aber mit dem Wechsel verschiebt sich auch Grundlegendes in den Strukturen der Partei. Baerbock und Habeck waren das klare Machtzentrum der Grünen. Aber jetzt ist die Partei Teil der Regierung – und die neuen Vorsitzenden müssen eine andere Rolle einnehmen als ihre Vorgänger.
Valerie Höhne, DER SPIEGEL:
»Die Parteispitze wird ein bisschen unwichtiger, aber nicht unwichtig. Die neue Aufgabe wird vor allen Dingen sein, zu fungieren als Scharnier zwischen einer Fraktion, die sich erst noch ans Regieren gewöhnen muss, gemeinsam mit der Fraktionsspitze zwischen der Basis, die sich auch ans Regieren gewöhnen muss, die zwar regieren will, aber die eben auch noch an ihren, an ihren alten Werten festhält. Und natürlich zwischen der Regierung, die realpolitische Entscheidungen treffen muss, die eben auch hart sind.«
Gerade Lang machte klar, dass ihr die Herausforderung bewusst ist.
Ricarda Lang, Vorsitzende der Grünen:
»Und dafür trete ich an, um auch im Spannungsverhältnis zwischen einer Partei, die was verändern will und der Realität einer Regierung was zu erreichen. Für diese Menschen und für diesen Planeten. Dafür bin ich gern bereit, auch mal eine schwierige Situation auszuhalten. Dafür bin ich gern bereit, hart zu arbeiten.«
Aber wie geht es langfristig weiter für die Grünen unter Lang und Nouripour? Vor vier Monaten führte die Bundestagswahl die Partei zwar in die Regierung, aber nicht wie erhofft ins Kanzleramt. Jetzt machten beide Kandidaten klar, wie der weitere Kurs aussehen soll.
Valerie Höhne, DER SPIEGEL:
»Er hat nochmal ganz deutlich gesagt, dass er bei der nächsten Bundestagswahl bei der K-Frage mitspielen möchte. Das ist, glaube ich, ganz wichtig für die Partei.«
Omid Nouripour, Vorsitzender der Grünen:
»Ich bewerbe mich dafür, meine Erfahrung einbringen zu dürfen – zusammen mit einer so starken und klugen Frau wie Ricarda. Wir werden den Wahlkampf zusammen nacharbeiten, um das nächste Mal noch erfolgreicher zu sein. Und um Strukturen zu schaffen, die uns ermöglichen, mit Geschlossenheit und mit den Erfolgen, die wir erzielen werden, wieder in der K-Frage mitspielen zu können.«
Valerie Höhne, DER SPIEGEL:
»Und sie hat auch alle Bürgerinnen und Bürger am Schluss angesprochen.«
Ricarda Lang, Vorsitzende der Grünen:
»Liebe Bürgerinnen und Bürger, das gilt auch für Sie, das gilt für uns alle. Die Aufgabe, die vor uns liegt, diese Klimakrise zu bewältigen, die ist zu groß, als dass sie eine Partei alleine schaffen könnte, zu groß, als dass sie eine Regierung alleine schaffen könnte. Dafür brauchen wir Sie. Dafür brauchen wir die ganze Gesellschaft.«
Valerie Höhne, DER SPIEGEL:
»Das war natürlich auch ein totales Signal Richtung Volkspartei. Das haben sie vorher deutlich gemacht, das haben sie jetzt nochmal deutlich gemacht. Damit können wir hier rechnen.«
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