Liebe Leserinnen, liebe Leser,
2022 ist das »Europäische Jahr der Jugend«, das haben sich die EU-Kommission und das Europäische Parlament so überlegt.
Um herauszufinden, welche Anliegen die jungen Menschen in der Union haben, welche Sorgen sie umtreiben, gab die EU eine groß angelegte Befragung in Auftrag. Am Mittwoch sind die Ergebnisse des »Eurobarometers« erschienen, für das zehntausende Menschen in allen 27 Mitgliedstaaten befragt wurden. Die Antworten wurden auch nach soziodemografischen Kriterien ausgewertet, unter anderem nach dem Alter. Und sie zeigen:
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Für mehr als die Hälfte der Europäerinnen und Europäer im Alter von 15 bis 24 Jahren stellt die Klimakrise die wichtigste globale Herausforderung dar.
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Neun von zehn jungen EU-Bürgerinnen und Bürgern sind der Meinung, dass es direkte Auswirkungen für sie selbst hätte, wenn der Klimawandel bekämpft würde: Das Eindämmen der Krise könne zur Verbesserung ihrer eigenen Gesundheit und ihres Wohlbefindens beitragen.
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85 Prozent aller Befragten glauben, dass die Bekämpfung des Klimawandels neue Möglichkeiten für Innovation, Investitionen und Arbeitsplätze bieten kann.
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83 Prozent stimmen der Aussage zu, dass die Bekämpfung des Klimawandels zum jetzigen Zeitpunkt dazu beitragen kann, die Kosten größerer ökologischer Schäden in der Zukunft zu verringern.
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Außerdem zeige die Befragung: Die Unterstützung der Bevölkerung für die europäischen Klimaziele ist breit – »überwältigend«, formulierten es die EU-Organe. 88 Prozent der Europäerinnen und Europäer halten es zum Beispiel für wichtig, den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen.
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Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu machen, ist für 80 Prozent ein wichtiges Ziel. Für die Jüngeren (mit 87 Prozent) ist das noch bedeutsamer als für die Älteren (mit 77 Prozent).
Außerhalb der EU denken viele junge Menschen nicht anders.
Drei von vier halten die Zukunft für beängstigend
Für eine Studie, die im Dezember in der Fachzeitschrift »Lancet Planetary Health« veröffentlicht wurde, fragten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 10.000 Kinder und Jugendliche zwischen 16 bis 25 Jahren aus zehn Ländern – darunter Brasilien, Indien, Nigeria, Großbritannien und die USA – nach ihren Gedanken und Gefühlen zum Klimawandel. Das Ergebnis: 84 Prozent waren besorgt, 59 Prozent sogar sehr. Drei von vier Teilnehmerinnen und Teilnehmern gaben an, dass sie die Zukunft für beängstigend hielten.
Weltweit ist eine Generation in Sorge. Und weltweit lassen sich immer wieder Beispiele dafür finden, dass diese Sorgen übersehen werden.
Lesen Sie mehr über die neuesten Entwicklungen, Hintergründe und spannenden Lösungsansätze in unserem Themenspezial.
Eines dieser Beispiele offenbart sich zurzeit in den USA – in dem Land, das historisch für den größten Teil der kumulierten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist.
Seit Monaten blockiert der demokratische Senator Joe Manchin ein Reformpaket der US-Regierung, das Milliarden Dollar für die Energiewende und weitere Klimaschutzvorhaben bereitstellen würde. Die Mehrheit der Demokraten im Senat, und damit die Zustimmung für den »Build Back Better Act«, hängt an einer einzigen Stimme – Manchins Stimme, in diesem Fall.
Der demokratische Senator Joe Manchin blockiert seit Wochen ein wichtiges Klimagesetz in den USA.
Foto: Anna Moneymaker / Getty Images
Manchin selbst verteidigt seine Haltung mit dem Argument, dass das Programm zu teuer sei, er sorge sich um die Wirtschaft.
Andere halten alternative Beweggründe für denkbar. Der Bundesstaat West Virginia, den der 74-Jährige im Senat vertritt, ist eine der größten Bergbauregionen in den USA. Durch persönlichen Investitionen in Kohleunternehmen und durch Wahlkampfspenden von der Kohleindustrie soll Manchin ein Vermögen gemacht haben. Die Klimaschutzmaßnahmen, auf die die nachfolgenden Generationen angewiesen sind, könnten für den Senator schlicht nicht so erstrebenswert wirken.
»Klimabericht« ist der SPIEGEL-Podcast zur Lage des Planeten. Wir fragen, ob die ökologische Wende gelingt. Welche politischen Ideen und wirtschaftlichen Innovationen überzeugen. Jede Woche zeigen wir, welchen Einfluss die Klimakrise auf unseren Planeten hat und warum wir im spannendsten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts leben.
Die internationale Aufmerksamkeit ist dem Politiker für seine Blockadehaltung mittlerweile sicher, auch wenn das Urteil oft wenig schmeichelhaft ausfällt. »Er ist ein Schurke, eine Bedrohung für die Welt«, sagte der Direktor des Internationalen Zentrums für Klimawandel und Entwicklung in Bangladesch, Saleemul Huq, einem Bericht der Zeitung »The Guardian« zufolge. Der britische Abgeordnete Ed Davey bezeichnete Manchin demselben Bericht nach als »Problem«. Und schon im Dezember nannte eine Greenpeace-Mitarbeiterin den Senator einen »fossil-fueled sociopath« – einen Soziopathen, der von fossilen Brennstoffen angetrieben würde.
Man könnte es fast amüsant finden, wie groß die Macht eines einzelnen Kohlekumpel-Kumpels im Politik-Betrieb der USA werden kann – wäre es nicht so wichtig, dass die Vereinigten Staaten sehr zügig sehr rigide Maßnahmen zur Emissionssenkung ergreifen. Denn das rechnerische CO₂-Budget, das die USA bei einer fairen Verteilung anteilig noch verbrauchen dürften, um das 1,5-Grad-Limit von Paris einzuhalten, ist schon seit dem Jahresende erschöpft.
Die Proteste für eine bessere Klimapolitik sind von jungen Leuten geprägt. Die Entscheidungen über die Klimapolitik treffen andere.
Foto: Michele Tantussi / REUTERS
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Die Themen der Woche
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Der Klimabericht – Daten zur Lage des Planeten
Bleiben Sie zuversichtlich,
Ihre Viola Kiel