SPIEGEL: Herr Ploß, Sie wollen neuer Landeschef der Hamburger CDU werden. Wie wollen Sie die Partei wieder zum Erfolg führen?
Christoph Ploß: Die CDU muss mit ihren Kernthemen durchdringen. Ganz entscheidend für die CDU in Großstädten wie in Hamburg ist es, ein klar wirtschaftspolitisches Profil in den Mittelpunkt zu rücken und dieses weitsichtig mit der Klimafrage zu verbinden. Das heißt, in Norddeutschland und in Hamburg zum Beispiel massiv in die Infrastruktur für Wasserstofftechnik oder synthetische Kraftstoffe zu investieren. In Hamburg könnte vieles besser laufen, etwa bei der inneren Sicherheit.
SPIEGEL: Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Ploß: Wir alle haben die Krawallnächte in deutschen Großstädten in den letzten Wochen erlebt. Da braucht es mehr Polizeipräsenz statt Misstrauen gegenüber den Sicherheitskräften. Nur die CDU steht verlässlich auf der Seite der Sicherheitskräfte. Ein weiteres wichtiges Feld wird die Bildungspolitik werden: Wir werden mit Konzepten zeigen, wie Großstädte in Deutschland digitaler Vorreiter in der Bildung werden können und Kinder unabhängig von ihrer Herkunft die gleichen Startchancen bekommen. Dazu sollte die digitale Infrastruktur an den Schulen zentral durch den Bund aufgebaut werden, anstatt diese Aufgabe den Schulen selbst zu überlassen.
SPIEGEL: Bei der letzten Bürgerschaftswahl holte die CDU noch 11 Prozent. Wie konnte es passieren, dass die CDU in Hamburg so abgestürzt ist?
Ploß: Natürlich haben wir im Wahlkampf unsere Botschaften nicht so rübergebracht, wie es notwendig gewesen wäre. Auch einige zu starke Flirts mit den Grünen waren ein Fehler. Dadurch entstand ein Vakuum im bürgerlichen Milieu, das die SPD für sich nutzen konnte.
SPIEGEL: Zuletzt gab es Kritik von Unternehmensverbänden: Der Hamburger Hafen werde von der internationalen Konkurrenz abgehängt. Die Preise seien zu hoch. Was wollen Sie dagegen tun?
Ploß: Die Hafenwirtschaft braucht eine Entlastung – sie wird derzeit vom rot-grünen Senat in jeglicher Hinsicht allein gelassen. Dazu gehört auch, dass die Hafenverwaltung sich um Themen wie die Beseitigung des Hafenschlicks kümmern muss. Auch bei der Einfuhrumsatzsteuer müssen die digitalen Abläufe deutlich verbessert werden. Die Steuer muss außerdem über die Umsatzsteuererklärung verrechnet werden können.
SPIEGEL: In Hamburg hat die CDU auch mal mit der rechten Schill-Partei koaliert. Der AfD-Landesverband dort gilt als relativ gemäßigt. Können Sie sich ein schwarz-blaues Bündnis vorstellen?
Ploß: Das ist völlig ausgeschlossen. Die CDU muss sich nach Links- wie Rechtsaußen klar abgrenzen. Die AfD ist eine rassistische Partei – auch in der Hamburgischen Bürgerschaft. Mit ihr ist für Christdemokraten keine Zusammenarbeit möglich.
SPIEGEL: Sie sind ein Gegner der Frauenquote in Ihrer Partei. Hatten Sie die Befürchtung, eine Frau könnte Ihnen den Vorsitzendenposten in Hamburg noch streitig machen?
Ploß: Zunächst bin ich noch nicht gewählt, der Landesparteitag findet im September statt. In der Hamburger CDU haben wir ein gutes Miteinander zwischen den Geschlechtern und mit etwa 40 Prozent bei den Mitgliedern einen vergleichsweise hohen Frauenanteil. Auf der Landesliste für die nächste Bundestagswahl wird auf einem der ersten beiden Plätze eine Frau stehen, das haben wir schon gemeinsam vereinbart. Wir sind Vorreiter bei diesem Thema in der Bundes-CDU, was auch unserem amtierenden Landeschef Roland Heintze zu verdanken ist. Eine Quote brauchen wir nicht, sondern eine noch bessere Vereinbarung von Beruf, Politik und Familie. Hier liegt noch immer einer der Hauptgründe, warum Frauen frühzeitig die Politik verlassen. Wir brauchen keine Ideologie-Debatten, sondern müssen uns etwa auch Gedanken darüber machen, warum wir deutlich weniger junge Menschen für eine Mitgliedschaft gewinnen können, als es ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht.
SPIEGEL: Haben Sie konkrete Vorschläge?
Ploß: Ich bin zum Beispiel für die Möglichkeit von Kinderbetreuung bei Gremiensitzungen und Parteitagen. Wir müssen auch mehr Formate für Online-Sitzungen finden, damit es da mehr Flexibilität gibt für verschiedene Lebensumstände. So machen wir die CDU noch attraktiver für Frauen und Männer.
SPIEGEL: Der Staat Oman hat Ihnen und anderen Bundestagsabgeordneten eine Reise bezahlt, wie der SPIEGEL aufdeckte. Dazu gehörten ein Besuch in der Oper und ein Flug in der Businessclass. Ist das für einen Abgeordneten angemessen?
Ploß: Genauso wie wir als Bundesrepublik Deutschland im Rahmen unserer Außenpolitik ausländische Delegationen einladen, sind wir zum Dialog bei anderen Staaten zu Gast. Als Mitglied der deutsch-arabischen Parlamentariergruppe ist mir der Austausch mit den Staaten in dieser Region wichtig. Er ist mit Blick auf entwicklungspolitische Diskussionen, den wirtschaftlichen Handel und die Bewältigung von Umweltproblemen im Interesse Deutschlands. Ich habe daher auch über die Themen der Oman-Reise auf meinen Social-Media-Kanälen informiert, mich zu Fragen darüber mit meiner Community öffentlich ausgetauscht und die Reise offiziell bei der Bundestagsverwaltung und dem Auswärtigen Amt angezeigt. Auf meinen Social-Media-Kanälen kann jeder transparent sehen, dass es um dienstliche Termine ging – beispielsweise Gespräche in Ministerien oder in der deutschen Botschaft.
SPIEGEL: Wenn Sie gewählt werden, sind Sie mit 35 Jahren der bundesweit jüngste CDU-Landesvorsitzende. Was werden Sie für Jüngere tun?
Ploß: Generationengerechtigkeit ist für mich ein wichtiges Thema. Dabei geht es derzeit insbesondere um solide Staatsfinanzen und eine nachhaltige Klimapolitik. Die Jüngeren haben aber auch ganz konkret klare Erwartungen: Themen wie Ernährung und Tierschutz müssen zum Beispiel Kernthemen der CDU werden. Ich merke da ein stärkeres Bewusstsein bei Jüngeren und auch bei mir. Es ist beispielsweise nicht akzeptabel, dass in Deutschland noch immer das Kükenschreddern erlaubt ist. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner macht einen ausgezeichneten Job, aber als Partei müssen wir uns stärker diesen Themen öffnen.
SPIEGEL: Wäre Philipp Amthor Landesvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern geworden, wäre er der jüngste gewesen. Sie verteidigten ihn als einer der wenigen. Könnten Sie sich vorstellen, dass Amthor dennoch als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten in Mecklenburg-Vorpommern antritt?
Ploß: Ich werde dem Landesverband Mecklenburg-Vorpommern keine Ratschläge über die Medien geben. Ich schätze Philipp fachlich und menschlich sehr. Er hat einen Fehler gemacht, den hat er eingestanden. Nun sollte man ihm das nicht für Ewigkeiten anlasten.
SPIEGEL: Die Union muss sich bald entscheiden: Wer soll Kanzlerkandidat werden? Viele wünschen sich Markus Söder, der sich in Corona-Zeiten als Krisenmanager profiliert hat, auch der Hamburger CDU-Fraktionschef Dennis Thering könnte ihn sich gut als Kanzler vorstellen. Wünschen Sie sich Söder als Kanzlerkandidaten?
Ploß: Markus Söder ist ein erfolgreicher Ministerpräsident. Klar ist, wer keine Krise kann, kann auch nicht Kanzler werden. Dennoch sollten wir Krisenbewältigung nicht als einziges Kriterium nennen. Das lehrt uns auch die Geschichte. Winston Churchill siegte etwa im Zweiten Weltkrieg über Nazi-Deutschland, verlor danach aber krachend die Unterhauswahl, da es den Wählern um den Blick nach vorne ging. Wir brauchen für einen Erfolg bei der nächsten Bundestagswahl vor allem einen Zukunftsplan für das Deutschland im Jahr 2030. Zudem haben wir mit Kanzlerkandidaten der CDU immer gute Erfahrungen gemacht, aber das muss eng mit der CSU abgestimmt werden.
SPIEGEL: Das klingt dann doch so, als wäre für Sie Friedrich Merz schon gesetzt?
Ploß: Friedrich Merz tritt auf dem nächsten CDU-Parteitag für den Bundesvorsitz an. Es ist kein Geheimnis, dass ich ihn für dieses Amt für sehr geeignet halte. Ein CDU-Vorsitzender muss kanzlerfähig sein. Das ist Friedrich Merz.
SPIEGEL: Annegret Kramp-Karrenbauer scheiterte als Parteivorsitzende auch in den Ost-Landesverbänden, wo Merz sehr beliebt ist. Sie selbst sind Sohn eines DDR-Flüchtlings. Braucht es mehr Ost-Kompetenz auch in der West-CDU?
Ploß: Mein Vater floh Ende der Siebzigerjahre von Leipzig nach Hamburg. Natürlich habe ich auch über ihn erfahren, was ein Leben in der DDR-Diktatur bedeutete und wie froh er über die Möglichkeiten war, die er im demokratischen Teil Deutschlands bekommen hatte. Man sollte nicht schlechtreden, was in Ostdeutschland in den vergangenen 30 Jahren geschafft wurde. Alles Spalterische dient am Ende nur der AfD und der Linkspartei. Ein CDU-Parteivorsitzender, der in Ost- und Westdeutschland gut ankommt, wäre daher wünschenswert.