Ein Unbekannter hat einem Medienbericht zufolge erneut Schreiben mit der Unterschrift “NSU 2.0” versendet. Am Freitag seien mindestens zwei E-Mails mit identischem Inhalt an insgesamt 15 Adressaten geschickt worden, berichtete die “Welt am Sonntag”. In dem Schreiben tauche erstmals der Name des “Welt”-Korrespondenten Deniz Yücel auf. Er sei, ebenso wie eine “taz”-Journalistin, in dem Text beleidigt und bedroht worden.
“Die Bedrohungen zeigen, dass es dem Täter darum geht, Personen mit wichtigen Funktionen in unserer pluralistischen Gesellschaft einzuschüchtern”, sagte der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle der “Welt”. “Um dem Staatsschutz-Charakter der Vorfälle Rechnung zu tragen, sollte deshalb der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernehmen.”
Zu den Empfängern der E-Mails gehören laut “Welt am Sonntag” außer Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) auch die Linken-Politikerin Janine Wissler und die Kabarettistin Idil Baydar. Die beiden Frauen hatten schon früher Drohschreiben erhalten.
Der Journalist Yücel kritisierte die Kommunikation der Polizei”: “Ich finde es verstörend, dass ich erst durch die Recherchen meiner “Welt”-Kollegen von diesem Drohschreiben erfahren habe.” Weder die Polizei in Hessen noch in Berlin, wo Yücel lebt, habe sich bislang mit ihm in Verbindung gesetzt.
Kritik an der Ermittlungsarbei der Polizei
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall, sagte dazu: “Wenn einzelne Betroffene, darunter ‘Welt’- Korrespondent Deniz Yücel, von der Polizei nicht über eine gegen sie gerichtete Morddrohung informiert werden, stimmt etwas nicht mit der Sorgfalt der Ermittlungen.”
Nach Informationen der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” sind neben den bislang bekannten Fällen auch zwei weitere Frauen Ziel von Drohschreiben gewesen. Eine Berliner Kolumnistin sowie eine Strafverteidigerin aus München hätten der Zeitung gesagt, die hessische Polizei habe sie im vergangenen Jahr informiert, dass Briefe abgefangen worden seien, die derselben Quelle zugerechnet würden. Beide Frauen wollten zu ihrem Schutz anonym bleiben.
Ein Sprecher des hessischen Innenministeriums in Wiesbaden sagte, bei solchen Drohmails entscheide die zuständige Staatsanwaltschaft, was der Öffentlichkeit mitgeteilt werden könne. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Frankfurt sagte, die Ermittlungsbehörde könne frühestens am Montag Auskunft zu diesen Informationen erteilen.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer mahnte angesichts der Serie rechtsextremer Drohmails und steigender Gewaltbereitschaft besseren Schutz für ehrenamtliche Politiker an. “Es ist notwendig, dass ein Zeichen gesetzt wird, dass Gewalt nicht akzeptabel ist. Nicht gegen Menschen, nicht gegen Sachen. Und egal gegen welche Gruppe sie sich richtet”, sagte Kramp-Karrenbauer. “Ich möchte vor allem diejenigen auch in die Solidarität aufnehmen, die ehrenamtlich Politik machen. Etwa die vielen Kommunalpolitiker, die oft auch gefährdet sind. Auch sie müssen Schutz erfahren.”
Die Staatsanwaltschaft ermittelt in Deutschland bereits wegen mehrerer Fälle von rechtsextremen Drohschreiben. Einige der Mails waren mit “NSU 2.0” unterzeichnet. In mindestens drei Fällen waren zuvor persönliche Daten der Betroffenen von hessischen Polizeicomputern abgefragt worden. Landesinnenminister Beuth schließt nicht aus, dass es ein rechtes Netzwerk in der hessischen Polizei geben könnte. Ein Sonderermittler wurde eingesetzt.
Die Bezeichnung “NSU 2.0” bezieht sich auf die Terrorgruppe NSU (“Nationalsozialistischer Untergrund”), die zwischen 2000 und 2007 in Deutschland zehn Menschen ermordete. Bei den Opfern handelte es sich um acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin.