1. Die neue Produktion aus dem Hause Seehofer
Hollywood, lästert der ein oder andere Kritiker, lässt sich kaum noch etwas Neues einfallen, dauernd Fortsetzungen und Neuauflagen. Gibt es noch eine “Star Wars”-Trilogie? Zum wievielten Mal retten die “Avengers” die Welt?
Horst Seehofer scheint aufs selbe Prinzip zu setzen, wenn es um Rassismus in der Polizei geht. Ob er den Helden oder den Schurken gibt, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander. Meine Kollegen Christian Teevs und Wolf Wiedmann-Schmidt aus unserem Hauptstadtbüro haben recherchiert, dass er eine weitere Studie zu der Frage verzögert.
Der erste Teil der Seehofer-Produktion “Weil nicht sein kann, was nicht sein darf” spielt Anfang Juli: Der Minister lässt seinen Sprecher mitteilen, dass es entgegen vorheriger Ankündigungen keine Studie zu Racial Profiling durch Polizisten geben soll, also Kontrollen allein aufgrund äußerer Merkmale wie der Hautfarbe. Sollte so eine Untersuchung in seinem Ministerium vorbereitet werden, sagte Seehofer vor Abgeordneten, “wird das gestoppt”.
AdvertisementJetzt die Fortsetzung: Die Deutsche Hochschule der Polizei will “rechtsextremistische Haltungen und Handlungen” bei Beamten untersuchen. Doch der Finanzierungsantrag liegt auf Eis. “Seehofer will offenbar nicht aufklären, wie verbreitet rassistische und rechtsextreme Einstellungen in der Polizei sind”, sagt Christian. “Er will sich vor die Beamten stellen, tut ihnen damit aber keinen Gefallen.” Denn eine wissenschaftliche Untersuchung, wie groß das Problem wirklich ist, würde auch der Polizei helfen.
Die Geschichte könnte, um im “Avengers”-Bild zu bleiben, zu Seehofers “Infinity War” gegen den Erkenntnisgewinn werden. Ob sie auch zum politischen “Endgame” wird? “Die Unionsanhänger fanden seine Absage der Racial-Profiling-Studie richtig”, sagt Christian, “Wenn der Druck aus den Unionsparteien nicht wächst, sitzt er das vermutlich aus.”
In einer Nebenhandlung sind übrigens neue “NSU 2.0”-Schreiben aufgetaucht.
2. Ciao, Schürrle, Ciao
2014 wurde Deutschland in Brasilien Fußballweltmeister; so gut wie jeder, den ich kenne, weiß, wo er damals war, als das DFB-Team gegen Argentiniens Mannschaft antrat (wie die Partie lief, können Sie hier nachlesen).
Einer der Helden damals war André Schürrle. Nun, sechs Jahre später, beendet der Stürmer überraschend seine Karriere – mit nur 29 Jahren und damit weit vor der Zeit, in der sich Fußballprofis normalerweise aus dem Business zurückziehen. Meine Kollegin Antje Windmann hat Schürrle, der zuletzt für Spartak Moskau spielte, in den vergangenen sieben Monaten begleitet. Gemeinsam begaben sie sich auf eine Zeitreise durch sein Leben. Sie offenbart, dass Schürrle nicht für die Kälte des Fußballgeschäfts gemacht ist.
Er sagt, dass er oft einsam gewesen sei, gerade als “die Tiefen immer tiefer wurden und die Höhepunkte immer weniger”. Die Branche habe es ihm aber nicht erlaubt zu zeigen, wie er sich wirklich gefühlt habe. “Man muss ja immer eine gewisse Rolle spielen, um in dem Business zu überleben, sonst verlierst du deinen Job und bekommst auch keinen neuen mehr.”
Konkrete Zukunftspläne hat der Sportler bisher nicht geschmiedet. Antje sagt: “Er hat auf eine ganz zentrale Frage noch keine Antwort gefunden: Wer ist André Schürrle ohne Fußball?“
3. Welt-Emoji-Tag: Als die Buchstarben
Es gibt Leute, die behaupten, die Menschheit teile sich in zwei Gruppen: Diejenigen, die Emojis nutzen. Und diejenigen, die schon beim Anblick von Emojis beide Augen zudrücken. Der Tatsache, dass ich zur zweiten Gruppe gehöre, verdanke ich eine Dienstreise in die Karibik, sie liegt acht Jahre zurück und dauerte nur vier Tage.
Das kam so: Mein damaliger Chefredakteur fragte per Rundmail, ob wir einen Bericht geplant hatten zur Ankunft einer 16-jährigen Weltumseglerin auf den niederländischen Antillen – den Termin hatte er in einer Ankündigung gesehen. Seine Mail bestand aus zwei Fragen: “Habt ihr das im Blick? Wer fährt hin? 🙂” Ich antwortete, dass wir uns drum kümmern, und ergänzte: “Wenn gewünscht, fahr ich sonst auch hin.” Ohne Zwinkersmiley. Anderthalb Tage später saß ich in einer Air-France-Maschine, Umstieg in Charles de Gaulle, Ziel: Sint Maarten.
Mein Kollege Andreas Evelt aus dem Videoressort gehört zur ersten Gruppe. “In Chats mit Freunden und der Familie benutze ich Emojis sehr, sehr häufig, um klarzumachen, wie ich eine Nachricht meine.” Von ihm habe ich gelernt, dass heute der Welt-Emoji-Tag ist, weil das Kalender-Emoji von Apple den 17. Juli zeigt. (Funfact: Dauernd kommen neue Emojis hinzu, Jugendliche in Deutschland nutzen aber vor allem das Herz und das Lach-Tränen-Smiley.) Mit einem Sprachwissenschaftler hat Andreas ein Experiment unternommen: Ohne sich wirklich zu kennen, haben sie nur mit Emojis kommuniziert. So richtig gut geklappt hat das nicht, wie dieses Video zeigt, das mein Kollege Jonathan Miske animiert hat. “Es war klar, dass ein Gespräch kompliziert werden würde. Dann war es aber doch erstaunlich, wie unterschiedlich Menschen Emojis interpretieren können”, sagt Andreas.
Selbst ich Smiley-Muffel muss zugeben: Die hässlichen Dinger lassen sich sogar journalistisch nutzen. Vor einigen Jahren haben wir mit Emoji-Interviews experimentiert, Prominente durften nur in Symbolen auf Fragen antworten, zum Beispiel mit Bill Kaulitz:
Oder Cem Özdemir:
Erschienen sind sie damals in unserer digitalen Abendzeitung SPIEGEL Daily, die leider nicht ganz so erfolgreich war, wie ich mir das gewünscht hätte. Meine Kollegen verdrehen die Augen, wenn ich davon erzähle. Genauso wie bei der Karibikgeschichte, einer nennt mich “Klimasau”. Ich vermute, der ein oder andere wäre selbst gern geflogen. Oder sie haben einfach kein ❤️.
Mein Lieblings-SPIEGEL heute: der neue
Der neue SPIEGEL ist da, jetzt digital, ab Samstag am Kiosk. So sieht er aus:
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Die Titelgeschichte “Milliardenbluff, Spionagethriller, Politaffäre: Der Fall Wirecard” lesen Sie hier.
SPIEGEL Update – Die Nachrichten
Was heute sonst noch wichtig ist
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
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“Trump ist zu fast allem fähig”: John Bolton hat als Sicherheitsbeauftragter eng mit Donald Trump zusammengearbeitet – und sich wie kaum jemand mit ihm angelegt. Im Interview erklärt er, wie der US-Präsident einzuschätzen ist.
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“Ist halt leichter, wenn man schuldig ist und 1,9 Milliarden hat…”: Der geflohene frühere Wirecard-Manager Jan Marsalek hielt bis vor Kurzem Kontakt zu einem Berater. Die Chatprotokolle liegen dem SPIEGEL vor. Einige Auszüge.
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Das brutale Geschäft mit den Unsichtbaren: Eine internationale Recherche zeigt, wie Arbeiter ausgebeutet werden, die für einen Hungerlohn auf deutschen Spargel- und Erdbeerfeldern schuften.
Was heute nicht so wichtig ist
Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: “Sein Sprint über das halb Feld samt Überholmanöver außerhalb des Spielfeldes”
Cartoon des Tages: Der EU-Gipfel
Und am Wochenende?
Versuchen Sie sich doch als Küchensamurai: Unsere Köchin Verena Lugert lässt sich von einem berühmten japanischen Krieger inspirieren und serviert sommerfrisches Rinderfilet (keine Angst, nicht von Udo, siehe oben). “Es kommt an sommerheißen Tagen deutlich leichter daher als der beispielsweise von mir so geliebte bayerische Zwiebelrostbraten”, sagt sie. Tataki bedeutet unter anderem “hacken” oder “schneiden”. Hier verrät sie das Rezept.
In diesem Sinne: erst ausschlafen, dann himmlisches Rind.
Ihnen ein schönes Wochenende, herzlich
Ihr Oliver Trenkamp
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