Wieder einmal machen die erbärmlichen Arbeitsbedingungen für Bauarbeiter der WM 2022 in Katar, inzwischen nur noch zwei Jahre entfernt, Schlagzeilen. Die erneute Kritik folgt zudem neuesten Entwicklungen in den Ermittlungen über Unregelmäßigkeiten in der ursprünglichen Turniervergabe.
Die Befragung in Gewahrsam des ehemaligen UEFA-Präsidenten Michel Platini durch französische Behörden hat die Öffentlichkeit an die kontroverse Wahl des Golfstaates, trotz ungeeigneten Klimas und Mangel an vorhandenen Stadien, erinnert. Seit der Vergabe des Turniers 2011, musste sich mehr als die Hälfte des verantwortlichen Komitees Vorwürfen der Bestechung stellen.
Nun erscheinen neue Berichte über den andauernden Missbrauch von ausländischen Arbeitern, die eine vorzeitige Fertigstellung der Stadien und Infrastruktur ermöglicht haben. Ein Gehalt von knapp 90 Cent pro Stunde, eingezogene Pässe, ein Gewerkschaftsverbot, katastrophale Sicherheitsbedingungen sind alle bereits bestens belegt. Sie führen eindeutig die Risiken vor, einen solchen Wettbewerb in einem Land mit einer schlechten Menschenrechtsbilanz zu organisieren. Inzwischen hat man berechnet, dass bei einer Gedenkminute für jeden gestorbenen Bauarbeiter die ersten 44 Spiele der WM in Stille ausgetragen würden.
Der Druck auf Katar, Arbeitsbedingungen und Rechte für tausende Nepalesen, Filipinos, Pakistaner und andere führte vor einigen Jahren zu öffentlichkeitswirksamen Reformversprechen. Nun wird klar, dass es viele dieser Reformen nur auf dem Papier gibt. Bislang wurden Journalisten, die das Thema recherchierten, auf sorgfältig organisierte PR-Touren geführt, in denen es nur Interviews mit ausgesuchten Arbeitern und Aufsehern gab, auf die man sich verlassen konnte, der offiziellen Linie zu folgen. Am 6. Juni hat jedoch ein Bericht des WDR mit versteckter Kamera belegt, dass nepalesische Arbeiter seit Monaten ohne Gehalt gelebt haben, zudem mit unzureichender Verpflegung und Unterkunft – acht Arbeiter in jedem Schlafzimmer, nur ein WC für 200.
In Interviews beklagten sie: “Wir sind gefangen. Wir leben von Wasser und Brot, mehr können wir uns nicht leisten.“ Das fehlende Einkommen ist auch ein Problem für die Familien zuhause in Nepal, die darauf zum Überleben angewiesen sind. „Manchmal frage ich mich, ob es besser wäre zu sterben“, sagt einer. Sie bestätigen auch, dass ihre Pässe von den Arbeitgebern weiterhin beschlagnahmt werden, sodass sie sich praktisch in Gefangenschaft befinden.
Der Bericht beweist, dass sich trotz einiger Fortschritte wenig getan hat, seit die katarische Regierung 2014 Reformen des Kafala-Systems versprach. Er zeigt auf dramatische Art und Weise den Unterschied zwischen dem, was die Regierung den Reportern zeigen wollte und den wirklichen Bedingungen vor Ort.
Angesichts dieser Enthüllungen haben die Philippinische Kommission für Menschenrechte (CHR) und die Nepalesische Nationale Menschenrechtskommission bereits ihr Vorhaben angekündigt, enger zusammen zum Schutz ihre Burger in Katar zu kooperieren. CHR-Leiter Chito Gascon bekundete: „Letztendlich gab es eine Verpflichtung Katars, sich an internationale Arbeitsnormen zu halten. Der einzige Weg dies sicherzustellen ist, die Sache anzusprechen.“ Er versprach außerdem eng mit den jeweiligen Botschaften zusammenzuarbeiten, damit Probleme mit Arbeiterrechten schnell von der katarischen Regierung behandelt werden. Auch der Außenminister Pakistans gelobte, Druck auf Katar auszuüben, um Gehälter und Krankenpflege für pakistanische Arbeiter zu verbessern.
Erwartungen, dass die Weltmeisterschaft in ein anderes Land verlegt werden könnten, sind im Netz wieder allgegenwärtig, so unwahrscheinlich dieses Szenario auch ist. Druck wird jedenfalls auf FIFA steigen, etwas gegen die Arbeitsbedingungen im Land zu unternehmen. Unterdessen zeigen die französischen Korruptionsermittlungen, dass Interesse in die inneren Abläufe bei FIFA und in Qatar nicht allzu bald ablassen wird.