Im Flüchtlingskonflikt mit Belarus sind die neuen Sanktionen der Europäischen Union in Kraft getreten. Im Amtsblatt der EU wurde am Donnerstag eine Liste mit insgesamt 28 Verantwortlichen sowie Organisationen veröffentlicht. Die EU wirft ihnen vor, Belarus bei der Schleusung von Migranten an die europäischen Außengrenzen zu unterstützen. Auch die USA, Großbritannien und Kanada kündigten in Absprache mit der EU neue Sanktionen an.
Auf der Sanktionsliste der EU stehen elf Unternehmen, darunter die belarussische Airline Belavia sowie die syrische Chartergesellschaft Cham Wings und Hotels wie Reiseveranstalter. Ihr Vermögen in der EU wird nun eingefroren, 17 hochrangige politische Verantwortliche in Belarus werden zudem mit Einreiseverboten belegt.
AdvertisementWegen ihrer Unterstützung von Lukaschenko sanktionierte die EU darüber hinaus auch drei weitere staatliche belarussische Industrieunternehmen. Darunter sind das Petrochemie-Unternehmen Belorusneft, der Fahrzeugreifenhersteller Belshina und der Hersteller von Stickstoffverbindungen Grodno Azot.
Mit Hilfe der Betroffenen soll der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko Migranten gezielt an die EU-Außengrenzen geschleust haben, um Vergeltung für frühere EU-Sanktionen zu üben. Minsk weist die Vorwürfe zurück.
Belarus kündigte umgehend harte Gegenmaßnahmen in Richtung Brüssel an: »Als Antwort werden wir (…) harte, asymmetrische, aber angemessene Maßnahmen ergreifen«, teilte das belarussische Außenministerium mit. Minsk beklagte unter anderem, dass von den Strafmaßnahmen auch Unternehmen betroffen seien, die nichts mit der aktuellen Krise um die Migranten zu tun hätten.
Die USA verhängten Sanktionen gegen 20 Regierungsvertreter und zwölf Organisationen und Unternehmen, wie das Finanzministerium in Washington mitteilte. Betroffen ist auch Lukaschenkos Sohn Dmitri. Drei Flugzeuge wurden als »blockierter Besitz« eingestuft. Das Finanzministerium verhängte auch Beschränkungen für neue Staatsanleihen von Belarus auf den Primär- und Sekundärmärkten.
Sanktionen auch gegen systemerhaltende Industriezweige
Die Betroffenen »haben die Schleusung von Migranten in die Europäische Union (EU) durch das Regime ermöglicht, sich an der anhaltenden Unterdrückung von Menschenrechten und Demokratie beteiligt und das Regime finanziell unterstützt«, teilte das US-Ministerium mit.
Von den US-Sanktionen sind auch Kali-Unternehmen in der Düngemittelindustrie betroffen. Der Sektor mit seinem starken Exportgeschäft gehört zu den Stützpfeilern des Systems von Lukaschenko. Die belarussische Opposition hatte immer wieder gefordert, Sanktionen gegen solche systemerhaltenden Industriezweige zu erlassen, um den Machtapparat in Minsk in die Knie zu zwingen. Die bisherigen Sanktionen der EU und der USA hatte Lukaschenko stets heruntergespielt. Er hatte darauf verwiesen, dass vor allem Russland, aber auch China Belarus wirtschaftlich am Leben erhalten.
Die EU-Außenminister hatten bereits Mitte November eine Verschärfung der Sanktionsvorgaben gegen Belarus beschlossen. Damit stellt die EU nun erstmals auch »die Instrumentalisierung von Migranten für politische Zwecke« unter Strafe. Es ist das inzwischen fünfte Sanktionspaket der EU gegen Belarus.
Seit Jahresbeginn kamen nach Angaben der EU-Kommission bislang knapp 8000 Migranten über Belarus in die EU, davon fast 4300 nach Litauen, rund 3200 nach Polen und mehr als 400 nach Lettland.